Bericht aus dem Polizeipräsidium München
Der Münchener Polizeipräsident erstattet am 6. März 1937 folgenden Bericht für März 1937:
Judenbewegung
Am 6.3.37 fand in den Räumen des Jüdischen Turn- und Sportvereins in der Plinganserstr. 76 ein Vortrag von Direktor Kareski , Berlin, von der Staatszionistischen Organisation statt.
Der Redner wies darauf hin, daß die Juden heute wie früher in Palästina geknechtet seien. Die Revisionisten würden es als ihre besondere Aufgaben ansehen, die Juden aus ihrer Lethargie aufzurütteln und aus der jetzigen Lage zu befreien. Dann streifte er die Lage der Juden in Südafrika. Dort ist vor kurzem unter Beihilfe der jüdischen Abgeordneten ein Gesetz zustande gekommen, das die jüdische Zuwanderung verbiete. In den jüdischen Familien gebe es heut nur noch ein Buch, den Atlas. Auch auf die Lage der Juden in Polen ging der Redner ein, die er als verhängnisvoll schilderte. Dann sprach er von der konstruktiven Auswanderungspolitik. Dabei griff er sowohl die Haltung Englands als auch Weizmann , den Führer der Zionisten, an.
Zu Beginn der Versammlung wurde eine kurze Gedächtnisfeier für Trumpeldor gehalten, der im Weltkrieg die jüdische Legion zur Eroberung Palästinas aufgestellt hatte und im Jahre 1920 bei der Verteidigung einer jüdischen Kolonie gegen die Araber fiel.
Während der Veranstaltung waren Mitglieder des jüdischen Jugendbundes ''Herzlia '' in Uniformblusen am Rednerpult aufgestellt. Die Versammlung, an der etwa 180 Personen teilnahmen, verlief ohne Störung.
Am 20.3.37 sprach in einer Versammlung der zionistischen Ortsgruppe München. Dr. Hans Friedenthal aus Berlin über den Zionismus . Er führte aus, daß die Judenfrage eine schwere Krankheit sei, bei der dem Zionismus die Rolle eines Arztes zufalle. Der Zionismus stelle die einzelnen Krankheitserscheinungen fest und gebe die Richtlinien zur Gesundung. Die zionistische Arbeit gehe in Deutschland reibungslos von statten. Überall wo Juden wohnen, werde von Palästina gesprochen und besonders aus dem Osten setze ein lebhafte Auswanderung nach Palästina ein. Der Antisemitismus sei nicht nur in Deutschland; auch in anderen Ländern sei er schon so stark, daß jüdische Arbeitnehmer aus Betrieben ausgestoßen würden. Als Beispiel führte er Polen und Rumänien an und verglich den Antisemitismus mit einer Glut, die unter der Oberfläche schwelt. Der kleinste Anlaß genüge, um einen Brand zu entfachen.
Die Zuwanderung in Palästina sei zunächst ziel- und planlos erfolgt; der ungeregelte Zustrom dorthin sei aber ein großer Fehler, der über kurz oder lang zum Zusammenbruch führen müßte. Der Zionismus habe deshalb eine große Aufgabe. In den letzten 3 Jahren habe der Zionismus einen schweren Stand gehabt, aber wie bei jedem Rückschlag hatte auch dies einen Fortschritt zur Folge.
Was in Palästina aufgebaut werde, sei das Werk des Zionismus, von dort beginne der Heilungsprozeß, wenn auch der Weg durch unsägliches Leid führe. Die Juden seien dort zwar zahlenmäßig stark genug, wollen aber bewußt jede Waffengewalt vermeiden, um die Araber für friedliche Zusammenarbeit in der Zukunft zu gewinnen. Gegen die Engländer habe zwar starke Erbitterung Platz gegriffen, weil sie nicht gegen die Araber einschreiten. Aber Englands Politik sei auch in Palästina richtig. Es gelte, Selbstbeherrschung zu zeigen. Allerdings könnten dies viele nicht verstehen, da wir in einer Zeit der falschen Messiasse [sic] leben. Die Juden würden als Parasiten bezeichnet; in Palästina seien sie aber daran, das Land aus eigener Kraft zu kolonisieren. Von 16 Millionen Juden seien bereits 40.000 dort. Das Judentum trete in eine große Epoche ein, wenn auch die ersten zwei Generationen die Erfüllung noch nicht erleben würden.
Zum Schluß wies er auf die kulturelle Belebung im palästinensischen Judentum hin und erwähnte dabei, daß während der Araber-Unruhen das erste jüdische Orchester zusammengestellt worden sei, das großen Anklang gefunden habe. Der Zionismus drehe das Rad des jüdischen Schicksals herum.
Die Versammlung fand im Turnsaal des jüdischen Turn- und Sportvereins [statt], Plinganerstr. 76, und war von etwa 280 Personen besucht.