Menü
Chronik und Quellen
1937
September 1937

Der Generalstaatsanwalt berichtet aus Karlsruhe

Der Generalstaatsanwalt erstattet am 18. Oktober 1937 folgenden Bericht für August und September 1937:

Was das Verbrechen der Rassenschande anbetrifft, so scheinen die schweren Strafandrohungen des Blutschutzgesetzes allmählich ihre abschreckende Wirkung nicht zu verfehlen.

Die Oberstaatsanwälte in Konstanz, Waldshut, Offenburg, Heidelberg und Mosbach haben keine neuen Verfahren wegen Rassenschande zu berichten.

Der Oberstaatsanwalt in Freiburg berichtet nur über die Verhaftung des jüdischen Arztes Dr. [N.N.a] aus Berlin wegen Rasseschande mit einer arischen Berliner Kaufmannsehefrau. Dieser wollte mit der Frau und deren Ehemann in die Schweiz ausreisen. Bei der Devisenkontrolle ergab sich aus Briefen der Verdacht der Rassenschande, von der der Ehemann keine Ahnung hatte. Das Verfahren wurde an die Staatsanwaltschaft Berlin abgegeben. Die Festnahme wurde in der Auslandspresse, z.B. den ''Basler Nachrichten'' erörtert.

In dem Verfahren gegen [N.N.b] (1 Kls. 15/37), der am 1. September 1937 von der II. Großen Strafkammer des Landgerichts Freiburg zu einer Zuchthausstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt worden ist, wie in dem im letzten Lagebericht erwähnten Verfahren gegen den Juden [N.N.c], gegen den auf eine Gefängnisstrafe von 1 Jahr 3 Monaten erkannt worden ist, habe ich die Einlegung der Revision veranlaßt, da mir die Strafen zu nieder erschienen.

Um einen typischen Fall der Rassenschande handelt es sich bei dem Verfahren gegen den Direktor und Mitinhaber der Schuhfabrik [N.N.d.] in Rastatt ( 4 Kls. 34/37), in welchem unterm 26. September 1937 vom Oberstaatsanwalt in Karlsruhe Anklage erhoben worden ist. In diesem Verfahren wurde festgestellt, daß der Angeklagte seit langen Jahren seine Stellung als Fabrikherr systematisch dazu ausgenutzt hat, die ihm unterstellten Arbeiterinnen und Lehrmädchen geschlechtlich zu mißbrauchen. Für die Zeit vor Inkrafttreten des Blutschutzgesetzes war es nur möglich, diejenigen Fälle anzuklagen, die den Tatbestand des Verbrechens nach § 174 Abs. 1 Ziffer 1 RStGB erfüllten. Unter diesem Gesichtspunkt ist in 9 Fällen Anklage erhoben. Es ist weiter Anklage erhoben worden wegen in den Jahren 1936 und im Frühjahr 1937 begangener Rassenschande mit einer Arbeiterin, mit der der Angeklagte seit 1930 ein geschlechtsvertrauliches Verhältnis unterhalten hatte. Der Angeklagte hatte damals die Arbeiterin im Alter von 18 Jahren zum Geschlechtsverkehr mit ihm verführt und seither ein Verhältnis mit ihr unterhalten. Die Anklage kennzeichnet den Angeklagten zu Recht als den geschlechtsgierigen Fabrikherrn, der es als Selbstverständlichkeit ansah, daß das ihm unterstellte weibliche Personal ihm in geschlechtlicher Hinsicht zur Verfügung stand.

Ganz ähnlich gelagert ist das Verfahren wegen Rassenschande gegen den verantwortlichen Leiter der Zigarrenfabrik [N.N.e] in Walldorf, [N.N.f] und dessen Stiefsohn [N.N.g]. Durch Urteil der II. Großen Strafkammer des Landgerichts Heidelberg vom 17. September 1937 sind [N.N.f] und [N.N.g] zu einer Gesamtzuchthausstrafe von 1 Jahr und neun Monaten unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 2 Jahren wegen Rassenschande verurteilt (2 Kls. 25/37) worden. [N.N.f] ist zudem die Ausübung seines Berufs auf die Dauer von 5 Jahren untersagt worden. Von der Anklage wegen Notzucht an einer damals 18jährigen Hausangestellten ist der Angeklagte [N.N.f] freigesprochen worden. In diesem Verfahren ist ebenfalls festgestellt worden, daß [N.N.f] seit Jahren Arbeiterinnen und jungen Hausangestellten nachgestellt hat, um sie geschlechtlich zu mißbrauchen.

