Die Gestapo berichtet aus München
Die Gestapoleitstelle München erstattet am 1. Juni 1937 folgenden Bericht für Mai 1937:
Juden
Die Lage des Judentums hat sich im Berichtsmonat nicht geändert. Fälle jüdischer Provokationen haben sich nicht ereignet.
Wie hier erst nachträglich bekannt wurde, sind in der Nacht vom 15./16.4.37 in der Synagoge in Bad Neustadt/Saale mehrere Fenster durch Steinwürfe eingeworfen worden. Die Steine sind von der hinter der Synagoge zu dieser etwas erhöht liegenden Steinmauer ausgeworfen worden. Der angerichtete Schaden beläuft sich auf ca. 150 RM. Trotz umfangreicher Ermittlungen konnten die Täter bis jetzt nicht festgestellt werden. Strafanzeige gegen Unbekannt wurde seitens der Gend. Station an den Staatsanwalt bei dem Amtsgericht Neustadt erstattet. Nach einem Bericht des Bezirksamtes Lichtenfels vom 1.6.37 wurden ferner im Berichtsmonat im jüdischen Friedhof in Burgkunstadt 16 Grabsteine umgeworfen, die dabei zum großen Teil zerbrochen sind. Die Täter sind ermittelt. Es handelt sich um 15-16jährige Burschen von Burgkunstadt, die die Tat aus Übermut ausführten. Aus politischen Gründen wollen die Betreffenden diese Tat nicht begangen haben. Gegen die Täter wird Strafanzeige erstattet. (…)
Wirtschaft (…)
Unverständlich ist es, daß immer noch zahlreiche Bauern und Erbhofbauern mit jüdischen Viehhändlern Geschäfte eingehen. Dieses Verhalten ist umso unwürdiger, als gerade dem Bauernstand im Dritten Reiche jede nur denkbare Hilfe zuteil wird. Alle Bauern, von denen bekannt wird, daß sie mit Juden in Geschäftsverbindung stehen, werden dem Reichsnährstand gemeldet, der sie zur Rechenschaft zieht. Um diesem geschmacklosen und disziplinlosen Verhalten zu steuern [sic], werden demnächst in ganz Bayern Erhebungen durchgeführt mit dem Ziele, festzustellen, welche Bauern mit Juden Geschäfte tätigen. Nötigenfalls wird auch nicht davor zurückgeschreckt werden, diese Bauern dem Stürmer zur Veröffentlichung mitzuteilen.
In vielen Fällen gehen Juden, denen Auslandsreisen versagt wurden, dazu über, die Notwendigkeit eines Auslandsaufenthaltes unter Vorlage eines ärenthaltes unter Vorlage eines äritsrücksichten zu begründen. Es konnte oft die Erfahrung gemacht werden, daß viele Ärzte, mitunter Amtsärzte, den Juden in Verfolg dieser Bestrebungen allzu willfährig sind. So brachte es ein Amtsarzt fertig, die Notwendigkeit des Aufenthalts eines Juden in Schweden mit angeblicher Butterknappheit in Deutschland zu begründen. Die Amtsärzte dürften darauf hinzuweisen sein, daß sie in der Begutachtung der Notwendigkeit eines Auslandsaufenthalts eines Juden mehr Zurückhaltung ausüben und bei der Untersuchung von Juden den schärfsten Maßstab anlegen.
Mehrere Fälle von Mietsteigerungen zeigen, daß es immer Hausbesitzer gibt, die sich noch nicht mit der Preisstoppverordnung vom 26.11.36 vertraut gemacht haben. Einige Verfehlungen wurden zur Anzeige gebracht und 2 Personen, darunter ein Jude, mußten, da es sich um besonders schwerwiegende Fälle handelte, in Schutzhaft genommen werden. (…)
Emigranten (…)
Über das Grenzkommissariat Salzburg sind im Monat April ungefähr 600 Juden zwecks Auswanderung nach Palästina ausgereist.