Die Gestapo berichtet aus München
Die Gestapoleitstelle München erstattet am 1. Juli 1937 folgenden Bericht für Juni 1937:
Die Lage des Judentums hat sich im Berichtsmonat unwesentlich verändert.
Nachdem das Versammlungsverbot wieder abgelaufen ist, entfalten die Staatszionisten in Bayern und besonders in München eine rege Tätigkeit. So traten sie in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung für den Bezug ihres Organs ''Das jüdische Volk'' an die jüdische Öffentlichkeit heran. Der Werbung für dieses Organ diente auch eine Versammlung der staatszionistischen Organisation, Ortsgruppe München, am 19.6.37. In dieser Versammlung sprach nach den einleitenden Worten des 1. Vorstandes der Ortsgruppe Ravicz der Jude Götzler, Frankfurt/Main, über die Lage in Palästina . U.a. führte er aus, daß die letzten Zeitungsnachrichten der ganzen Welt etwas aufwühlendes und deprimierendes für die Juden gehabt hätten, denn aus ihnen gehe hervor, daß das Land, das den Juden zugesprochen sei, geteilt werde. Eine Teilung Palästinas bringe für die Betreffenden weitgehende Entschlüsse. Die zionistische Bewegung habe sich über diese Frage zu äußern, denn sie sei der politische Vertreter der an Palästina interessierten Juden. Die englische Regierung habe auf Palästina bezügliche Meldungen nicht dementiert, aber auch der in letzter Instanz verantwortliche Professor Weizmann habe es nicht für nötig gehalten, auch nur ein einziges Wort verlauten zu lassen. Damit sei für die zionistische Bewegung eine neue Epoche angebrochen und diese Epoche werde im Zeichen einer neuen Trennung innerhalb der zionistischen Bewegung stehen. Es kündige sich an, daß innerhalb der zionistischen Bewegung ein Teil vorhanden sei, der Front gegen Weizmann mache. Der Redner führte weiter aus, daß eine Einwanderung von jährlich 150.000 Juden nach Palästina geplant sei, im letzten Vierteljahr seien aber nur 3.000 Juden ausgewandert. Nach jahrzehntelanger zionistischer Tätigkeit gäbe es trotz Investierung von Millionen nur 6% jüdischen Bodens in Palästina.
Obwohl die Gerichte gegen die jüdischen Rassenschänder in letzter Zeit mit aller Schärfe des Gesetzes vorgehen, reißt die Kette der Vergehen gegen die Blutschutzgesetze nicht ab. Die Lücke im Gesetz, nämlich die Straffreiheit des beteiligten weiblichen Teils, die von einem großen Teil der Bevölkerung nicht verstanden wird, macht sich bemerkbar.
Wenn auch die Juden trotz der Aufklärung der nationalsozialistischen Bewegung fast überall die ihnen gebührende Behandlung finden, gibt es immer noch Volksgenossen, die für das jüdische Volk glauben eine Lanze brechen zu müssen. Am meisten tun sich hier hervor, die Vertreter der beiden christlichen Kirchen, besonders aber der streitenden Kirche. Oft kommt es in den Landgemeinden vor, daß der Geistliche die Juden seiner Gemeinde als auserwähltes Volk darstellt und die Bevölkerung geradezu auffordert, bei den Juden zu kaufen. Wie eng die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und Judentum sind, zeigt auch die Tätigkeit des jüdischen Pauluswerkes in Österreich, die in der katholischen Missionierung der Juden besteht. Das Pauluswerk veranstaltete vor kurzem eine Vortragsreihe zur Judenfrage , innerhalb welcher u.a. die reichsdeutschen Emigranten, Professor Dr. Hildebrand und Pater Stratmann sowie der Generalsekretär des Pauluswerkes, der getaufte kath. Geistliche Österreicher, sprachen. Professor Dr. Hildebrand sagte u.a. in seinem Vortrag, daß für den Christen Israel deshalb von höchster Bedeutung sei, weil er in ihm das einzige Volk sehe, in dem sich Gott der Menschheit offenbart habe. Jede Gestalt dieses Volkes sei von göttlichem Priestertum erfüllt, daher sei es logisch, daß der Gottessohn Christus in seinem irdischen Wesen nur aus diesem Volk emporwachsen konnte. Die katholische Kirche habe das Glück, in ihrer Liturgie jeden Tag den jüdischen Geist in sich aufnehmen zu können und läßt diesen Geist des alten Testamentes auf den Schulen der Jugend einsickern. Die abendländische Kultur sei auf das Christentum und dieses wiederum auf das Judentum gegründet. Der Widerspruch, den diese Thesen in katholischen Kreisen auslösten, soll übrigens in Demonstrationen katholischer Hochschüler zum Ausdruck gekommen sein. Interessant ist, daß, obwohl das Neuigkeitsblatt als auch die Reichspost für die Demonstranten Partei ergriffen, von einer gewissen Wiener Presse behauptet wurde, es habe sich um nationalsozialistische Provokationen gehandelt.
