Bericht des SD-Hauptamtes II 112
Am 3. Juni 1937 gibt das SD-Hauptamt II 112 in Berlin folgenden „Lagebericht“ für den Zeitraum 15.-31. Mai ab:
Im Berichtsabschnitt hat sich in der Lage der Juden in Deutschland Wesentliches nicht verändert. Es ließ sich jedoch allgemein die Feststellung machen, daß die Juden in der Öffentlichkeit wieder bedeutend frecher auftreten, was an einigen Orten zu kurzfristigen Inschutznahmen und eingehenden ''Belehrungen'' durch die zuständigen Staatspolizeistellen führte.
Schärfste Proteste, auch seitens der in Deutschland erscheinenden jüdischen Presse , rief die äußerst geringe Zertifikatszuteilung durch die Palästinaregierung hervor. Oft wird in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob der Verwaltung Palästinas zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung keine andern Mittel zur Verfügung stünden, als die, immer weitere Zugeständnisse an die ''arabischen Terroristen'' zu machen.
Der Protest der Exekutive der Jewish Agency erhebt sich dagegen, daß die Spezialquoten für Einwanderer aus Deutschland in die allgemeine Schedule eingeschlossen wurde, obwohl der ''Council for German Jewry'' Mittel zur Verfügung gestellt habe, die die Eingliederung aller Einwanderer gewährleisten, die auf Grund der 700 hierfür angeforderten Zertifikate ins Land hätten kommen können. Die Jewish Agency hat sich deshalb entschlossen, lediglich die für die 400 aus Deutschland kommenden Juden bestimmten Zertifikate anzunehmen, die restlichen Einwanderungsgenehmigungen aber abzulehnen, da der Sinn der Arbeiterschedule durch diese geringe Zahl völlig entstellt würde.
Für das kommende Halbjahr hat die Jewish Agency bei der palästinensischen Regierung 11.250 Zertifikate angefordert. Diese Zahl soll sich auf eine sorgfältige Untersuchung des Arbeitsmarktes stützen, die unter Mitwirkung von Regierungsvertretern durchgeführt sei.
Unter dem Eindruck dieser Tatsachen stehend verfehlen die wenig bestechenden Nachrichten jüdischer Palästinabesucher bei den Juden in Deutschland selbstverständlich auch nicht ihre Wirkung. So konnte beispielsweise auf einer zionistischen Versammlung in Rexingen/Württemberg festgestellt werden, daß ein aus Palästina kommender Redner abratend von der Auswanderung sprach.
Neuerliche Feststellungen lassen erkennen, daß die Juden in Ostoberschlesien nach Kenntnis der Verhältnisse im polnischen Teil des geschützten Gebietes keineswegs versuchen werden, dorthin auszuwandern, da es ihnen in Deutschland in jeder Beziehung besser geht.
Dem ''Paulusbund - Vereinigung nichtarischer Christen'' wurde in der Berichtszeit die einstweilige Umbenennung in ''Vereinigung 1937 - vorläufige Reichsbürger nicht rein deutschblütiger Abstammung'' zugestanden.
An verschiedenen Orten mußten Ortsgruppen des ''Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten '' aufgelöst werden, da sie in Umgehung des Betätigungsverbotes vom November 1936, das ihre Tätigkeit auf die Betreuung jüdischer Kriegsopfer beschränkt, in jüdische Kegelklubs weiterhin kameradschaftlichen Zusammenhalt pflegten.
Die ''Zionistische Vereinigung für Deutschland '' beging ihr 40jähriges Jubiläum mit einem großen Festakt im Kulturbundtheater in Berlin, während die Staatszionisten eine Großveranstaltung mit Kareski als Hauptredner mit großem Erfolg durchführten. Beide Veranstaltungen wurden vom Gestapa genehmigt.
Die ''Schekel -Aktion'' der ''Zionistischen Vereinigung für Deutschland'' zum Kauf von Stimmberechtigten für den Zionistenkongreß wird in allen Teilen Deutschlands mit allgemein gutem Erfolg durchgeführt.
Das Direktorium des Keren-Hajessod (zionistischer Aufbaufonds) in Jerusalem teilt offiziell mit, daß seine Nettoeinnahmen seit Bestehen - von April 1921 bis 31.3.1937 - insgesamt £ 6.033.000 betragen haben.
In der Nordpfalz wurde ein reger Verkehr zwischen einem katholischen Schwesternhaus und den dortigen Juden beobachtet.
In Köslin/Pommern hat ein ehemaliger Funktionär der USPD einen Angelsportverein gegründet, dessen Satzungen den Beitritt von jüdischen Frontkämpfern erlaubten. Dieser Paragraph wurde auf Veranlassung der zuständigen Staatspolizeistelle gestrichen.
Im Wirtschaftsleben nimmt der Jude nach wie vor eine beherrschende Stellung ein, oft unterstützt durch klerikale Kreise und die politische Instinktlosigkeit der Bevölkerung. Insbesondere kann eine rege Tätigkeit als Großhändler im Altmaterial festgestellt werden.
