Bericht des SD-Oberabschnitts Fulda-Werra II 112
Am 13. Januar 1938 berichtet der Sicherheitsdienst des SD-Oberabschnitts Fulda-Werra für das Jahr 1937 aus Frankfurt a.M.:
Die Lage in sachlicher Hinsicht
Die Lage des Judentums in Deutschland wurde im Verlauf des Jahres 1937 entscheidend beeinflußt
1) durch die Inlandswanderung,
2) durch die Auswanderung ,
3) durch die jüdisch-politische Lage.
Die Verschiebungen im Inland sind vor allem durch einen seit Beginn des Jahres stetig steigenden Zug nach der Stadt gekennzeichnet. Die Gründe hierfür sind der größere Personenkonnex auf dem Lande und in der Kleinstadt, der bei der dauernd anhaltenden Aufklärungsarbeit über das Judentum den Juden dort immer unmöglicher macht und die besseren Existenzmöglichkeiten in der Großstadt.
Zur Auswanderung im letzten Jahr ist allgemein zu sagen, daß trotz dauernden Drucks die Zahlen des Jahres 1936 nicht immer erreicht wurden. Dies ist bedingt 1. durch die immer größer werdenden Einwanderungsschwierigkeiten in anderen Ländern, 2. durch das Fehlen von genügenden Geldmitteln der in den Vorjahren noch nicht Ausgewanderten und 3. durch die in manchen Kreisen infolge noch vorhandener Lebensmöglichkeiten stark verminderte Auswanderungslust.
Die Großstädte der europäischen Länder sind nur als Durchgangsstationen zu betrachten und kamen also nur für die vermögenden Auswanderer in Frage, die aber bereits zum größten Teil schon in den Vorjahren ausgewandert sind. Die meisten Länder haben ihre Grenzen verschlossen, selbst beim Verzug nach Nordamerika ist die Hinterlegung einer Geldsumme notwendig. Außerdem wirkten sich die in den letzten Jahren immer stärker werdenden Unruhen in Palästina vor allem hemmend auf die zionistischen Auswanderer aus, so daß der Zionismus als ursprünglicher Träger des Auswanderungsgedankens teilweise Veränderungen in der Grundidee erfahren mußte (näheres hierüber unter B. I.).
Die Juden, die Vermögen oder verwandtschaftliche Beziehungen und damit Fortkommensmöglichkeiten im Ausland hatten, sind ebenso wie die Jugend zum größten Teil bereits ausgewandert. Was zurückblieb ist die ältere Generation und diejenigen, die so lange noch nicht an Auswanderung denken, als es noch Lebensmöglichkeiten in Deutschland gibt.
Die ältere Generation weist hierbei auf Verdienste für Deutschland - besonders im Kriege - und auf jahrhundertelange Ansässigkeit der Familie hin, vertritt also in dieser Hinsicht noch assimilatorische Tendenzen. Hierdurch wird der Zionismus allerdings nicht behindert.
Erfreulich ist, daß durch die Einsicht der jüdischen Jugend, die aus Selbsterhaltungstrieb nur an Auswanderung denkt, langsam eine Überalterung der in Deutschland verbliebenen Juden stattfindet. Diese wird durch den vorhandenen Geburtenmangel, die jüdische Gemeinde Offenbach hat beispielsweise bei 17 Sterbefällen keine Geburt auszuweisen - noch verstärkt, wodurch ein langsames Aussterben des Judentums die Folge sein wird.
Zur jüdisch-politischen Lage ist zu sagen, daß durch den Zug zur Stadt im letzten Jahr eine weitere Zusammenballung an wenigen Orten stattfand. Durch die Aussichtslosigkeit auf Wiedergewinnung der früheren Rechte und die stetige Verringerung der Mitgliederzahl der Vereine und Organisationen wurde der Drang nach Festigung des Zusammenhalts immer stärker, so daß eine immer größere Verschmelzung (Doppelmitgliedschaft, Auflösung usw.) vor sich ging. Es kann somit zwischen den verschiedenen jüdischen Richtungen nicht mehr in dem Maße wie früher eine scharfe Grenze gezogen werden.
Durch das strenge Verbot tritt die Assimilation als gesamt-politische Tendenz nicht mehr hervor und ist lediglich noch als persönliche Haltung des Einzelnen (s.o. Abs. 6) anzusehen.
Der Zionismus im ursprünglichen Sinne wurde durch die zugespitzten Verhältnisse in Palästina stark abgeschwächt, ist aber vor allem bei der Jugend, die dauernd eine Stärkung des Nationalgefühls propagiert, vorhanden.
