Bericht des SD-Oberabschnitts Nord-West II 112
Ohne Datum berichtet der Sicherheitsdienst des SD-Oberabschnitts Nord-West für das Jahr 1937 aus Hamburg:
Bei der zusammenfassenden Betrachtung des Berichtsabschnittes kann in Bezug auf das Judentum gesagt werden, daß durch die immer mehr in den Vordergrund tretenden Auswanderungsbestrebungen der Juden und ihrer Organisationen für diese noch zusätzliche Probleme zu lösen waren. Der Peel-Plan war in allen jüdischen Lagern Gegenstand lebhafter Erörterungen. Während die Assimilanten eine abwartende Haltung einnahmen, hält man in zionistischen Kreisen, entgegen dem Versuch des Züricher XX. Zionisten -Kongresses, doch noch einen anderen als wie im Peelbericht vorgesehenen Staat zu erhalten, eine Angleichung zwischen Juden und Arabern für unbedingt erforderlich, da sich ein Judenstaat, ganz gleich, in welcher Größe er entstehen wird, ohne fremde (englische) Hilfe gegen den Ansturm der Araber niemals halten kann. Im übrigen bleibt die Hauptsorge der Zionisten ein gesichertes politisches Leben in Palästina bei unbehinderter, der wirtschaftlichen Fassungskraft angemessenen jüdischen Einwanderung.
Während die Beschäftigung der assimilatorisch eingestellten Organisationen mit innerpolitischen Angelegenheiten abgenommen hat, sind ihre Bestrebungen, ihre Glaubensgenossen zur Auswanderung zu bewegen, stark in den Vordergrund gerückt und zum Teil mit Erfolg gekrönt worden.
Die Auswanderung nach Palästina hat sich im Jahre 1937 gegenüber dem Jahre 1936 erheblich vermindert. In den beiden größten Synagogengemeinden des Oberabschnittgebietes, Hamburg und Hannover, ist die Auswanderung nach Palästina im Jahre 1936 von 14,15 bzw. 21,0% auf 8,4 bzw. 8,0.% im Jahre 1937 zurückgegangen, während die Auswanderung nach europäischen Ländern (Holland, England und Belgien) stark zugenommen hat.
Nachdem verschiedene europäische und überseeische Länder sich gegen eine Einwanderung von Juden ausgesprochen haben, mehren sich die Stimmen aus neutralen und nichtorganisierten Judenkreisen, daß für sie eine Auswanderung nicht mehr in Frage käme, da für si, daß sie auch heues Nationalsozialismus jetzt vorbei sei, während in anderen Ländern eine solche noch bevorstände und sich wesentlich schlimmer auswirken würde, wie sie es in Deutschland gewesen sei. Auch wären die heutigen Verhältnisse und Zustände in Palästina viel schlimmer, als wie sie in den deutschen Zeitungen geschildert würden.
Daß es den jüdischen Geschäftsleuten heute noch wirtschaftlich gut geht und sie häufig nur [sic] von wirtschaftlichen Schwierigkeiten weniger betroffen werden, als arische Unternehmen, liegt daran, daß es immer noch deutsche Volksgenossen gibt, die bei ihnen einkaufen. So war im Berichtsjahr kaum ein Rückgang der Kauflust des Publikums in jüdischen Geschäften zu verzeichnen, denn ein Teil dieser Käuferschicht, hier handelt es sich in der Hauptsache um solche mit verhältnismäßig niedrigem Einkommen, denkt nicht daran, die jüdischen Geschäfte zu meiden.
Immer wieder hört man die Frage, warum man die jüdischen Geschäfte als solche nach außenhin nicht als ''jüdisch'' kennzeichnet oder auf der anderen Seite alle arischen Ladengeschäfte durch besondere Kennzeichen allgemein heraushebt. Hiernach würden die zweifellos nicht unbeträchtlichen Fälle vermieden werden, in denen aus Unkenntnis jüdische Geschäfte aufgesucht werden.
Ein großer Teil der noch beim Juden kaufenden Personen würden es vorziehen, nicht mehr dort zu kaufen.
Andererseits befürchtet man in jüdischen Wirtschaftskreisen, insbesondere in der Fabrikation, weitere staatliche Maßnahmen, die eine Weiterentwicklung erschweren oder gar völlig unmöglich machen.
Im Viehhandel ist eine Säuberungsaktion durch den Reichsnährstand in Gang gebracht worden, um die Ausschaltung der Juden aus diesem wichtigen Gewerbezweig zu erreichen. An anderer Stelle wird hierüber noch berichtet.
Die Lage in regionaler Hinsicht
Der Zuzug nach den größeren und kapitalkräftigeren jüdischen Gemeinden hält nach wie vor an, wenn auch gegenüber 1936 ein gewisser Rückgang zu verzeichnen ist. In der Hauptsache handelt es sich um jüdische Personen mit geringem Einkommen, also des jüdischen Proletariats, aber auch Geschäftsleute suchen in der Großstadt ein Unterkommen, da ihnen auf dem Lande fast jede Erwerbsmöglichkeit genommen worden ist. Die nachstehende Aufstellung soll einen Überblick einzelner Gemeinden geben, aus der zu ersehen ist, daß eine Abwanderung nach den Großstädten noch anhält. Weiter ist aus derselben zu ersehen, daß langsam die Gemeinden kleiner [werden] und zum Teil durch Überalterung bezw. Ab- und Auswanderung verschwinden. (…)
In Bezug auf das gesellschaftliche Leben kann man heute bereits mit Recht von einem unsichtbaren Ghetto der Juden sprechen. Einzelerscheinungen, die dem entgegenstehen, können an diesem Gesamtbild nichts ändern.
