Suchen & Finden
Jugend! Deutschland 1918-1945
Editionen zur Geschichte
Didaktik & Schule

Erika Meyer

geborene Tiemann
geb. in Essen 1924

Inhalt
Baum wird geladen...
Weitere Themen
Essen im Zweiten Weltkrieg
RAD der weiblichen Jugend
Archivmaterialien
RAD-Fotoalbum Erika Tiemann (1943)

Bombenkrieg und Reichsarbeitsdienst - „Ach, eigentlich war ich ganz froh `raus zu sein aus der Bombenstadt.“

Erika Meyer erlebt den Bombenkrieg in Essen nicht in seinen traurigen „Höhepunkten", denn im Frühjahr 1943 wird sie zum Reichsarbeitsdienst eingezogen und entkommt damit der bedrohlichen Situation in der zunehmend unter Beschuss stehenden Stadt. Sie erinnert sich hauptsächlich an die zahlreichen nächtlichen Alarme, nicht aber an tatsächliche Angriffe. Familie Tiemann geht bei Gefahr in den nahegelegenen Hochbunker, wo die Atmosphäre in der Regel sehr angespannt ist. „Manche heulen, manche beten und dann sitzen sie alle stillschweigend und ducken sich und hören. Und dann hören sie mal die Bomben fallen." Die Stimmung der Essener sei „bedrückt und ängstlich" gewesen und „sicher waren das schlimme Zeiten und man wäre am liebsten abgehauen", so die Zeitzeugin. Doch trotz all der Anspannung und des Leids um sie herum befasst sich die jugendliche Erika nicht pausenlos mit der ständigen Bedrohung. Sie denkt eher an den nächsten Tag und daran, wie sie auch mal wieder fröhlich sein kann, freut sich zum Beispiel immer, wenn wegen des nächtlichen Alarms die Schule eine Stunde später beginnt. Im Nachhinein bewertet Erika Meyer die Kriegszeit für sich auch nicht wie viele andere in ihrer Generation als „verlorene Jahre".

 

Nach der Schule wird sie zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. „Eigentlich war ich ganz froh, raus zu sein aus der Bombenstadt", so die Zeitzeugin. Auch ihre Mutter ist beruhigt, die Tochter nun in Sicherheit zu wissen. Erika ist sehr offen für das, was sie im Arbeitsdienst erwartet, und gespannt auf neue Erlebnisse, zumal sie zum ersten Mal für längere Zeit von zu Hause weg ist. Ihre Gruppe kommt nach Kaffzig im Kreis Rummelsburg in Pommern und zwar in ein ehemaliges Barackenlager, von dem sie zunächst nicht gerade begeistert ist. Dort sind insgesamt 72 Mädchen in sechs Baracken untergebracht, die unter der Leitung von drei Frauen stehen. „Naja, und dann wurde man da so eingeteilt, zwölf Mädchen, eine Baracke." Sie findet sich schnell mit der neuen Situation ab und lernt auch nette Gleichaltrige kennen. „In meinem Lager war sonst keine Bekannte, da war ich fremd."

 

Als die Mädchen im Lager ankommen, müssen sie sich zunächst einmal einrichten. Sie werden eingewiesen und bekommen Schulungen; nach etwa drei Wochen geht es dann in die Außendienste. Erika Tiemann hat Glück, denn ihre erste Arbeitsstelle hat sie beim Pastor im nächsten Ort, bei dem sie vor allem im Haushalt hilft und der sie sehr gut behandelt. „Können Sie mal sehen", so die Zeitzeugin scherzhaft, „das waren die Gebete meiner Großeltern". Die anderen Mädchen werden vor allem bei Bauern in der Umgebung eingesetzt. Ihre späteren Außendienststellen tritt sie einmal beim Ortsbauernführer an, dann bei einer Frau, die ihren Hof allein bewirtschaftet.

 

Der Tagesablauf der „Arbeitsmaiden" ist klar geregelt: Morgens gibt es Frühstück im Lager, dann geht es mit den Fahrrädern zum Außendienst und um sechs Uhr abends haben die Mädchen wieder pünktlich im Lager zu sein. Manchmal werden auch Veranstaltungen organisiert, zu denen dann auch die Bevölkerung aus der Umgebung eingeladen wird.