Volksverein

Der katholische Volksverein hatte ein breites Angebot an religiöser, sozialer, politischer und kultureller Bildung und wuchs im späten Kaiserreich zu einer sozialpolitischen Massenorganisation heran.

In einer Zeit, wo sich die Katholiken im wilhelminischen Deutschland durch Aufklärung, Säkularisation und „Kulturkampf“ gesellschaftlich und politisch an den Rand gedrängt sahen, gründeten Laien in Zusammenarbeit mit Zentrums-Politikern 1890 in Köln den „Volksverein für das katholische Deutschland“. Seine Zentralstelle zog bald nach Mönchengladbach, das dadurch zum Mittelpunkt des sozialen und politischen Katholizismus werden sollte.

Zweck des Vereins war die breitenwirksame Erwachsenenbildung auf der Grundlage christlicher und sozialreformerischer Ideen als Gegengewicht zu Angeboten der atheistischen Sozialdemokratie. Er hatte bald regen Zulauf zu seinen Vorträgen, Kursen, Lehrgängen und Arbeitsgemeinschaften sowie zu seinen Ausbildungsangeboten an Führer der christlichen Gewerkschaften, katholischen Arbeitervereine und Handwerkerverbände. Sehr gut angenommen wurden die Rechtsberatung und Hilfen der Volksvereinsbüros bei Problemen mit Behörden und auch die zahlreichen Versammlungen zu politischen, religiösen, sozialen und medizinischen Fragen.

Bald wurde ein eigener Verlag mit Druckerei gegründet, der Flugblätter, Bücher und Zeitschriften, teils mit Auflagen in Millionenhöhe, verbreitete. Die sozialwissenschaftliche Bibliothek des Volksvereins wurde (und ist es als Teil der Stadtbücherei Mönchengladbach bis heute) eine der größten Europas.

So zählte der Volksverein 1914, zu seiner besten Zeit, 805.000 Mitglieder und 15.000 Ehrenamtler; reichsweit waren hier 13,6% der katholischen Männer und 5,8% der katholischen Frauen organisiert. Doch im Ersten Weltkrieg und der Weimarer Zeit verlor der Volksverein stark an Mitgliedern und Bedeutung. In den letzten Jahren der Weimarer Republik richtete er seine Arbeit vornehmlich gegen Freidenkertum, Neuheidentum, Rassismus, gegen Klassenkampf, Bolschewismus wie auch Nationalsozialismus, gegen rechten wie auch linken Radikalismus.

Hatte der Volksverein sich noch im Februar 1933 in einem Wahlaufruf deutlich gegen die neuen NS-Machthaber ausgesprochen, so plante er schon im folgenden Monat, sich durch Einlenken und Fusionieren mit anderen Vereinen zu retten. Doch am 1.7.1933 stürmten Polizeieinheiten die Geschäftsstellen des Volksvereins, verhafteten Generaldirektor und Mitarbeiter und beschlagnahmten sein Vermögen. Zehn Tage später und drei Tage vor Unterzeichnung des „Reichskonkordats“ wurde der Volksverein am 17.7.1933 endgültig aufgelöst.