Die Orthodoxie hat hauptsächlich die im Lande verbliebenen Älteren zum Träger, die aber oft den Zionismus aus religiösen Gründen ablehnen.
Allgemein ist noch zu bemerken, daß, von Ausnahmen Einzelner abgesehen, das Jahr eine ansteigende Zurückhaltung der Juden mit sich brachte. Das Judentum versucht der Aufklärungsarbeit möglichst wenig Stoff zu liefern und den Behörden keinerlei Anlaß zu Maßnahmen zu bieten.
Die Lage in regionaler Hinsicht
Durch den dauernden Wegzug vom Lande ist dort der jüdische Einfluß stark zurückgegangen; ja es sind dort sogar im Laufe des Jahres einige Gemeinden - beispielsweise im Reg. -Bez. Kassel und in Oberhessen - völlig judenfrei geworden. Der Rest der Juden auf dem Lande hat infolgedessen nur wenig Verbindung zum jüdisch-politischen Leben.
Im Reg. Bez. Trier, der im hiesigen Oberabschnittsgebiet, die wenigsten Juden aufweist, war es möglich, den Einfluß auf nahezu allen Gebieten gänzlich auszuschalten.
Hingegen ist die Lage in den durchweg katholischen Landgegenden des Reg. Bez. Koblenz, in denen eine größere Anzahl Juden vorhanden ist, anders. Von hier wird sogar eine teilweise Abwanderung nach dem Lande gemeldet, denn der Jude weiß genau, daß die katholische Landbevölkerung in ihrer oppositionellen Haltung dem Nationalsozialismus gegenüber ihm noch genügend Lebensmöglichkeit gibt.
Ähnlich wie der kirchliche Einfluß auf das Auftreten und die Seßhaftigkeit der Juden in manchen Gegenden wirkt sich auch die ungünstige Rassenmischung aus, die ein ausgeprägtes Gefühl für den Sinn und das Wesen des Antisemitismus in der Bevölkerung fehlen läßt.
Programmatische Veränderungen
Das Leitmotiv sämtlicher Vereine und Organisationen ist nicht allein die Vorbereitung zur Auswanderung, die ja zwangsläufig auch bei den assimilatorisch ausgerichteten Verbänden eingeführt wurde, sondern in gleich starkem Maße die Festigung des inneren Zusammenhalts. Dies trifft vor allem auch für die Zionisten zu.
Die Lage in Palästina, die heute eine Auswanderung nach dort zum Wagnis macht, bedingt eine Änderung in der ursprünglichen Idee des Zionismus. Obwohl in unvermindertem Maße auf eine Stärkung des jüdischen Nationalgefühls bei den zionistischen Organisationen hingearbeitet wird, steht doch die durch die erwähnten Schwierigkeiten gehemmte tatsächliche Auswanderung in keinem Verhältnis hierzu. Die Idee eines Kulturzionismus, wobei man an ein jüdisches Kulturzentrum Palästina denkt, das dem Juden in der Zerstreuung durch Versorgung mit Kultur, Nationalgefühl und Volkstum einen Halt geben soll, tritt in weiten Kreisen zutage. Der eigentliche zionistische Gedanke zur Aufrichtung eines Judenstaates ist in diesem Falle also abgeschwächt.
Organisatorische Veränderungen
Über die Verschmelzung der organisierten Juden wurde bereits unter A.I. berichtet.
Der U.O.B.B. hatte sämtliche gegensätzlichen Gruppen des Judentums in sich vereinigt und stellte so die geistige Führerschicht dar. Da die Leitung der größeren Synagogengemeinden meist aus Logenmitgliedern bestand, wurde die Behandlung der alljüdischen Ziele nach Auflösung des U.O.B.B. auf die einzelnen Synagogengemeinden verlegt.
Einen äußerlich nur losen Zusammenhang weist der Jüdische Centralverein auf, der immer mehr den Charakter eines Unterstützungsvereins annimmt. Viele Mitglieder bezahlen nur ihren Beitrag, weil sie dafür die CV-Zeitung erhalten, die offenbar das Band zum Zusammenhalt darstellt. Die Teilnahme am Vereinsleben ist bei den meisten Mitgliedern nur gering.
Ähnlich geht es dem Reichsbund jüdischer Frontsoldaten , der durch die starke Beschränkung seiner Tätigkeit eine rückläufige Entwicklung zeigt.
