Die Gestapo berichtet aus Wesermünde
Die Gestapo des Regierungsbezirks Stade erstattet aus Wesermünde folgenden undatierten Bericht für September 1935:
Der im Vormonat seitens der Partei und SA eingeleitete Propagandafeldzug gegen das Judentum hat an Schärfe merklich nachgelassen. Hetzerische und unzweckmäßige Aufschriften auf Ortstafeln und dergl., die geeignet waren, dem Ansehen Deutschlands im Ausland zu schaden, sind auf Veranlassung der Staatspolizei durch die Kreispolizeibehörden entfernt worden.
Eine regere Versammlungstätigkeit jüdischer Vereine war im verflossenen Monat nicht zu verzeichnen. Bemerkenswert ist lediglich die hier am 16. v. Mts. stattgefundene Veranstaltung des Preußischen Landesverbandes jüdischer Gemeinden (Berlin) auf der Dr. Gerhard Neumann, Berlin, über das Thema ''Vom Sinne der jüdischen Geschichte'' sprach.
In diesem Vortrag war wohl die zionistische Linie gewahrt, aber nichts mehr. Das Palästinawerk als solches wurde überhaupt nicht erwähnt. Trotz der Wahrung der zionistischen Tendenz fehlte jeglicher Versuch, hieraus auch die praktischen Folgen zu ziehen und die für das jüdische Volk in Palästina liegenden Zukunftsmöglichkeiten aufzuzeigen. Solche Veranstaltungen haben letzten Endes keine andere Wirkung als solche mit assimiliatorischer Tendenz. Sie stärken den Mut der deutschen Juden, trotz den ''Unbilden der Umwelt'' im Vertrauen auf ''den ewigen jüdischen Geist'' in Deutschland auszuharren.