Im Einzelnen
Dem Landesverband Hannover des ''Jüdischen Centralvereins '' war wegen seiner jüdisch-politischen Vergangenheit jegliche Versammlungstätigkeit im Stapobezirk Hannover verboten worden. In Bremen und Oldenburg, die zum Landesverband Hannover gehören, wurde jedoch versucht, da Widerstände in diesen Orten nicht zu erwarten waren, die Tätigkeit der dortigen Ortsgruppen neu zu beleben.
In Hamburg konnte durch Überwachung beobachtet werden, daß in den Bestrebungen des Jüdischen Centralvereins ein großer Umschwung stattgefunden hat. Während er früher einseitige assimilatorische Ziele verfolgte, konnte festgestellt werden, daß er sich jetzt offen zum Judentum bekennt und noch, wenn auch im geringen Umfange, zionistischen Bestrebungen zuneigt.
Im Verfolg der Verfügungen, daß der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten sich nur noch um die Betreuung der jüdischen Kriegsopfer zu kümmern hat, ist diese Organisation fast gar nicht mehr in Erscheinung getreten. Neben seiner Betreuung der Kriegsopfer fördert der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten die Auswanderungsbestrebungen seiner Mitglieder nach europäischen und überseeischen Ländern sehr stark.
Dagegen ist die Betätigung der Juden in den Sportabteilungen des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten ''Der Schild '' nicht nur auf sportlichem Gebiet besonders rege geworden, weil den Mitgliedern des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten in ihrer Organisation kaum noch ein Betätigungsfeld haben, ihre jüdisch-politischen Ziele zu verfolgen. Dies hat jedoch nur seine Gültigkeit, wo die Sportabteilungen eine genügende Anzahl von Mitgliedern haben und die notwendige finanzielle Unterstützung gewährt erhalten. In kleineren Städten und Orten fehlt ihnen, trotz aller Versuche und Bemühungen, fast jede Betätigung und Ausdehnungsmöglichkeit.
Der ''Verein 1937'' (früher Paulusbund ) hat sich Anfang des Jahres auf Anweisung neu organisiert. In den wenigen Versammlungen in Hamburg und Hannover wurde nur über Aufgaben und Ziele des Vereins gesprochen. In Hamburg bestehen zu dem katholischen ''St. Raphaels-Verein'' Beziehungen.
Die in Hamburg und Bremen bestehenden Ortsgruppen für das religiös-liberale Judentum sind nur in ganz geringen Umfange in Erscheinung getreten. In Hamburg versucht die Ortsgruppe bereits seit langen Jahren, ihre religiös-liberalen Belange an der Talmud -Thora-Realschule durchzusetzen, da es in der Orthodoxie an jeder Bereitwilligkeit fehlt, diesen Belangen Rechnung zu tragen. Auf Grund dieses Schulstreites haben jüdische Eltern ihre Kinder in auswärtigen Schulen untergebracht.
Der ''Bund jüdischer Jugend'' ''Der Ring '' ist bereits Ende des Jahres 1936 aufgelöst worden. In Hannover versuchten die Mitglieder sich dem ''Deutsch-Jüdischen Jugendbund'' anzuschließen. Da sich dieser als eine Auffangorganisation des verbotenen Bundes darstellte wurde er im Juni 1937 durch die Staatspolizeistelle Hannover aufgelöst.
Die Frauenvereine begnügen sich mit der Ausbildung von Hausangestellten und veranstalteten von Zeit zu Zeit Vortragsabende.
Innerhalb der Zionistischen Vereinigung von Deutschland war während des größten Teiles des Jahres eine gleichmäßige Ausrichtung in ihren Bestrebungen nicht festzustellen. Allein der Peel-Bericht, sowie der XX. Zionisten-Kongreß in Zürich wirbelte soviel Staub auf, daß die Meinungen sehr verschieden waren und in einzelnen Ortsgruppen Abwanderungsbestrebungen zu den assimilatorisch eingestellten Vereinen einsetzten. Auch die besten Redner konnten fast kaum mehr einen Anhänger bewegen, nach Palästina auszuwandern. Die Finanzierung der einzelnen Auswanderer, die ja fast durchweg zu den ärmeren Schichten des Judentums gehören, war teilweise erschwert und zum Teil wurden auch den einzelnen Ortsgruppen nicht die nötigen Zertifikate zur Verfügung gestellt.
In Kiel schloß sich die Misrachi -Gruppe der zionistischen Ortsgruppe an. Der Leiter des Misrachi wurde mit in den Vorstand übernommen, um die Interessen der Misrachi-Mitglieder vertreten zu können. Im übrigen Oberabschnittsgebiet trat der Misrachi so gut wie gar nicht in Erscheinung.