Auflösungen wegen Mitgliederschwunds durch Abwanderung waren bei verschiedenen Verbänden zu verzeichnen.
Über besondere organisatorische Veränderungen ist außer der Auflösung des Ring und des U.O.B.B. im Jahre 1937 nichts zu melden.
Kampfmethoden
Über die Versammlungstätigkeit im letzten Jahr ist allgemein zu bemerken, daß das zweimonatige Verbot eine nachhaltige Wirkung ausübte. Das Wiedereinsetzen nach dem Verbot ging verhältnismäßig langsam von statten, und die alte Stärke vor der Verbotszeit wurde lediglich in den größeren Städten allmählich wieder erreicht.
Eine Ausnahme bildeten hierin die Sportorganisationen, deren Regsamkeit gleichbleibend war. Führend ist hier immer noch die Sportgruppe des RjF.
Obwohl der überwiegende Teil der in Deutschland verbliebenen Juden innerlich noch assimilatorisch eingestellt ist und vor allem die Kulturbünde unter diesem Einfluß stehen, war durch das strenge Verbot assimilatorische Bestrebungen im Vereinsleben nicht zu bemerken. Lediglich in Einzelfällen trat diese Richtung in Erscheinung, wenn beispielsweise über den Strukturwandel des Judentums in Deutschland geschrieben wurde und hierbei das Untertauchen in den Großstädten mit möglichster Anpassung an den dort herrschenden Lebensstil als Reaktion auf die Angriffe der aufgeklärten Bevölkerung, denen die Juden auf dem Land und in der Kleinstadt ausgesetzt sind, erklärt wird.
Wenn auch, wie schon erwähnt, die zionistische Auswanderung nach Palästina starken Abbruch erlitt, so bleibt die Tätigkeit und Propaganda der zionistischen Organisationen weiterhin bestehen.
Die Betätigung der kulturellen Bünde ruhte fast überall in den Sommermonaten (näheres unter B V. a ).
Bemerkenswert ist noch, daß während der Verbotszeit erklärlicherweise, das Leben in der Synagoge einen besonderen Auftrieb erhielt, da dieses nicht eingeengt worden war.
Die einschränkenden Maßnahmen hatten allgemein zur Folge, daß die Versammlungstätigkeit nicht überhand nahm. Verschärft mußten sie nur in Frankfurt werden, wo sich in den letzten Monaten das jüdische Leben immer mehr konzentrierte.
Kampfmethoden der Juden zur Stärkung ihres verloren gegangenen Einflusses waren vor allen Dingen immer noch auf wirtschaftlichem Gebiet zu erkennen. Gelegentliche unvermeidbare Absatzstörungen und Preisspannungen macht sich der Jude in geschickter Weise zur Festigung seiner wirtschaftlichen Position ebenso nutzbar, wie die Spannung zwischen Staat und Kirche und die des öfteren beobachtete unsichere Haltung von Behörden und öffentlich rechtlichen Körperschaften in der Judenfrage .
Beziehungen zu anderen Gegnern
Durch die staatliche Verankerung des Antisemitismus ist dem Juden zwangsläufig als Verbündeter jeder recht, der aus irgendeinem Grunde dem Nationalsozialismus gegenüber eine oppositionelle Haltung einnimmt.
Dies trifft hauptsächlich für die christlichen Konfessionen zu, die mit unverminderter Intensität durch Predigten und Schriften für die arme Judenheit Stellung nehmen und somit die nationalsozialistische Auffassung vom Judentum sabotieren. Es wird dauernd darauf hingewiesen, daß die christliche Lehre ohne das Judentum nicht denkbar sei, und daß man allen neuheidnischen Versuchen entgegentreten müsse, die die fundamentale Lehrarbeit des Judentums aus der christlichen Lehre abschaffen wollen. Da der katholische Klerus, sowie die Bekenntnisfront es verstehen, auf diese Weise die Gläubigen in Konflikt mit den Forderungen von Partei und Staat zu bringen, stößt die Aufklärungsarbeit gegen das Judentum in den betont christlichen Kreisen immer wieder auf Widerstand. Die dauernd beobachtete beiderseitige Unterstützung im Geschäftsleben ist eine der vielen Folgen.
Daß zwischen den verarmten Juden den marxistisch eingestellten Kreisen auch heute noch eine gewisse Solidarität besteht, ist ohne weiteres verständlich. Hierin ist auch der Grund zu erblicken, warum ehemalige Marxisten gerne bei jüdischen Hausierern kaufen.
