Die Kaiserin-Augusta-Schule (Köln)

Weil die 1871 ins Leben gerufene erste städtische weiterführende Schule für Mädchen in der Sankt-Apern-Straße an ihre räumlichen Kapazitätsgrenzen stieß, beschloss die Kölner Stadtverordnetenversammlung am 20. Dezember 1901 die Einrichtung einer zweiten derartigen Anstalt: der „städtischen höheren Mädchenschule II“.[1] Aufgrund der dort besonders hohen Nachfrage wurde als Standort der Kölner Süden ausgewählt. Nachdem auch das Provinzialschulkollegium in Koblenz diesem Ansinnen zugestimmt hatte, konnte die neue Schule bereits zu Ostern 1902 am provisorischen Standort An Lyskirchen 7 mit insgesamt 51 Schülerinnen in vier Klassen ihren Betrieb aufnehmen. Zugleich wurde der Bau eines eigenen Schulgebäudes am Karthäuserwall in Angriff genommen, der 1907 fertiggestellt wurde. Im Frühjahr des Jahres wurden auch die neuen, bis heute gültigen Bezeichnungen für die beiden bis dahin namenlosen höheren städtischen Mädchenschulen festgelegt: Während die ältere künftig den Namen der legendären preußischen Königin Luise trug, hieß die neue Einrichtung nach der Großmutter des regierenden Kaisers Wilhelm II. nunmehr „Kaiserin-Augusta-Schule“ (KAS).

Mit dem Neubau ging eine sprunghafte Zunahme der Schülerinnenzahl einher. Hatte die Schule 1907 rund 300 Mädchen unterrichtet, brachten die folgenden Jahre über 450, 650 und 750 eine Steigerung auf 842 Schülerinnen. Außerdem wurden der bisherigen „Höheren Mädchenschule“ eine realgymnasiale Studienanstalt sowie ein Oberlyzeum angegliedert.[2] 1912 wurde wegen Überfüllung der Kaiserin-Augusta-Schule das „Lyzeum III“ abgezweigt, während das nicht mehr zeitgemäße „Oberlyzeum“ abgebaut wurde.[3]

Danach begannen, wie für viele andere Schulen auch, für die KAS unruhige und unstete Jahrzehnte. Aufgrund des Ersten Weltkriegs wurde das Schulgebäude zwischen 1914 und 1919 als Lazarett für Kriegsgefangene genutzt, während der eigentliche Schulbetrieb in den Neubau der Volksschule Stolzestraße verlegt wurde. Danach war die Schule bis 1920 als Kaserne von englischen Besatzungstruppen besetzt. Erst 1921 konnte die KAS ihren Betrieb im angestammten Gebäude wieder aufnehmen, das zuvor aufwändig und entsprechend kostspielig wieder hergerichtet worden war. Als dann bis 1927 die damals übliche „Vorschule“ ihren Betrieb eingestellt hatte[4], konnte das ebenfalls stark gewachsene „Lyzeum III“ ebenfalls Aufnahme am Karthäuserwall finden und in den Betrieb der KAS eingegliedert werden. Zu diesem Zeitpunkt unterrichteten 40 Lehrkräfte die in 25 Klassen aufgeteilten Schülerinnen.

Die Aufgaben, die ein Mädchengymnasium zu dieser Zeit zu erfüllen hatte, fasste ein Zeitungsartikel zum 25-jährigen Bestehen der KAS so zusammen: „Mehr als alles aber erfüllt die Mädchenschule die Summe der Aufgaben, die in der Mädchenschularbeit als solcher liegen. Probleme, die sich zusammenfassen lassen in der Doppelaufgabe, die dem weiblichen Geschlecht von unserer Zeit auferlegt ist: sich zum Berufsmenschen zu entwickeln, sich aber gleichzeitig zu entwickeln zur Frau, zur Mutter, zur Trägerin der Familie. Mit aller Sorgfalt hat die Schule sich bemüht, im Rahmen des Möglichen dieser Doppelaufgabe, der Erziehung, gerecht zu werden. Und sie darf sich rühmen, von den Eltern, von den früheren Schülerinnen Anerkennung geerntet zu haben.“

