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Chronik und Quellen
1937
Mai 1937

Bericht aus Haigerloch

Der Bürgermeister von Haigerloch erstattet am 14. Mai 1937 einen Bericht über den „Viehmarkt am 10. des Monats“:

Als hier am 10. ds. morgens zwischen 7 und 8 Uhr der Großviehmarkt begann, war an einem Leitungsmasten im Marktgelände eine ca. 70 zu 50 cm große, auf einen Holzrahmen gespannte Papptafel angebracht, welche die Aufschrift trug:

''Juden'' sind nicht erwünscht.

Das Wort Juden war in Anführungszeichen gesetzt. Die Beschriftung war in schwarzer Lackschrift ausgeführt, auch die übrige Aufmachung der Tafel zeugte von sorgfältiger Vorbereitung.

Wann und von wem bezw. in wessen Auftrag die Tafel angebracht worden ist, ließ sich nicht ermitteln. Die Gemeindebehörde hatte nichts veranlaßt, es war ihr auch von keiner Seite eine derartige Maßnahme nahegelegt worden. Auch die zuständigen Stellen des Reichsnährstandes haben mit der Sache nichts zu tun, vielmehr erklärte mir ein auf dem Markt anwesender Vertreter der Kreisbauernschaft, daß derartige Schritte in unserem Gebiet solange verfrüht seien, als noch kein genügend leistungsfähiger arischer Händlerstand eingesetzt werden könne. Endlich erklärte mir auch der Ortsgruppenleiter der NSDAP , daß weder von ihm noch mit seinem Einverständnis ein entsprechender Auftrag ergangen sei. Anhaltspunkte bezügl. bestimmter Einzelpersonen haben sich nicht ergeben, fest steht nur, daß die Anbringung in der Nacht vom 9. zum 10. ds. erfolgt ist. Der Amtsgehilfe der Gemeinde hatte am Vorabend um 11 Uhr von der Tafel noch nichts bemerkt, als er dagegen morgens um 6 Uhr sein unweit gelegenes Haus verließ, war die Tafel bereits angebracht. Die Tafel, nachdem sie einmal angebracht war, etwa während des Marktes wieder zu entfernen, konnte nicht in Frage kommen.

Die Folge der Anbringung war, daß die teils mit, teils ohne Vieh anrückenden jüdischen Händler beim Anblick der Tafel sofort wieder umkehrten und sich bemühten, noch rechtzeitig den Markt in Rangendingen zu erreichen. In Haigerloch fand sich für das von den Bauern aufgebrachte Vieh kein Käufer, so daß nach kurzer Zeit fast sämtliche Bauern unter lebhaftem Geschimpf wieder abzogen. Soviel ich persönlich wahrnahm, ist von den bäuerlicherseits aufgetriebenen ca. 30 Stück Vieh lediglich eine Kalbin verkauft worden.

Am Tage nach dem Markt bin ich von einem Vertreter der hiesigen jüdischen Händlerschaft aufgesucht und befragt worden welche Regelung für den Haigerlocher Markt künftig hinsichtlich der Zulassung von Juden vorgesehen sei. Irgendwelche Auskünfte waren jedoch nicht zu geben.

Von dem Bürgermeister in Rangendingen erfuhr ich auf fernmündliche Anfrage, daß dort ein ähnlicher Schritt noch nicht unternommen worden ist. [...]

Die Tafel ist am Tage nach dem Markt von der Ortspolizeibehörde einstweilen ab- und in Verwahr genommen worden.

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