Der Sicherheitsdienst berichtet aus Bad Oeynhausen
Am 9. Februar 1937 erstattet (vermutlich) die SD-Außenstelle Bad Qeynhausen folgenden Bericht für Januar 1937:
Judentum
Das Judentum tritt hier im Stadtgebiet nicht sehr stark auf. Man kann vielmehr eine gewisse Zurückhaltung feststellen, die aber wohl nur auf die geringe Zahl der hier noch anwesenden Juden zurückzuführen sein dürfte.
Von Interesse dürfte folgender Fall sein: Der Rechtsanwalt und Notar Franz Ley, hier Bismarckstraße wohnhaft, ist Mischling 1.Grades. Seine Mutter ist Volljüdin. Er betont fortgesetzt, daß er sich als Deutscher fühle und alle Rechte für sich in Anspruch nehme, die ihm die Gesetze zugestanden hätten. Sein Vater sei mit 61 Jahren als Landwehrhauptmann in den Krieg gezogen und sei an den Folgen der Anstrengungen gestorben. Sein Bruder sei gefallen. Er sei selbst Freikorpskämpfer gewesen. Besonders nimmt er für sich das Recht in Anspruch, die Hakenkreuzfahne zeigen zu dürfen. Er ist verheiratet mit Elsa geb. Burn. Der Vater seiner Frau ist Kunstmaler in der Schweiz und soll über weitreichende internationale Beziehungen verfügen. Ley hat schon seit längerem bei feierlichen Anlässen die Hakenkreuzflagge gezeigt, worüber in der Bevölkerung Verärgerung herrschte. Auch am 30.1.1937 wurde von ihm die Hakenkreuzflagge gezeigt. Mir wurde bekannt, daß weitere Kreise in der Bevölkerung daran Anstoß nahmen, und daß mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, daß diese verärgerten Kreise von sich etwas tun würden, um Ley zum Einziehen der Flagge zu veranlassen. Im Einvernehmen mit dem stellvertretenden Leiter der Staatspolizeistelle habe ich deshalb durch fernmündliche Verfügung gemäß § 14 des Polizeiverwaltungsgesetzes den Rechtsanwalt Ley anweisen lassen, die Hakenkreuzflagge einzuziehen. Die Ausführung hatte der Polizeimeister Schomburg. Ley entsprach dieser Verfügung sofort. Am 1. Februar 1937 sprach er bei mir vor, um sich über den Grund der Verfügung zu unterrichten. Er berief sich dabei auf die Bestimmungen des Blutschutgesetzes , denen zufolge nur Juden das Zeigen der Hakenkreuzflagge verboten sei. Er sei kein Jude, sondern nur Mischling ersten Grades. Seine Familie als auch er hätten sich um die Sache des Vaterlandes größte Verdienste erworben. Ich habe ihm erklärt, daß die Maßnahme von mir getroffen sei, um allen eventuellen Störungen von seiten Verärgerter vorzubeugen. Dieser sachliche Grund wurde an sich als richtig und zweckmäßig anerkannt. Ley gab auch zu, daß die Verfügung sachlich erledigt sei. Er wolle sich jedoch bei der Staatspolizeistelle beschweren, um die Frage vom grundsätzlichen Standpunkt aus zu klären. Ob Ley die angekündigte Beschwerde erhoben hat, müßte bei der Stapo in Bielefeld festgestellt werden.
Jüdischer Geschäftsbetrieb
Von jüdischen Geschäften ist in erster Linie die Firma Rüdenberg zu nennen. Das Geschäft ist geschickt aufgezogen und in seiner Branche sehr vielseitig. Es führt Textilwaren aller Art. Zu seinen Käufern gehören, wie man allgemein hört, die Kunden vom Lande und auch Kunden aus Nachbarstädten, die hier ungestört beim Juden glauben kaufen zu können. Die Rentabilitätsverhältnisse von Rüdenberg haben sich seit früher kaum verschlechtert, was schon für sich spricht.
Assimilanten
Unter Assimilanten erwähne ich in erster Linie den Rechtsanwalt und Notar Ley, der bereits genannt wurde.
Ich habe gehört, daß Ley seine Post grundsätzlich nicht in einen Briefkasten werfen soll, sondern daß er regelmäßig zur Bahn ginge, um seine Briefe in die Postkästen der Postwagen in den Eisenbahnzügen einzuwerfen. Bei seiner ganzen Einstellung dürfte sich eine Postüberwachung empfehlen. Am Platze wird sie jedoch wenig Erfolg haben, es sei denn, daß man ankommende Briefe zu erfassen sucht, soweit sie aus dem Auslande stammen.