Den Großteil der Verfahren wegen Rassenschande stellt immer noch die Stadt Mannheim, die auch heute noch eine starke jüdische Bevölkerung aufweist. Ein Zeichen dafür, daß in Mannheim der Rassegedanke in der Bevölkerung noch nicht genügend durchgedrungen ist, ist die Tatsache, daß von 5 in Untersuchungshaft befindlichen Rassenschändern, 4 Arier sind, die mit jüdischen Frauen Rassenschande getrieben haben. Erwähnenswert ist auch noch, daß der wegen widernatürlicher Unzucht, Kuppelei und Betrugs in Untersuchungshaft befindliche Professor [N.N.h] mit einer 38jährigen jüdischen Lehrerin a.D. überführt ist. [...]

Ein interessantes Beispiel für die Versuche des Judentums, durch Tarnung ihren geschäftlichen Boykott wirkungslos zu machen, zeigt die Anklage des Oberstaatsanwalts in Mannheim gegen die Eheleute Moritz Ganss vom 9. September 1937 ( 2Js 459/37) wegen Betrugs und unlauteren Wettbewerbs. Die Angeschuldigten betreiben seit vielen Jahren in Mannheim die Firma Hessische Öl- und Fettmanufaktur S. Ganss, die sich mit dem Vertreibe von Ölen und Fetten an Kleinabnehmer befaßt. Die Eheleute Ganss gründeten zunächst im Jahre 1933 auf den Namen ihres deutschblütigen Vertreters Schmitt eine Firma C. Schmitt und benutzten diese Scheinfirma dazu, weiter unter dem Namen dieser Scheinfirma Bestellungen bei arischen Kunden einzuholen und für diese auszuführen. Im Jahre 1934 wurde die Scheinfirma C. Schmitt unter Hinzuziehung eines Werkmeisters der Eheleute Ganss in eine offene Handelsgesellschaft Schmitt & Co. umgewandelt und im Handelsregister eingetragen. Auch diese Firma, die keinerlei eigenes Vermögen, keine Warenbestände und keine eigenen Angestellten hatte, wurde nur zu dem Zweck geschaffen, als Tarnung für die Judenfirma zu dienen. Unter den so getäuschten Kunden befanden sich auch das Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft Mannheim. Die Verträge zur Gründung der Tarnung der Scheinfirmen sind von dem vierteljüdischen Rechtsanwalt Dr. Karl Eder entworfen worden. Ich behalte mir Prüfung seines Verhaltens in der Angelegenheit zwecks evtl. ehrengerichtlichen Einschreitens vor. Die zum Betrug erforderliche Schädigung sieht die Anklage darin, daß die arischen Konkurrenzfirmen der Beschuldigten im Laufe der Jahre durch die von den Angeklagten verübte Tarnung um einen erheblichen Betrag geschädigt worden und die Kunden, die bei Kenntnis der wahren Sachlage nichts von den Scheinfirmen bezogen hätten, durch den Abschluß eines Kaufvertrages mit den Scheinfirmen in ihrer Vermögenslage gefährdet worden sind. Ob der Tatbestand des Betrugs erfüllt ist, scheint mir zweifelhaft. Es wird aber m.E. auf alle Fälle eine Bestrafung im Wege der Analogie in Frage kommen. (…)

 

Politische Kriminalität (…)

Für die Stimmung der Landbevölkerung auf dem Schwarzwald ist ein von dem Oberstaatsanwalt in Freiburg berichtetes Verfahren von Interesse. In dem stockkatholischen Ort St. Peter, dem Sitz des Priesterseminars für die Erzdiözese Freiburg, wurde am 29. August 1937 der dort aufgestellte Stürmerkasten mit roter Farbe verschmiert und mit der Aufschrift versehen: ''Muß Baudendistel sterben'': Auch war die Überschrift des Kastens, ''Die Juden sind unser Unglück'' durch Überstreichen der Silbe ''Un'' in ''Juden sind unser Glück'' geändert. Ein Täter wurde nicht ermittelt. Es handelt sich hier wohl, wie der Oberstaatsanwalt mit Recht ausführt, weniger um eine Kundgebung gegen den heutigen Staat als gegen den Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Baudendistel, gegen den die Mehrzahl der Bevölkerung steht. Baudendistel dürfte sich in St. Peter besonders dadurch mißliebig gemacht haben, daß er aus der kath. Kirche ausgetreten ist.

Die Synagoge in Kehl (Landgerichtsbezirk Offenburg) wurde wiederholt durch Teschingschüsse und Steinwürfe in die Fenster beschädigt.3 Als Täter wurden Jugendliche ermittelt.

Baum wird geladen...