Besondere Anstrengungen unternahmen die während der NS-Zeit für die Kinder- und Jugendliteratur Verantwortlichen, um mittels gezielter Produktion und Verbreitung von Bilderbüchern ideologischen Einfluss auf die Jüngsten zu nehmen.[1] Bereits Kleinkinder sollten in „völkischem“ Sinn indoktriniert und politische erzogen werden, um so bereits im Vorschulalter rassisches Denken, „Volksverbundenheit“, Führerkult sowie Begeisterung für Militär und Technik, aber auch Natur-und Heimatliebe zu wecken.
Solchen Zielvorstellungen entsprach das tatsächliche Angebot an Bilderbüchern allerdings nicht einmal ansatzweise. Was den Buchmarkt wie schon vor 1933 dann bis in die Kriegsjahre hinein beherrschte und was zumeist nur mit Einschränkungen empfohlen wurde, waren idyllische Kindheitsdarstellungen und Geschichten von anthropomorphisierten Tieren oder beseelten Pflanzen. Daher sollte man sich davor hüten, die im Stürmer-Verlag erschienenen Bilderbücher „Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud hei seinem Eid“ (1936) von Elvira Bauer und „Der Giftpilz“ (1938) von Ernst Hiemer in ihrer Wirkung falsch einzuschätzen. Diese beiden Bilderbücher, in denen in einer kaum zu beschreibenden brutalen Weise Juden in Bild und Text als Verbrecher, Diebe und Lügner darstellt werden, fanden im Rahmen offizieller Buchbesprechungen keine Erwähnung und wurden erst recht nicht zur Lektüre empfohlen. Nicht zuletzt wohl wegen ihrer platten Darstellungsweise stießen sie selbst in NS-affinen Kreisen auf Ablehnung, so dass man sie keinesfalls als Prototypen der NS-Bilderbuchproduktion sehen darf, wie es immer wieder in Forschung und Schulunterricht geschieht.
Trotz der aus Sicht der NS-Literaturkritik eher negativen Lage auf dem Bilderbuchmarkt erschien 1940 unter dem Titel „Das deutsche Bilderbuch“ eine Liste mit immerhin 211 Titeln. Die Mehrzahl von ihnen war bezeichnender Weise aber älteren Datums, fast 100 der gelisteten Titel waren bereits vor 1933 erschienen.
[1] Die Darstellung folgt Josting, Faschismus, S. 291ff.