Die Heime der Hitlerjugend in Menden

In auffälligem Gegensatz zu den wortreichen Erklärungen der Nationalsozialisten über Aufgabe und Bedeutung der Hitlerjugend im nationalsozialistischen Staat stand - wie vielerorts so auch in Menden - die katastrophale Ausstattung der HJ mit Heimen. Die Räume in der Stadt, in denen die NS-Jugend zwischen ausrangiertem, zum Teil reparaturbedürftigem Mobiliar hauste, waren bisweilen ungesund und passten nur wenig zu einer Jugend, auf deren Schultern angeblich die Zukunft des Staates ruhte. Zur Veranschaulichung der armseligen, so wenig zum Bild einer „Staatsjugendorganisation“ passenden Verhältnisse sei hier eine in der Lokalpresse veröffentlichte Zustandsbeschreibung der von der Mendener HJ 1935 oder Anfang 1936 bezogenen Räume des ehemaligen SA-Heims wiedergegeben.

„Erst war man eine ausgetretene, morsche Treppe heraufgestiegen, dann gelangte man geradeaus in den Büroraum der HJ. Rechts in der Ecke stand ein alter rußiger Ofen, der aus Mangel an Brennmaterial nicht geheizt werden konnte. An den Wänden standen morsche, wacklige Schränke, Tische, Pulte und Ständer. Die Stühle hatten zum größten Teil nur drei Beine. An der Decke hing eine zerbrochene Lampe, die Fenster waren kahl und tot und ohne Gardinen.
Wenn man die Heimräume betrat, war der Anblick noch grauenhafter. Die Räume waren viel zu groß. Der Verputz war an vielen Stellen von den Wänden gesprungen, oder er hing noch, durch einige Fasern gehalten, mit dem Mauerwerk in Verbindung. In irgendeiner Ecke stand eine Bank oder ein Tisch. Sonst waren die großen Räume leer.
An der Wand stand in jedem der zwei Räume ein Ofen, von denen der eine sich, da er keinen festen Unterbau mehr hatte, schon bedenklich auf die Seite gelegt hatte. Die nackten Fenster, die zum Teil nicht einmal von außen geputzt werden konnten, waren ohne jeden Vorhang.“

Auch 1937 beklagte sich HJ-Standortführer Graumann weiterhin über die Heimsituation in Menden. Von den elf Räumen, die den insgesamt 1.600 Mitgliedern der örtlichen Hitlerjugend zur Verfügung stünden, seien nur zwei als ausreichend, acht dagegen lediglich als „Notheime“ zu bezeichnen, während nur ein einziges Heim - gemeint war das Jungvolkheim - als „in jeder Weise einwandfrei“ gelten könne.

Jungvolk-Heime

Mendener Jungvolk und HJ waren 1933 auf der Suche nach einer geeigneten Unterkunft zunächst auf den Poenigeturm in der Turmstraße gestoßen, da der trutzige Bau an die Wehrbereitschaft der mittelalterlichen Stadt erinnerte und als „Jugendburg“ bestens geeignet erschien. Im Juli 1933 trat das Jungvolk an die Stadt heran, um dort zunächst einen Raum als Heim herzurichten. Weitere sollten folgen, um in dem Turm schließlich auch eine Führerschule unterzubringen. Die Forderung wurde auch damit begründet, dass die Mendener Hitlerjugend „seit Jahr und Tag keinen eigenen Tagungsraum“ zur Verfügung habe und bisher stets darauf angewiesen gewesen sei, „in Wirtschaftsräumen und dergleichen zu tagen“. Offenbar wurde der Turm dem Jungvolk tatsächlich zugesprochen und auch mit den Aufräumarbeiten begonnen, doch musste wegen baulicher Probleme dann von einem Umbau abgesehen werden.

