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Hans Weber

geb. in Hilversum 1925

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Hans Weber (1925)

Hans Weber kommt am 28. März 1925 als „Gastarbeiterkind“ im holländischen Hilversum zur Welt. Sein Vater ist um 1922 aus dem Ruhrgebiet zugewandert, doch nur drei Jahre später verpflanzt er seine junge Familie wegen einer Vorarbeiterstelle auf der Zeche Scholven wieder zurück nach Gladbeck. So wächst Hans, bald mit einem kleinen Bruder namens Günter, in der Zechensiedlung Zweckel auf und besucht dort die Volksschule. Ganz ungewöhnlich für eine Bergarbeiterfamilie ist die Anschaffung eines Klaviers, von da an wird die Musik in seinem Leben immer eine bedeutende Rolle spielen. Die Verankerung der Familie Weber im katholischen Milieu wird gewaltsam gelöst, als der Vater 1937 seine Meisterprüfung zum Schlosser nachholt und deshalb massiv zum Eintritt in die NSDAP gedrängt wird. Der zwölfjährige Hans wird beim Jungvolk angemeldet, findet aber wenig Gefallen daran und eine willkommene Ausweichmöglichkeit im Spielmannszug der örtlichen HJ. Gleichwohl kann er sich nicht der Indoktrination durch Lieder, Sprüche, Erzieher, Propaganda entziehen und macht, singt und brüllt gedankenlos mit.

Im März 1939 wird er auf Betreiben des Rektors in den neu kreierten Aufbaulehrgang in Vallendar, bald umbenannt in „Lehrerbildungsanstalt“(LBA) aufgenommen, wo er auch ohne Abitur innerhalb von vier Jahren zum Volksschullehrer nach nationalsozialistischer Prägung ausgebildet wird. Unterdessen zieht seine Familie von Gladbeck nach Linz in Oberösterreich, weil der Vater bei den Eisenwerken Oberdonau, einem Teil der Reichswerke Hermann Göring, eine Werkmeisterstelle in der Panzerstahlproduktion angenommen hat. Hans leistet dort auch in den Ferien seinen Kriegshilfsdienst ab und muss dabei russischen Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen Essen austeilen. Wegen erniedrigender Erfahrungen im Wehrertüchtigungslager meldet er sich noch vor Beendigung der LBA im März 1943 freiwillig zur Kriegsmarine. Nach Musterung und Eignungsprüfung in Stralsund sowie drei Sommermonaten Reichsarbeitsdienst im Taunus tritt er schließlich im Oktober 1943 im Memellager in Flensburg-Mürwik zur Grundausbildung als Reserveoffiziersanwärter an. Im Januar 1944 geht es weiter nach Gotenhafen/Gdingen an der Danziger Bucht zur Kadettenausbildung, im Juni an die Marinekriegsschule in Heiligenhafen zum Hauptlehrgang, der abseits und weitgehend unberührt vom eskalierenden Kriegsgeschehen bis Jahresende läuft.

Ein Werkstattlehrgang schließt sich an, bis Hans Weber doch noch Ende April 1945 als Teil des „letzten Aufgebots“ Richtung Berlin geschickt wird, seine Einheit aber gleich wieder vor den nahenden sowjetischen Truppen kehrt machen muss. Westwärts geht es zu Fuß oder im Bus im großen Flüchtlingsstrom, dann zu zweit über die Elbe bis nach Celle, wo er in den Tagen um die Kapitulation in einem Lazarett ausruhen kann, um dann südwärts durch das besetzte Nachkriegsdeutschland bis nach Linz zu wandern bzw. zu radeln. Da trifft er nur seine sorgenkranke Mutter an, die wenige Wochen später verstirbt. Vom Bruder gibt es kein Lebenszeichen, der Vater taucht aus seinem Versteck wieder auf und folgt seinem Ältesten nach der Ausweisung aus Österreich ins Sauerland, wo sie Ende September 1945 bei den Eltern von dessen Kadettenkameraden Unterschlupf finden.

Im sauerländischen Werdohl beginnt Hans Weber mit zwanzig Jahren ganz bewusst, seine Zukunft zu gestalten: er holt in einem Sonderlehrgang für Kriegsteilnehmer 1947 das Abitur nach, studiert in Kiel und Bonn Englisch und Deutsch, gründet einen Chor, geht 1952 mit seiner jungen Frau, mit der er bald zwei Töchter haben wird, als Lektor für Deutsch als Fremdsprache (DaF) nach England. Danach arbeitet er als Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch und als Fachleiter in Dortmund und lehrt von 1974 bis 1988 als Professor für Sprach- und Literaturdidaktik in der Anglistik an der Bergischen Universität Wuppertal. Nach seiner Pensionierung leitet er in vielen Ländern für das Goethe-Institut und an amerikanischen Sommerschulen DaF-Fortbildungsseminare.

Der Nationalsozialismus und seine Jugend in diesem System betrachtet Hans Weber als sein Lebensthema, mit dem er sich bis heute auseinandersetzt. Unter dem Titel Nachholspiele– Biographische Skizzen“ hat er 2011 seine Erinnerungen und Reflexionen dazu veröffentlicht, die eine so inhaltsreiche Ergänzung zu dem Videointerview für dieses Projekt darstellen, dass ein besonders umfassendes und plastisches, aber auch selbstkritisches Lebensbild entsteht. Die Gespräche mit Hans Weber fanden im Juli und August 2013 in Bonn statt.

zuletzt bearbeitet am: 25.04.2016