Kinderlandverschickung nach Tirol - „Es war nur noch eine Überlebensgemeinschaft.“

Sein zweiter KLV-Aufenthalt führt Klaus im Sommer 1944 nach Tirol, wo sich seine ehemalige Klasse befindet. Als er das erste Mal die schneebedeckten Berge sieht, meint er, das „Tor zum Paradies" öffne sich vor ihm. Den Schülern gefällt es hier sehr gut, auch als sie nach einiger Zeit nach Kitzbühel umquartiert werden. „Wir haben die Schönheit der Berge einen ganzen Winter erlebt", schwärmt Klaus Schlimm noch heute, „das wurde erst mies, als es kein Essen mehr gab". Etwa ab Oktober 1944 werden die Lebensmittel knapp und damit die Stimmung schlechter.

 

Das Leben in diesem KLV-Lager unterscheidet sich sehr von jenem in Podiebrad. „Die Hitlerjugend gab es gar nicht mehr, der war die Puste restlos ausgegangen." Der Lagermannschaftsführer spielt kaum eine Rolle und auch der Schulunterricht ist stark reduziert. Er findet zwar statt und es gibt auch Zeugnisse, „aber nur noch in wenigen Fächern". „Es war nur noch eine Überlebensgemeinschaft." Immer wieder werden die Jungen verpflichtet, als kriegswichtig geltende Arbeiten zu übernehmen und helfen beispielsweise beim Bau von Luftschutzbunkern. Hierfür erhalten sie dann ein „Extra-Butterbrot".

Ein Einsatz besonderer Art im Herbst 1944 lässt Klaus Schlimm noch heute ins Schwärmen geraten: „Dann kam etwas ganz Tolles, das war wie ein Märchen. Wir wurden eingeteilt zu vier Wochen Ernteeinsatz in Südtirol. Rings um uns Plantagen mit Äpfeln, die alle nicht mehr geerntet wurden. Wir wurden nur für die Weinernte eingesetzt. Trauben, süßeste Trauben, jede Menge. Bauern, die nicht wussten, wohin mit ihrem Essen. So stelle ich mir das Schlaraffenland vor."

 

Als die Erntegruppe nach Kitzbühel zurückkommt, gibt es dagegen kaum noch etwas zu essen. So ist es für die stets hungrigen Jungen „fast eine Erlösung", als sie in ein Wehrertüchtigungslager ins Zillertal einberufen werden, da hier die Versorgung noch deutlich besser ist als im KLV-Lager. „Darum konnte man es da aushalten", erinnert sich Klaus Schlimm. Zur Wehrerziehung selbst kommt es dagegen gar nicht mehr, weil die Region zugeschneit ist. Stattdessen wird eine „ganz starke ideologische Schulung" durchgeführt. Aber das nahende Ende ist derart deutlich absehbar, dass sich die Jungen im Wehrertüchtigungslager nur noch eine Frage stellen: „Wie überleben wir?"

 

zuletzt bearbeitet am: 10.08.2018