Stattdessen bezog das Jungvolk im Januar 1934 zwei leerstehende Räume in der städtischen Badeanstalt an der Walramstraße, wo auch der Jungstammführer künftig seine Sprechstunden abhielt. Für Wasser, Licht und Heizung mussten Gebühren entrichten werden. Bereits Anfang August 1934 erfolgte dann der Umzug in Räume der benachbarten städtischen Turnhalle. Eigene Mittel und Möglichkeiten waren jedoch immer noch äußerst knapp, so dass für die Innenausstattung die Mendener im November des Jahres um Spenden gebeten wurde: Benötigt wurden „noch verschiedene Sachen: Schränke, Tische, Stühle, Schreibtisch für unser Büro und Geräte zum Basteln, Hämmern und Zimmern im Winter.“ Das Jungstammbüro und die Hauptmeldestelle des Jungvolks befand sich bald darauf – spätestens seit Mitte 1935 - in der Augustaschule am Kirchplatz.

Eine deutliche Verbesserung bedeutete 1936 dann die Fertigstellung des Jungvolkheims auf Brauckmanns Wiese am Rothenberg. Nachdem der Gemeinderat den Bauantrag genehmigt und die Stadt das Grundstück kostenlos zur Verfügung gestellt hatte, war im August 1935 mit den Bauarbeiten begonnen worden. Finanziert wurde der Bau durch Spenden, wobei einige Handwerker zudem kostenlos arbeiteten. Um die Baukosten weiter zu senken, wurden auch die Jungvolk-Angehörigen selbst während ihrer Dienststunden zur Mitarbeit herangezogen. So halfen die Jungen bei Ausschachtungsarbeiten, trugen Steine und transportierten das Bauholz zunächst aus dem Wald zum Sägewerk und anschließend wieder den Berg hinauf zur Baustelle. Am 14. Juni 1936 konnte das Heim eingeweiht werden. Es bot einen großen, durch Fenster gut belichteten, holzgetäfelten 60 m² großen Tagesraum, der der Heim- und Schulungsarbeit diente. Hiervon durch eine verschiebbare Wand getrennt gab es einen Schlafraum für 10 Personen, der mittels kleineren Umbauten mit dem Tagungsraum zusammengelegt und so für die Übernachtung größerer Gruppen hergerichtet werden konnte. Zur Beköstigung gab es im Keller eine Küche mit Vorratsraum, so dass auch mehrtägige Aufenthalte möglich waren. Außerdem gehörte zum Heim ein mehr als 10.000 m2 großes Freigelände, das die Stadt dem Jungvolk geschenkt hatte. Hier sollte die körperliche Ausbildung durchgeführt werden, während die weitere Umgebung für Geländeübungen genutzt werden konnte.

Mit diesem Bau war die Heimnot des Jungvolks jedoch keinesfalls behoben, denn hierfür war er zu klein und zu abseitig gelegen. Und als es im Juni 1941 zu Beschädigungen der Inneneinrichtung kam, verfügte die Stadtverwaltung kurzerhand die Schließung des Heims bis nach Kriegsende.

Spätestens seit Beginn der 1940er Jahre griff das Mendener Jungvolk auf die Volksschulen als Unterkünfte für die drei örtlichen Fähnlein zurück. Das Fähnlein Menden-Unterstadt hatte Dienstbüro und Meldestelle in der Horst-Wessel-Schule (Westschule), wo auch der regelmäßige Fähnleindienst stattfand. Das Fähnlein Mittelstadt nutzte regelmäßig zunächst die Widukind-Schule (Josefschule), seit Anfang September 1941 dann die Hindenburgschule als Appellplatz und Dienstort, während das Fähnlein Oberstadt in der Schlageter-Schule (Wilhelmschule) unterkam. Auch die Flieger-HJ besaß in diesem Schulgebäude seine Werkstatt. Eine weitere Jungvolkdienststelle gab es im Realgymnasium.

