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Jugend! Deutschland 1918-1945
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Chronik der Schule Essen-Dellwig I (Nachkriegszeit 1945/46)

Die Fronten brechen zusammen, die Heimat wird immermehr in Grund u. Boden bombardiert, aber die politischen Machthaber denken nicht an eine Beendigung des sinnlosen Mordens u. Zerstörens, der immer weiter um sich greifenden Elends u. Verderbens. In ihrer Unfähigkeit wollen sie das ganze Volk ins Verderben reißen. Fast Nacht für Nacht schwerste Bombenangriffe. Am schlimmsten sind der Nachtangriff vom 23.Okt. u. der Tagesangriff vom 25. Okt. 44. Essen wird ein ungeheurer Trümmerhaufen.

1945 - Das Durcheinander wächst - die allierten Truppen überschreiten die deutschen Grenzen - dringen über den Rhein - die Heimat wird Kriegsgebiet - Kämpfe toben im Norden an der Lippe - Immer näher rückt die Front - Tieffliegerangriffe bei Tag u. Nacht. - Am 13. März schwerster Fliegerangriff auf Essen. Die Stadt ist völlig zerstört. Keine Straßenbahn fährt mehr. Die Bevölkerung sitzt Tag u. Nacht in den Bunkern. Artilleriebeschießung - schließlich Einzug der Amerikaner - allgemeiner Zusammenbruch. Größte Not, kein Brot, keine Lebensmittel - es fehlt an allem! Das Fazit des „Tausendjährigen Reiches" ist furchtbar: ein Nichts! An Schulehalten ist vorläufig nicht zu denken. Langsam kehren die evakuierten Schulkinder aus der Ferne in die arme zerstörte Heimat zurück. Das Wohnungselend in den Ruinen ist grausig. Vorbereitungen zur Wiederaufnahme des Unterrichts bahnen sich an; die schwierigste Aufgabe ist, Schulräume zu schaffen, bezw. instandzusetzen. Die meisten Schulen Essens sind zerstört, ausgeraubt, ausgeplündert. Endlich am 15.8.45, kann der erste Schultag nach dem Kriege gehalten werden.

Unter der Leitung des Lehrers Karl Dabbert u. der Mithilfe des Lehrers Heinrich Kersten, geb. 10.10.15 zu Essen, 1. Lehrerprüfung Lehrerakademie Dortmund 1937, wird der Unterricht der Schäferdiekschule am 15.8.45 eröffnet. Da das Gebäude Donnerstr. 139 nicht benutzt werden kann, findet die Schule in der Hilfsschule Weidenstraße statt, gemeinsam mit der kath. Kraienbruch- und kath. Reuenbergschule, deren Gebäude ebenfalls unbenutzbar sind. Nur an 4 Tagen der Woche ist Unterricht. Da keine Fensterscheiben vorhanden sind, müssen, zumal die Kinder schlecht gekleidet u. unterernährt sind, immer wieder während der wenigen Unterrichtsstunden erwärmende Übungen gemacht werden.

1.-4. Schuljahr führt Herr Kersten, 5.-8.: Herr Dabbert. Die anfangs geringe Schülerzahl steigt bald rasch durch die Rückkehr der Evakuierten. Ungeheure Schwierigkeiten gibt es zu überwinden. Keinerlei Lehr- u. Lernmittel sind vorhanden; viele Kinder schreiben auf Dachschiefer, da keine Tafel aufzutreiben, geschweige Hefte oder Papier. Der geistige Zustand der Kinder ist sehr verschieden,

 

 

manche haben seit Jahren keinen Unterricht gehabt oder nur sehr lückenhaften, andere haben verhältnismäßig regelmäßig die Schule besucht. Schüler desselben Jahrganges haben teils noch nicht die Kenntnisse vorschulpflichtiger Kinder, teils sehr mangelhaft, einige etwas befriedigendere; keins aber hat aber auch nur einigermaßen den normalen Leistungsstand seines Jahrgangs.

Im Winter gibt es kein Heizmaterial; in allen Dingen - ein Notbehelf - aber ein Anfang war gemacht!

Ein Positives in dieser traurigen Zeit gibt es zu verzeichnen: Die Eltern waren froh, ihre Kinder wieder regelmäßig in die Schule schicken zu können.

Als Folgen der allgemeinen Not zeigten sich bald immer stärker werdende Unterrichtsversäumnisse durch „Hamster"fahrten, Sammeln von Brennmaterialien (Trümmerholz!), Baumaterialien zum Aufbau von Behelfsheimen im Wege der Selbsthilfe durch die Familienmitglieder vom Kleinsten bis zum Größten...

