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Paul Verbeek

geb. in Köln 1925

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Unfreiwillige „Karriere“: „Also, ich war Kriegsfreiwilliger, ich war NSDAP-Mitglied und ich war KZ-Aufseher. Wie wollen Sie das heute einem erklären?“

Zwischen Abitur und Kriegsende gerät Paul Verbeek mehrmals unfreiwillig in Situationen, die ihn zum überzeugten Mittäter des NS-Regimes zumachen scheinen. Wie seine Altersgenossen legt Paul Verbeek bereits mit 18 Jahren das Abitur ab, denn die NS-Führung hat die Gymnasialzeit um ein Jahr verkürzt, um die jungen Männer schneller als Soldaten in die Schlacht schicken zu können. Dies zu umgehen oder zumindest hinauszuzögern, ist gerade in einer Familie, die diesen Krieg und seine Betreiber ablehnt, aber schon zwei Söhne in Russland im Feld stehen hat, Gegenstand angestrengter strategischer Überlegungen. So rät der Vater Paul, ein Studium der Meteorologie aufzunehmen, weil sich damit die Chance eröffnet, dass er bei der Einberufung zur Wehrmacht dem Reichswetterdienst zugewiesen wird. Der arbeitet naturgemäß hinter der Front, sodass Paul in relativ sicherem Abstand von den Kampfhandlungen zum Einsatz käme.

Voraussetzung ist aber, dass der angehende Rekrut Paul Verbeek zur Luftwaffe kommt, in deren Zuständigkeit der Reichswetterdienst fällt. Folgerichtig muss er sich im Frühjahr 1943 als Kriegsfreiwilliger zur Luftwaffe melden. Er begründet das auch explizit damit, dass er dort wegen seines Studienfachs besonders nutzbringend einsatzbar sein könnte. Im Anschluss entwickelt sich ein reger Briefwechsel zwischen Wehrbezirkskommando und Luftwaffe um die Frage, wie dringend der frischgebackene Meteorologie-Student bei letzterer gebraucht würde. Dadurch erreicht er immerhin, das erste Semester bis zum Ende studieren zu können, denn er wird erst im Dezember 1943 eingezogen.

Bis heute weiß Paul Verbeek nicht, wie er als Parteimitglied in die NSDAP geraten ist, denn er kann sich nicht erinnern, einen Aufnahmeantrag unterschrieben zu haben. Er weiß aber noch, wie ihm ein lokaler Parteibonze einige Tage vor seiner Einberufung zum Kriegsdienst eröffnete, dass er wegen seiner Verdienste aufgenommen worden sei, und vermutet, dass er sich das mit seiner Tätigkeit im Luftschutzdienst eingehandelt hat, den er ja als Mitglied der katholischen Pfarrjugend von der Hitlerjugend übernommen hatte.

Noch tiefer hinein in die NS-Vernichtungsmaschinerie gerät er ohne sein Zutun später als Soldat. Er ist 1944 mit seiner Einheit im französischen Elsass stationiert, das seit vier Jahren unter deutscher Besatzung steht. Eines Morgens wird er ohne Vorankündigung oder Kommentar mit seinen Kameraden und Waffen auf einen LKW geladen und in das Konzentrationslager Struthof bei Natzwiller südwestlich von Strasbourg verfrachtet. Dort werden sie vier oder fünf Tage lang für die Bewachung eingesetzt. Das ist für Paul Verbeek das dritte Beispiel aus seinem Lebenslauf für die Reduzierung des Individuums zum Objekt durch den Nationalsozialismus.

Freiwillig erklimmt er dagegen die nächste Stufe seiner „Karriereleiter“, als er in den letzten Kriegstagen beschließt, nach Ablauf seines Heimurlaubs nicht zur Truppe zurückzukehren. Damit macht er sich kurzzeitig zum Deserteur.

 

zuletzt bearbeitet am: 03.09.2016