HJ-Heime

Die Mendener HJ hatte sich, nachdem sie anfangs in Hinterräumen von Gastwirtschaften getagt hatte, nach der Machtübernahme zunächst mit einem alten Fabrikraum begnügen müssen und war dann - wohl gemeinsam mit dem Jungvolk - in die Räume der Badeanstalt gewechselt. Als dann im Dezember 1933 der Freiwillige Arbeitsdienst (FAD) sein Mendener Quartier in der früher Friederichschen Fabrik an der Wilhelmstraße räumte, richtete die HJ hier ein Heim mit Geschäftszimmer ein, wobei sie sich gezwungen sah, per Zeitungsinserat um die Spende nicht mehr benötigte Schränke, Stühle, Tische und Bücher zu bitten. Der 1935 oder Anfang 1936 erfolgte Umzug in drei Räume des SA-Heims an der Wilhelmstraße bedeuteten – wie der oben wiedergegebenen Zustandsbeschreibung zu entnehmen ist – zunächst keine wirkliche Verbesserung. Im Laufe des Jahres 1936 wurden hier notdürftige Renovierungen durchgeführt, wobei die Wände bis zur Brusthöhe mit Stoff bespannt und im oberen Bereich neu gestrichen, die Öfen lackiert, neue Lampen aufgehängt und an den Fenstern Gardinen angebracht wurden. Die Geschäftsstelle des Unterbanns 5/136 befand sich hingegen seit dem 1. Juli 1936 im Gebäude der alten Rektoratsschule am Kirchplatz 4., bis sie im Januar 1937 in die Hochstraße 6 verlegt wurde, wo zwei freigewordene Räume bezogen werden konnten.

Diese dezentrale Unterbringung in über das Stadtgebiet verstreuten Gebäuden erschwerte die Arbeit der Mendener HJ erheblich. Es fehlte eindeutig eine Zentrale, die sämtliche Gliederungen des Standortes zusammenfasste und zudem Möglichkeiten der Organisation und Repräsentation bot. Das sollte sich 1937, seitens der Reichsjugendführung ohnehin zum „Baujahr der HJ“ ausgerufen, grundlegend ändern, wobei sich Unterbannführer Friedrich Graumann und dessen Nachfolger Theodor Spier als besonders rührig erwiesen. Auf einem Elternabend im Saal der Gastwirtschaft Knoke referierte Graumann am 22. Januar 1937 über die dramatische Heimnot der Mendener Hitlerjugend und erhielt daraufhin von städtischer Seite die Zusage, dass trotz angespannter städtischer Finanzen ein entsprechendes Bauvorhaben durchgeführt werden solle.

Der beabsichtigte Bau am Hördingerkamp nahm in den nächsten Monaten tatsächlich konkretere Formen an, wobei der aus städtischem Besitz zur Verfügung gestellte Bauplatz wegen seiner zentralen Lage und der direkten Nachbarschaft zum Sportplatz der Firma Schmöle und zum Freibad Leitmecke als besonders eignet galt. Nachdem die Baupläne ausgearbeitet waren, erteilte der Stadtrat am 11. September 1937 seine Zustimmung und reichte sie zur Genehmigung an die HJ-Gebietsführung in Münster und den Heimausschuss bei der Reichsjugendführung in Berlin weiter, der sie am 24. Februar 1938 billigte. Bei Kreisverwaltung und Bezirksregierung wurden Zuschüssen beantragt und im städtischen Haushalt Rücklagen geschaffen, die sich 1939 bereits auf fast 180.000 RM beliefen und damit die Hälfte der projektierten Gesamtkosten abdeckten. Der Kriegsbeginn setzte dann jedoch allen weiteren Bemühungen ein jähes Ende. Das ambitionierte Bauvorhaben wurde nie realisiert.