Erwähnenswert ist noch, daß dem jüdischen Rechtsanwalt , Dr. Sally Koblenzer, München, vom König von Italien und Kaiser von Äthiopien mit Ordensdekoration v. 19.2.37 der ''Grad des Ritters vom Orden seiner Krone'' verliehen wurde. Koblenzer ist seit 25 Jahren Vertrauensanwalt der italienischen Kolonie und des Kgl. Italienischen Generalkonsulates. In diesem Zusammenhange ist interessant, daß eine Nichte des Koblenzer, namens Marion Maja Gustava Koblenzer, den italienischen Grafen di Gasta (Flügeladjudant, vermutlich beim italienischen Kronprinzen) im Jahre 1936 geheiratet hat. (…)
Wirtschaft
In der Berichtszeit mußte gegen einige Volksschädlinge eingeschritten werden, deren Verhalten von grundsätzlicher Bedeutung war, sodaß es hier geschildert zu werden verdient: [...]
Die Halbjüdin [N.N.], München, [...] vermietete Zimmer zu unerhörten Wucherpreisen, ließ sich im Sommer Heizung bezahlen, behandelte das Dienstpersonal in äußerst asozialer Weise, entlohnte erst asozialer Weise, entlohnte em keine Beiträge für die Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe. Sie war bereits 1935 wegen asozialen Verhaltens gegenüber ihren Angestellten in Schutzhaft und mußte neuerdings in Schutzhaft genommen werden. [...]
Im Berichtsmonat wurden 1.300 Anträge auf Ausstellung gewerblicher Berechtigungsscheine hinsichtlich der politischen Zuverlässigkeit der Antragsteller überprüft. Die Mehrheit der Anträge bezog sich auf Ausstellung von Gewerbelegitimationskarten. Bei 25 Ausstellern wurden gegen die Ausstellung Bedenken erhoben. Hiervon waren 10 Arier , die als frühere Angehörige der KPD oder SPD in letzter Zeit ihre staatsfeindliche Einstellung neuerdings durch eine Handlung oder Äußerung zum Ausdruck brachten. Bei 15 Antragstellern, bei denen ebenfalls gegen die Ausstellung Bedenken erhoben wurden, handelte es sich um Juden, die durch ihre frühere Zugehörigkeit zur KPD oder SPD oder sonstigen betrügerischen Machenschaften bewiesen hatten, daß sie die für das Gewerbe erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen. [...]
Im allgemeinen wurde die Wahrnehmung gemacht, daß das Landgebiet immer noch mit jüdischen Händlern, insbesondere Viehhändlern , überschwemmt ist. Mangels einschlägiger Bestimmungen ist zunächst ein schärferes Vorgehen oder eine vollkommene Ausschaltung der Juden aus dem Handel, besonders aus dem Viehhandel, leider nicht möglich. Es ist deshalb unverständlich, daß es immer noch Behörden gibt, die aus einem falsch angebrachten Rechtsstandpunkt heraus in den wenigen Fällen, in denen Juden gewerbliche Berechtigungsscheine versagt werden können, Schwierigkeiten bereiten. In letzter Zeit konnte wiederholt die Wahrnehmung gemacht werden, daß jüdische Antragssteller bei Versagung eines gewerblichen Berechtigungsscheines durch die zuständige Behörde an einen anderen und meistenteils größeren Platz, hauptsächlich nach München verziehen und dort erneut Antrag auf Ausstellung einer Gewerbelegitimationskarte oder einen Wandergewerbeschein stellen. Diese Täuschungsmanöver konnten jedoch soweit die Ausstellungbehörde pflichtgemäß ihre Anfrage bei der Geheimen Staatspolizei - Staatspolizeistelle München einreichten, restlos und rechtzeitig verhindert werden. (…)
Emigranten (…)
Über das Grenzkommissariat Salzburg, sind im Monat Mai ungefähr 400 Juden zwecks Auswanderung nach Palästina ausgereist.