Kaum hatte man geglaubt, dass sich die Verhältnisse nun stabilisieren und einen ungestörten Schulbetrieb ermöglichen würden, brachten die Jahre ab 1933 tiefgreifenden Veränderungen auf nahezu sämtlichen Gebieten schulischen Lebens. Zunächst traf es im Zuge von Gleichschaltung und „politischer Säuberung“ auf der Grundlage des am 7. April erlassenen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums das KAS-Kollegium. Direktor Voss wurde – obwohl zugleich auch Sprecher der Kölner Gymnasialdirektoren - im Sommer 1933 entlassen, gehörte er doch weder der NSDAP noch dem NS-Lehrerbund an. Außerdem, so urteilt die Schulfestschrift im Jahr 2002, habe die KAS stets im Ruf einer christlichen Schule gestanden und sei den Nationalsozialisten daher ein Dorn im Auge gewesen. Nach seiner im Kölner Rathaus vollzogenen Entlassung blieb Direktor Voss nicht einmal mehr die Zeit, sich von seinen Schülerinnen zu verabschieden. Einige Tage später wurde seine Position von dem von einem Gymnasium in Köln-Mülheim versetzten Studienrat Dr. Hussong übernommen. Als der bereits 1934 starb, wurde seine Funktion von dem aus Düsseldorf kommenden Oberstudienrat Dr. Klausmann übernommen, der nach nur drei weiteren Jahren in Reichserziehungsministerium nach Berlin wechselte.

Die meisten der verbliebenen Lehrkräfte mussten zur Überprüfung ihrer „politischen Zuverlässigkeit“ einen Fragebogen ausfüllen, woraufhin drei von ihnen pensioniert bzw. an eine andere Schule versetzt wurden. Zwischen 1933 und 1945 unterrichteten an der Kaiserin-Augusta-Schule insgesamt 64 Lehrerinnen und Lehrern. Lediglich zu 22 von ihnen konnten Entnazifizierungsunterlagen aufgefunden werden. Daraus geht hervor, dass neun der 22, also 41 Prozent der NSDAP, 21 der NS-Lehrerbund angehört hatten.[5]

Als zum 1. April 1934 die Merlo-Mevissen-Schule – offiziell wegen zu geringer Schülerzahl - in die KAS integriert und neben dem bisherigen realgymnasialen Zweig als gymnasiale Abteilung platziert wurde, ergab sich auch die Möglichkeit zur Einsparung von sechs Lehrkräften und somit für weitere Entlassungen, die ausschließlich alte KAS-Lehrkräfte trafen, die nicht der NSDAP angehörten.

1939 wurde die Kaiserin-Augusta-Schule erneut von Kriegsauswirkungen getroffen. Das Schulgebäude am Kartäuserwall wurde von Mai 1939 bis in den Juni 1940 von der Wehrmacht beschlagnahmt und der Unterricht zunächst im Lyzeum der „Schwestern Unserer Lieben Frau“, der Liebfrauenschule, am Georgsplatz 10 erteilt. Hier wechselten sich die Schülerinnen beider Anstalten im Schichtdienst mit Vor- und Nachmittagsunterricht ab. Das dürfte angesichts einer ohnehin bereits überfüllten KAS mit allein drei Oberprimen, die 1940 ihr Abitur ablegten, nicht ohne Probleme und Einschränkungen möglich gewesen sein.