Ein schlagendes Beispiel für die Wirtschaftslage großer jüdischer Unternehmen in Deutschland bietet die Umsatzziffer der jüdischen Webereifabrik Ignatz Mayer, Nürnberg, zu deren Lieferanten 10 arische Firmen gehören, die sich für die Zeit vom 1.1.37 bis 3.5.37 auf 2 100.000 RM belief.
In Ostpommern wurde bekannt, daß sich ein als Vertreter für 3 verschiedene Versicherungsfirmen tätiger Jude in dieser Eigenschaft in den Besitz der vertraulichen Mitteilungen der Wirtschaftsgruppe setzte. Er nutzte seine Tätigkeit weiter dazu aus, sich von den vertraulichen Rundschreiben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Kenntnis zu verschaffen.
An der sich als ''Frauenschule'' bezeichnenden jüdischen Frauenschule in Wolfratshausen/Bayern sind zahlreiche ausländische Jüdinnen für die landwirtschaftlichen Kurse eingeschrieben.
Der Reichskriegerbund ''Kyffhäuser'' fordert neuerdings mit Genehmigung der Regierungsstellen von seinen Mitgliedern die arische Abstammung im Sinne des Berufsbeamtengesetzes vom 7.4.1933.
Wie bereits im vorigen Lagebericht gemeldet wurde, fand vom 12. bis 14. Mai 1937 die zweite Jahrestagung der Forschungsabteilung Judenfrage des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands in München statt. Neben den bereits bekannten Mitgliedern der Forschungsabteilung sprachen auch der ehemalige Chef des deutschen Nachrichtendienstes Oberst Nicolai und Gauleiter Streicher .
Rein äußerlich fiel bei der Tagung auf, daß durch Prof. Dr. Franck und Dr. Grau zu jedem Sitzungsbeginn eine genaue Überprüfung der Anwesenheitsliste vorgenommen wurde.
Die Tagung selbst ließ in ihren Referaten jede politische Ausrichtung vermissen, bewegte sich vielmehr in der alten ''objektiv'' wissenschaftlichen Linie, ohne Bezug auf die Gegenwart zu nehmen. Dafür ist bezeichnend, daß der Nationalsozialismus als Gegner des Judentums selten genannt wurde; die Verdienste um die Bekämpfung des Judentums wurden vielmehr den anwesenden Wissenschaftlern zugeschrieben. Auffallend war außerdem, daß streng vermieden wurde, sowohl in den Referaten als auch in den Diskussionen, auf die Stellung der Kirchen zur Judenfrage einzugehen.
Von den zahlreichen Referaten muß insbesondere dasjenige von Prof. Löffler hervorgehoben werden, das infolge seiner Abwegigkeit unter den Tagungsteilnehmern lebhaftes Erstaunen hervorrief. Er versuchte der Forschung der Judenfrage dadurch eine ganz andere Richtung zuzuweisen, daß er die wissenschaftliche Erforschung der asiatischen und afrikanischen Rassen als die Voraussetzung für die Judenforschung bezeichnete. Es gäbe kein Problem Jude oder Nichtjude; der Jude vereinige vielmehr verschiedene Teile bestehender Rassen in sich, ohne aber eine eigene Rasse darzustellen. Für den Juden setzte er den Begriff ''Mensch vorderasiatischer oder afrikanischer Prägung''.
Die Einstellung Prof. Dr. Francks erhält eindeutig aus seiner direkten Stellungnahme gegen den in der Mainummer der NS-Monatshefte erschienenen Aufsatz von Dr. Matthes Ziegler ''Wilhelm Stapel und die Judenfrage'', in dem Stapel nach Darstellung seiner wissenschaftlichen Arbeitsmethoden aufgefordert wird, sich von einer wissenschaftlichen Betätigung im Dritten Reich zurückzuziehen. In seinen Ausführungen, die dem von Stapel gehaltenen Referat ''Kurt Tucholsky'' unmittelbar vorausgingen, stellte sich Franck mit Nachdruck hinter seinen Mitarbeiter. Er stellte ihn als hervorragenden Wissenschaftler hin, Ziegler dagegen als einen der ''kleinen Köpfe'', deren ''Schergengericht'' man die ''fähigsten Köpfe'' nicht aussetzen könne. Abschließend führte er aus: Ich erkläre, daß wir Herrn Stapel nicht aufgeben; wir werden ihn halten, denn nach unserer Ansicht ist Stapel in der Lage, im Dritten Reich durchaus als Wissenschaftler zu gelten. (Sinngemäß)
Zu dem Referat des Gauleiters Streicher, der insbesondere mit äußerst scharfen Worten seine ''Impregnationstheorie'' [sic] vertrat, nahm Franck insofern Stellung, als er nach dessen Abgang, der unmittelbar nach Beendigung seines Vortrages erfolgte, bedauerte, daß man infolge Abwesenheit des Gauleiters nicht mehr einige Richtigstellungen geben könne. Dabei betonte er, er wisse, daß die Wissenschaft viel gut zu machen habe; er brachte aber den Glauben zum Ausdruck, daß der versammelte Forschungskreis zu allererst diese Aufgabe erfüllen werde.
Das Interesse des internationalen Judentums an dieser Tagung geht aus der großen Anzahl von Drohbriefen hervor, die den Teilnehmern aus allen Ländern zugesandt wurden.