Dabei wäre das Mendener HJ-Heim ein Musterbeispiel nationalsozialistischer Architektur geworden. Da es sämtliche Jugendformationen in einem Gebäude ausreichend Raum bieten sollte, fielen die Ausmaße des Gebäudes – zumindest für kleinstädtische Verhältnisse – ehrgeizig aus. Nach dem Willen der Verantwortlichen sollte in Menden ein Heim entstehen, das „für Generationen allen Ansprüchen“ der Staatsjugend genügen würde. Der gesamte Stadtbezirk sollte durch den Bau geprägt werden, der zugleich „Zeugnis sein für den nationalsozialistischen Aufbauwillen“ Mendens ablegen würde. Das Gesamtvorhaben sah vier Teilkomplexe vor. Dem eigentlichen HJ-Heim sollte ein plattierter und von Grünanlagen umsäumter Platz vorgelagert sein. Dieser Vorplatz, den man durch eine repräsentative offene Pfeilerhalle vom Hördingerkamp aus betreten hätte, sollte den lange vermissten Sammelplatz der örtlichen Hitlerjugend bieten, auf dem sie zu Appellen und Aufmärschen antreten konnte. Daran schloss sich mit einer Länge von 32 Metern – und damit drei Meter mehr als das alte Mendener Rathaus! - das dreistöckige Heim an. In dessen „Mädeltrakt“ waren neben der Hausmeisterwohnung sechs Scharräume mit jeweils 50 m² vorgesehen; außerdem zwei Führerinnenzimmer, zwei Bastelräume, ein Fahrradraum, die Garderobe und Toiletten. Der deutlich getrennte „Jungentrakt“ sah acht Scharräume in gleicher Größe, vier Führerzimmer, drei zugleich als Luftschutzräume eingerichtete Werkräume im Kellergeschoss sowie ebenfalls Fahrradraum, Garderobe und Toiletten vor. Das Erdgeschoss sollte außerdem neben der großen Eingangshalle den „Fahnenraum“, gewissermaßen das „Allerheiligste“ des Gebäudes, und einen „Appellflur“ beherbergen. Im Dachgeschoss schließlich hätte ein Gefolgschaftszimmer mit Projektionsraum zur gemeinsamen Benutzung zur Verfügung gestanden. Vom Appellhof gelangte man über eine Freitreppe zum eigenständigen „Feierhallenbau“, in dem über einer Turnhalle ein für etwa 1000 Jugendliche ausgelegter Festsaal mit Bühne entstehen sollte, in dem die Mendener Hitlerjugend im „Tausendjährigen Reich“ ihre größeren Veranstaltungen abzuhalten gedachte. Das umgebende Gelände sollte als Turn- und Spielwiese hergerichtet werden.

Die kriegsbedingte Realität sah dann hingegen vollkommen anders aus. Es blieb bei einer Notlösung, die die Raumprobleme der HJ kaum befriedigt haben dürfte. 1943 kaufte die Gauleitung eine Holzbaracke, die dann an der Adolf-Hitler-Kampfbahn (Huckenohlstadion) aufgestellt wurde. Sie verfügte über zwei größere beheizbare Räume für Heimabende und einen Geschäftsraum. Im August 1943 wurde das Provisorium der Mendener Hitlerjugend feierlich übergeben.

Heime von Jungmädeln und BDM

Die Mendener Jungmädel waren – laut der in diesem Punkt recht dürftigen Aussagen in der „Mendener Zeitung“ - in Räumen der Augustaschule am Kirchplatz untergebracht und erhielten 1936 weitere Aufenthaltsräume in der alten Rektoratsschule am Kirchplatz 4.

Der BDM traf sich seit seiner Gründung im Jahre 1932 regelmäßig in den Räumen der Gastwirtschaft Knoke und nutzte den dortigen Saal auch später noch gern für Elternabende. Nach 1933 musste auch der BDM mehrfache Umzüge bewältigen. Er bezog Mitte 1934 ein für seine Zwecke hergerichtetes Fabrikgebäude bei Menne-König an der Promenade 11, zog aber wohl bereits Anfang 1935 von dort in die Freyschen Schreinerwerkstätten an der Wilhelmstraße um. Seit 1936 hatte der BDM dann - wie die Jungmädel - sein Heim in der Rektoratsschule am Kirchplatz. Für größere öffentliche Veranstaltungen nutzten die Mendener NS-Mädchenorganisationen darüber hinaus die Aula der Walburgisschule, wo auch regelmäßig die Sportabende des BDM stattfanden.

zuletzt bearbeitet am: 19.04.2016