Außerdem rückte das Kriegsgeschehen mittels Luftangriffen immer näher. Bereits im März 1941 wurde das Schulgebäude am Karthäuserwall von Brandbomben getroffen, die insbesondere die Turnhalle in Mitleidenschaft zogen. Auch sonst häuften sich Beeinträchtigungen und Mangelerscheinungen. Schon im Januar/Februar 1941 musste der Unterricht wegen Mangels an Kohlen zeitweise ausfallen, und im November musste nun die KAS ihrerseits den Schülerinnen der Oberschule vom Georgsplatz Herberge bieten, ein Schicksal, das dann in umgekehrter Richtung Anfang 1942 auch die KAS selbst betraf. Im Februar des Jahres musste die Schule vom Georgsplatz dauerhaft im Gebäude am Karthäuserwall aufgenommen werden, dass dann seinerseits am 31. Mai 1942 durch den „1.000-Bomber-Angriff“ auf Köln schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Der Zerstörungsprozess setzte sich fort: Am 10. und 14. Januar 1944 wurde das Schulgebäude erneut schwer getroffen, um dann beim letzten schweren Angriff auf Köln am 2. März 1945 vollends zerstört zu werden. „Die Schule ist ohne Gebäude“ wurde in der Schulchronik konstatiert. „Fast alles Wertvolle“, so hieß es weiter, sei bis auf die Lehrerbibliothek verloren, und das Wenige, was aus den Trümmern vielleicht noch retten gewesen wäre, fiel in den chaotischen Tagen im März 1945 noch Plünderungen zu Opfer.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kölner Schulen aber bereits lange ihre Pforten geschlossen. Schon Anfang März waren rund 80 Schülerinnen der Kaiserin-Augusta-Schule als „kriegsbeurlaubt“ geführt, die als Gastschülerinnen auf Einrichtungen in weniger luftgefährdeten Regionen gewechselt waren. Andererseits waren etwa 60 Schülerinnen der im Rahmen der Kinderlandverschickung komplett verlegten Königin-Luise-Schule und der Oberschule in der Machabäerstraße (ehemals Ursulinenschule) vorübergehend in die KAS aufgenommen worden.

Nachdem Köln dann am 27. September den ersten einer Serie von mehreren schweren Luftangriffen erlebt hatte, erschienen nur noch 20 Schülerinnen zum Unterricht, die umgehend nach Hause geschickt wurden. Weitere Maßnahmen waren nicht mehr nötig, weil auf Anordnung von Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Josef Grohé am 2. Oktober 1944 sämtliche Kölner schulen dauerhaft geschlossen wurden.

Der Neuanfang gestaltete sich schwierig. Während den gesamten Sommer 1945 noch kein Unterricht erteilt werden konnte, war im Mai des Jahres Oberstudienrätin Schorn immerhin als neuer Leiter der KAS bestellt worden. Auch die Entnazifizierung verlief aus Sicht des Schulleiters erfolgreich, weil – so zumindest die Auskunft der Festschrift - keine Lehrkraft entlassen werden musste. Im Juli 1945 fand daraufhin in der Wohnung der Schulleiterin eine erste Lehrerkonferenz statt, zu der die neun sich in Köln oder in unmittelbarer Umgebung aufhaltenden Lehrkräfte erschienen.

