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Chronik und Quellen
1935
September 1935

Der Regierungspräsident berichtet aus Aurich

Der Regierungspräsident Aurich erstattet am 27. September 1935 folgenden Bericht für den 13. September 1935:

Ich bestätige meinen Funkspruch v. 25.ds.Mts. folgenden Wortlauts:

''In Jemgum Kreis Leer, kam es am 13. ds. Mts. zu antisemitischen Ausschreitungen. Größere Menschenmenge protestierte gegen Zuzug eines Juden nach Jemgum. 2 Fensterscheiben eingeworfen. Auf Anraten des Bürgermeisters und des Gendarmeriebeamten verließ der Jude den Ort. Die Menge zerstreute sich dann. Fensterscheiben sind Nachts von dritter Hand wieder eingesetzt.''

Der Landrat in Leer berichtet hierzu folgendes:

Am 13. September abends gegen 19.1/2 Uhr hatte sich eine größere Menschenmenge in Jemgum vor einer Gastwirtschaft angesammelt, die dagegen protestieren wollte, daß die Jüdin Frieda Pinto ihren Verlobten, Schlachter Adolf Cohen aus Wittmund, in ihrer Wohnung in Jemgum aufnehmen wollte. Die Menge marschierte geschlossen vor das Haus des Schlachters Levi Pinto. Dem Zuge voran wurde ein Transparent getragen mit der Aufschrift ''Wir protestieren gegen den Zuzug von Talmud -Juden''! Vor dem Hause bildeten sich Sprechchöre, welche riefen: ''Juda heraus'', ''Juda verrecke'', ''Wir verlangen daß die Familie Cohen Jemgum verläßt.'' Hierbei wurden 2 Fensterscheiben von der Menge eingeworfen. Die Täter konnten bisher nicht ermittelt werden. Der Bürgermeister und der Gendarmeriebeamte begaben sich vor die Haustür des Pintoschen Hauses, beruhigten die Menge und versprachen ihr, dafür zu sorgen, daß der Jude Jemgum verlassen würde. Die beiden begaben sich dann in das Haus und rieten dem Cohen, Jemgum alsbald zu verlassen, da er doch einsehen müsse, daß die Bewohner von Jemgum gegen seinen Zuzug schärfsten Protest erhöben. Cohen erklärte sich sofort damit einverstanden Jemgum verlassen zu wollen. Dies wurde der Menge mitgeteilt, die darauf auseinanderging. Cohen bat um Schutz, daß er ungehindert Jemgum verlassen könnte, was ihm gewährt wurde. Cohen wurde zur Fähre begleitet, wobei wiederum eine größere Menschenmenge sich ansammelte. Beim Fährhaus wurde die Menge wiederum aufgefordert sich zu zerstreuen. Im Auftrage des Gend.-Beamten hat der Fährmeister, der sich zunächst weigerte Cohen überzusetzen, Cohen dann übergesetzt.

Die eingeworfenen Fensterscheiben sind während der Nacht durch dritte Hand wieder eingesetzt worden.

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