Am 15.11.45 mußte Herr Lehrer Kersten auf Anordnung der Militär-Regierung aus dem Amte scheiden.

Vorher, am 12.9.45, war Herr Hilfsschullehrer Karl Lang, geb. 20.10.85, I. Prüfung 1909 in Mörs, II. 1914, Hilfsschullehrerprüfung 1930, zur Schäferdiekschule gestoßen. Da er keine Wohnung hat, totalbombengeschädigt u. bisher evakuiert, wird ihm die Dienstwohnung Donnerstr. 139 zugewiesen, die er, so gut es geht, im Wege der Selbsthilfe, behelfsmäßig auf- u. einrichtet. Die oberen Jahrgänge können von nun ab von 2 Lehrkräften (Lang u. Dabbert) unterrichtet werden.

Auch Herr Stemann nimmt seinen Dienst an der Schäferdiekschule wieder auf. Im Oktober 1945 ergibt sich folgender Klassenaufbau:
1. Schulj. Herr Lang
2. Schulj. Herr Kersten
3. Schulj. Herr Stemann
4. Schulj. Herr Dabbert

5.-7. Schulj. zunächst Lang, Dabbert u. Kersten.

Es folgt bald Herr Friedrich Hoffert. Vorerst aber unterrichtet er weiter an der kath. Kraienbruchschule; ferner Herbst 1946 (1.10.) Frl. Anna Severin, später, März 47, nach Neheim-Hüsten, Bez. Arnsberg, versetzt, und Frl. Dr. Juliane Bieber.

Inzwischen wurden Bemühungen aufgenommen, die alten Schulgebäude der in der Weidenstraße untergebrachten Systeme schulverwendungsfähig zu machen. Als erste Schule konnte die Reuenbergschule ihr altes Heim beziehen. Als zweite folgte die Kraienbruchschule.

Da das Gebäude der Schäferdiekschule in der Donnerstr. vollständig „ausgeräumt" und sich somit in einem entsprechenden Zustand bestand - zumal es ohne jegliche Bewachung war, war es für unser System am schwierigsten, einen baldigen Umzug von der Weidenstr. zur Donnerstr. zu bewerkstelligen. Obwohl an der Sicherung des Gebäudes gearbeitet wurde, war alle Mühe vergebens, solange nicht ein Hausmeister bestellt war u. eine Wohnung im Gebäude fand. Es wurde also zuerst eine Wohnung für den noch zu bestellenden Hausmeister in Ordnung gebracht, die dann auch bald vom ersten Hausmeister der Nachkriegszeit, Herrn Melzner, bezogen werden konnte. Auf dem Wege der Selbsthilfe konnten nun auch durch das Entgegenkommen eines Platzmeisters - seiner sei mit Dank gedacht - der beschädigten Kruppwerke in Bergeborbeck die Gebäudefenster mit Drahtglas versehen werden.

Inzwischen - August 1946 - war zum Leiter der Schule Herr Lehrer Hüber bestellt worden, der später, am 1.10.46 durch Herrn Hoffert ersetzt wurde.

Zur Ausstattung der Klassenräume wurden von allen möglichen Unterbringestellen Bänke, Pulte, Tafeln u. Schränke „zusammengekratzt". Ostern 1946 konnte dann endlich nach 3 jähriger Unterbrechung zum ersten Male der Unterricht im alten Gebäude Donnerstr. 139 aufgenommen werden.

Am 1.10.46 trat Herr Kersten wieder in den Schuldienst. Weitere Lehrkräfte, wie Herr Rektor (später Schulrat!) Schwarz, Frau Trippe, u. a. waren nur kurze Zeit an der Schule tätig oder hatten den Dienst wegen inzwischen erfolgter Versetzung überhaupt nicht aufgenommen.

Seit Ostern 1946 unterrichten der Flüchtlingslehrer Ernst Schnabel aus Tilsit und die techn. Lehrerin Wally Drengenberg, geb. 14.7.23, I. Prfg. 1943, als wissenschaftl. Lehrerin an unserer Schule.

An besonderen Aktionen in diesem Jahre sind zu nennen: Schulspeise, Schuhaktion, Kläpperchen-, Sandalen- und Leder- + Textilaktion. Der Lehrer war sozusagen der Verteiler des Wirtschaftsamtes, was oft zu Mißhelligkeiten führten. Mancher Beamte oder Angestellte des Wirtschaftsamtes wies die Eltern, die um Bezugscheine f. Schuhe u. dergl. immer wieder vorsprachen, um diese loszuwerden, an die Schule. Wir konnten dann sehen, wie wir mit den durch das ständige Vertrösten u.

 

[..Ende..]