Weiterhin erklärlich ist, daß die Juden, wo irgend möglich, liberalistische Tendenzen vertreten. Besonders in Fragen der Wirtschaftspolitik verstehen sie es sehr geschickt, bei vorkommenden Störungen ihre freiwirtschaftlichen Themen vorsichtig an den Mann zu bringen. Auf der anderen Seite bringt die liberalistische Geisteshaltung unter den Ariern , insbesondere bei ehemaligen Freimaurern , eine große Gleichgültigkeit und Verständnislosigkeit gegenüber der Judenfrage mit sich, was aus dem Verhalten zu ersehen ist.
Kulturelles Leben
Von einem Einfluß der Juden auf das kulturelle Leben des deutschen Volkes war im vergangenen Jahr nichts festzustellen.
Das Interesse für eine eigene Kultur ist bei den Juden nach dem starken Aufflammen von 1933/34 inzwischen fast völlig erloschen. Während der Sommermonate ruhten die Kulturbünde gänzlich. In Hessen trifft dies sogar für die Wintermonate zu, während in verschiedenen Städten, insbesondere in Frankfurt die Kulturbünde eine lebhafte Betätigung zu entfalten versuchten. Es mangelte allerdings oft an genügender Beteiligung. Selbst in Frankfurt wurde der Zuschuß der Gemeinde für den Wiederbeginn der Arbeit im Herbst nur knapp genehmigt.
Gemeinschaftsleben
Einheitlich wird gemeldet, daß die Kriminalität der Juden im Vergleich zum Vorjahr stark zurückgegangen ist. In der Mentalität der Juden liegt es begründet, daß bei der Gesamtzahl der Strafverfahren Betrügereien, volksschädigendes Verhalten und Sittendelikte an erster Stelle stehen.
Beschwerden über jüdische Frechheit und Aufdringlichkeit kamen in den Sommermonaten hauptsächlich aus den Kur- und Badeorten . Es bestanden immer noch eine große Anzahl Pensionen, mit jüdischen oder judenfreundlichen Besitzern, die in typisch jüdischer Weise dauernd überbesetzt waren, was oft zu Auseinandersetzungen mit der arischen Bevölkerung führte. Verschiedene Betriebe wurden geschlossen. Durch die staatlichen Gegenmaßnahmen - Begrenzung und Ausschließung der Juden aus Bade- und Kurorten - werden diese Zustände künftig wegfallen.
Wirtschaftsleben
Die Wirtschaft ist bis heute das einzige Gebiet in dem die Juden durch das Fehlen spezieller Gesetze noch größten Einfluß haben. In manchen Teilgebieten wie Vieh-, Wein- und Altwarenhandel waren sie im vergangenen Jahr sogar noch dominierend. Abgesehen von den Umsatzsteigerungen verschiedener jüdischer Großfirmen in den Städten und dem besseren Verdienen mancher Juden, verursacht durch das Fehlen der ausgewanderten jüdischen Konkurrenz, kann trotzdem gesagt werden, daß die wirtschaftliche Betätigung langsam zurückgeht.
Es bieten sich natürlich immer noch genügend Existenzmöglichkeiten, die vor allem durch die Ansicht, der Staat könne ja die wirtschaftliche Betätigung der Juden durch Gesetze beschränken, gefördert werden. Es wird hierbei die Ansicht vertreten, es sei erlaubt, was nicht verboten sei. Hinzukommt nach wie vor das Weiterbestehen guter Geschäftsverbindungen mit Deutschen, die die oft nur leeren Drohungen der Partei nicht beachten. Es wird darüberhinaus oft die teilweise begründete Ansicht vertreten, daß man die wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeit der Juden nicht zu sehr einschränken dürfe, da sonst die Gefahr bestünde, daß sich ein jüdisches Proletariat bilde.