Das zunächst gravierendste Problem resultierte jedoch aus der völligen Zerstörung der Schule am Karthäuserwall. „Die Sorge um ein Ersatzgebäude beschäftigt die Leitung der Schule ununterbrochen“, hieß es hierzu im Bericht über das Schuljahr 1945/46. Obwohl die Aussichten als schlecht eingeschätzt wurden, gelang es dann bereits im September 1945 eine neue Unterkunft für die KAS zu finden, die allerdings alles andere als befriedigend war: „Leider entspricht die Lage des sich im Ganzen in gutem Zustande befindlichen Gebäudes (Köln-Ehrenfeld – Nussbaumerstraße) in keiner Weise den Wünschen des Kollegiums und der Elternschaft.“ Weil der Schulweg für die bisherigen Schülerinnen aus dem Kölner Süden gerade angesichts der weitgehenden Zerstörung des städtischen Verkehrssystems einfach zu weit war, kam es durch Abwanderungen zu nähergelegenen Schulen zu einem Einbruch der Zahlen. Weil im Gegenzug neue Anmeldungen aus Ehrenfeld und Bickendorf erfolgten, zählte die KAS beim Neubeginn dann doch rund 450 Schülerinnen, von denen sich etwa 60 zu einem der beiden Sonderlehrgänge angemeldet hatten. Im Oktober 1945 wurde auch die künftige Form der KAS offiziell festgelegt: „Lyzeum mit Studienanstalt neu- und altsprachlicher Richtung“. Unter diesen Prämissen konnte der Unterricht nach mehr als einjähriger Pause am 26. November 1945 wieder aufgenommen werden, wobei sich – ein neuer Wermutstropfen – die Kaiserin-Augusta-Schule die provisorische Unterkunft in Ehrenfeld mit der Königin-Luise-Schule teilen musste.

Es dauerte bis in den Januar 1953, bis der erste von drei Bauabschnitten fertiggestellt war und die KAS ihr neuerrichtetes Gebäude am Georgsplatz beziehen konnte, das auf den Resten der Liebfrauenschule errichtet worden war. Immerhin 800 Schülerinnen besuchten zu diesem Zeitpunkt bereits wieder die Einrichtung, die im gleichen Jahr – mit einjähriger Verspätung - ihr 50-jähriges Jubiläum feierte.

Fußnoten

[1] Soweit nicht anders angegeben, das Folgende nach 1902/2002 – einhundert Jahre Kaiserin-Augusta-Schule Köln. Festschrift, Köln 2002.

[2] Der Besuch eines Realgymnasiums, die seit Ende des 19. Jahrhunderts eingerichtet wurden, führte zum Abitur, wobei der Schwerpunkt der schulischen Bildung auf modernen Fremdsprachen oder naturwissenschaftliche Fächern lag, die damals als „Realien“bezeichnet wurden. Dem standen die altsprachlichen Gymnasien mit ihrem Schwerpunkten Griechisch und Latein sowie einer am humanistischen Ideal orientierten Ausbildung entgegen. Für die Mädchengymnasien in Preußen war das Jahr 1908 von entscheidender Bedeutung, weil sich der Staat nun dazu verpflichtete, auch die höhere Mädchenbildung in seine Verantwortung zu übernehmen und damit den Frauen einen umfassenden universitären Zugang zu ermöglichen. Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Preußen neben 213 öffentlichen höheren Mädchenschulen immerhin noch 656 privat geführte Einrichtungen. (Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6here_M%C3%A4dchenschule [3.12.2018]) Der erfolgreiche Abschluss des Lyzeums (Gymnasiums) berechtigte die Absolventinnen zum Besuch eines Oberlyzeums, das der Lehrerinnenausbildung diente.

[3] Vgl. den in der KAS-Festschrift auf S. 36 abgedruckten Zeitungsartikel.

[4] Bis 1918 wurde mit „Vorschule“ eine Schulform bezeichnet, die von der ersten bis zur dritten Klasse reichte. Sie konnte anstelle der Volksschule besucht werden, war ein Jahr kürzer und bereitete auf das Gymnasium vor. Ihr Besuch kostete allerdings erhebliche Gebühren, sodass die „Vorschule“ den wohlhabenderen Bevölkerungsschichten vorbehalten blieb, deren Kinder einen Vorteil in der weiteren höheren Bildung genossen. In der Weimarer Republik wurden die Vorschulen deshalb abgeschafft. (Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Vorschule [3.12.2018])

[5] Vgl. die Zahlen bei Imke Dustmann: Kölner Lehrer an ausgewählten höheren Schulen im Spiegel der Entnazifizierung 1945-1950, (unveröffentlichte Magisterarbeit) Köln 2001, S. 81