Die in der letzten Zeit am meisten auftauchende Frage ist die der Ausstellung von Wandergewerbescheinen und Legitimationskarten an Juden, worüber teils Erfreuliches, teils Nachteiliges zu melden ist. Eine einheitliche Regelung steht hier noch aus. Z.B. wurden im Kreis Büdingen (Hessen) 1932 37 Wandergewerbescheine und 134 Legitimationskarten an Juden ausgegeben. Im Jahre 1937 wurde eine Legitimationskarte ausgegeben, die jedoch dem Inhaber wieder entzogen wurde, da er Greuelmärchen verbreitet hatte. Im Kreise Offenbach wurden grundsätzlich an nichtarische Antragsteller keine Wandergewerbescheine ausgestellt. Diese Praxis scheiterte in anderen Kreisen an den Entscheidungen des Bezirksverwaltungsgerichts, das sich eng an die Bestimmung hält, daß Wandergewerbescheine nur dann versagt werden dürfen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Antragsstellers darlegen. Ebenso wie die Ablehnung von Anträgen sind auch Entziehungen von Wandergewerbescheinen, entweder auf Antrag, des Viehhandelsverbandes wegen fachlicher Unzuverlässigkeit, oder wegen politischer Unzuverlässigkeit, Steuerverfehlungen und Devisenvergehen, bekannt geworden. Aus dem Reg. Bez. Trier wird gemeldet, daß den gegen eine große Zahl jüdischer Viehhändler gestellten Anträgen auf Entziehung der Handelserlaubnis wegen Nichteinhaltung von gesetzlichen Bestimmungen in 40 Fällen stattgegeben wurde. Andererseits kommen Meldungen, daß bei der Ausgabe von Wandergewerbescheinen und Legitimationskarten an Juden noch sehr großzügig verfahren wurde.
Betrachtet man speziell die Lage im Viehhandel, den die Juden fast 100% beherrschten, so muß auch hier das Fehlen einer einheitlichen Regelung immer wieder als großer Nachteil festgestellt werden. - So wird aus Marburg bekannt, daß dort die Viehhandelsgeschäfte mit Juden fast vollkommen aufgehört haben. Diese Tatsache findet ihre Grundlage in den scharfen Maßnahmen gegen die mit Juden handelnden Bauern, wie Sperrung der Kraftfuttermittel und des Milchablieferungszuschusses. So werden im Kreise Marburg von den am 1.6.37 noch vorhandenen 72 jüdischen Viehhändlern nach dem 31.12.37 erfolgten Abschluß der Berufsbereinigung des Viehverteilerstandes rund 30 wegen Fehlens der erforderlichen Betriebsmittel aus dem Handel ausgeschieden sein. - 7 jüdische Viehhändler, denen es wirtschaftlich noch einigermaßen gut ging, haben in den letzten Monaten ihre Betriebe abgemeldet und sind ausgewandert. Von diesem günstigen Bild weichen allerdings die katholischen Enklaven des Kreises Marburg erheblich ab, da man dort in dem Juden nur den Andersgläubigen und nicht den Andersrassigen sieht.
Da die Juden aber meist von ihrem unreellen Handelsgebaren nicht abgehen können, ergeben sich hierdurch oft genügend Handhaben, um gegen sie einzuschreiten, wenn die zuständigen Stellen nur mit dem notwendigen Eifer und Verständnis an die Nachprüfung herangehen. So hat z.B. Ende November 1937 der Vorsitzende des Viehwirtschaftsverbandes 18 jüdischen Viehhändlern und Metzgern aus dem Rhein-Wied-Kreis die Viehhandelserlaubnis entzogen, da sie alle durch Fälschung der Bücher sich umfangreiche Steuerhinterziehungen zuschulden haben kommen lassen. Gleichfalls wurde im Nov. 1937 12 Viehjuden im Kreise Ahrweiler (Reg. Bez. Koblenz) die Handelserlaubnis entzogen.
Die Annahme, daß der Auslandshandel den Juden gute Verdienstmöglichkeiten bietet, scheint durch die sich in der letzten Zeit mehrenden Gesuche von Juden an die Industrie- und Handelskammer - Trier um Bescheinigung ihre Tätigkeit im Ein- und Ausfuhrhandel - zum Zwecke der Ausstellung von Auslandspässen - bestätigt zu werden.
Die bekannten Tarnmanöver, daß z.B. Juden unter arischem Firmenschild weiterhin in der Wirtschaft einen nicht unerheblichen Einfluß ausübten, oder daß arische Firmen Juden, die als solche äußerlich nicht kenntlich sind oder öffentlich nicht in Erscheinung treten, weiterhin als Vertreter beschäftigen, waren auch im Berichtsjahr immer wieder festzustellen.
Verhältnis zum Ausland
Aufgrund der Auswanderungen und durch Geschäftsverbindungen haben viele Juden in Deutschland Beziehungen zum Ausland. Die verschiedentlich bei verdächtigen Juden durchgeführten Postüberwachungen haben jedoch keinen Anhaltspunkt für eine Ausnutzung dieser Beziehungen zu staatsfeindlichen Zwecken auf diesem Wege, der allerdings auch zu gefährlich wäre, ergeben.