Der ''Deutsche Makkabikreis '' versuchte ebenfalls sich stark sportlich zu betätigen, jedoch konnte er die Erfolge der Sportabteilung des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten nicht erreichen. Auch stehen dem Makkabi nicht die Geldmittel zur Verfügung, die dem Schild zuflossen, so daß er schon aus diesem Grunde mit demselben in keiner Weise konkurrieren kann.
Der Hechaluz besitzt in Hannover und in Wilhelminenhöhe bei Hamburg je ein Umschulungslager, die während der Berichtszeit immer voll besetzt waren.
Vom 19.-22. November 1937 fand in Wilhelminenhöhe ein nord-westdeutsche Landestagung statt, an der ca. 120 Personen teilnahmen. Es wurde berichtet, daß dem Landesverband für die Jugend-Aljiah nur 180 Zertifikate zur Verfügung gestellt worden seien, was den Landesverband veranlaßt hätte, weitere Zertifikate anzufordern. Der Landesverband teilte weiter mit, daß er große finanzielle Schwierigkeiten zu überwinden gehabt hätte, die bis jetzt noch nicht restlos beseitigt seien.
Der Hilfsverein der Juden in Deutschland hat in Hamburg, Hannover und Bremen je eine Ortsgruppe, die mit einigen Versammlungen an die jüdische Öffentlichkeit traten. Die Versammlungen waren immer sehr gut besucht, da die Juden hofften etwas Neues über Auswanderungsfragen usw. zu hören. Auch hatten die einzelnen Ortsgruppen gute Redner verpflichtet, so daß für einen Publikumserfolg garantiert werden konnte.
Die Jüdische Winterhilfe setzte ihr Hilfswerk nach den Richtlinien des Deutschen Winterhilfswerkes fort. Nachdem die ersten Organisationsschwierigkeiten überwunden sind, ist jetzt ein gutes Funktionieren der Organisation gewährleistet. Um Reibereien zwischen Sammlern der jüdischen Winterhilfe und denjenigen der Partei bzw. NSV zu vermeiden, wie es in Hamburg vorgekommen ist, wäre es am Platze, wenn die jüdische Winterhilfe nicht mehr an den gleichen Eintopfsonntagen mit den Sammlern der Partei sammelt.
Der Ort-Verband trat mit seinen wenigen Mitgliedern nicht in Erscheinung. Trotz strengster Überwachung konnte den Mitgliedern eine Betätigung, ganz gleich nach welcher Richtung hin, nicht nachgewiesen werden.
Der Jüdische Kulturbund gab mit seinen Veranstaltungen in sämtlichen Ortsgruppen innerhalb des Oberabschnittgebietes keine Veranlassung zu Beanstandungen, da die Vortragsfolge einer strengen Zensur unterliegt.
Organisatorische Veränderungen
Die Auflösung des ''Unabhängigen Ordens Bnei Brith '' wurde am 10.4.1937 in engster Zusammenarbeit mit den Staatspolizeistellen nach der Verfügung der Gestapa vom 10.4.1937 reibungslos durchgeführt. Das beschlagnahmte Material wurde sichergestellt.
Es wurde bekannt, daß die betroffenen UOBB-Kreise die Aktion, die für alle überraschend kam, als eine Antwort auf die jüdische Auslandshetze angesehen haben.
Nach dem Gesetz über Groß-Hamburg werden am 1.4.1938 sämtliche auf dem neuen Groß-Hamburger Stadtgemeinden vereinigt. Zwischen den jüdischen Gemeinden in Hamburg, Altona, Wandsbek und Harburg-Wilhelmsburg ist ein Vertrag geschlossen worden, der am 1.1.1938 in Kraft tritt. Danach werden die jüdischen Gemeinden in Altona, Wandsbek und Harburg-Wilhelmsburg der Hamburger Gemeinde angeschlossen, in deren Verwaltung die Grundstücke, Stiftungen, Friedhöfe usw. übergehen. Die bisherige jüdische Gemeinde Altona wird mit ihren Synagogen einen eigenen den anderen Hamburger Kulturverbänden gleichgestellten Kultusverband bilden, während sich die Gemeinden Wandsbek und Harburg-Wilhelmsburg dem Hamburger Synagogenverband anschließen.
Beziehungen zu anderen Gegnern
In Hamburg steht der ''Verein 1937'' (früher Paulusbund ) mit dem katholischen St. Raphaelsverein in reger Verbindung, um über letzteren Auswanderungsmöglichkeiten nicht-arischer Christen nach Ecuador zu erhalten.
Kulturelles Leben
Um das kulturelle Leben in Hamburg bei den Juden zu beeinflussen werden laufend Theaterstücke im Rahmen von Kulturveranstaltungen gebracht.
Aus dem öffentlichen kulturellen Leben haben sich die Juden in Hamburg sowie in den anderen größeren Synagogengemeinden völlig zurückgezogen. Nur die Lichtspieltheater werden noch von den Juden besucht, da ihnen durch ihre eigenen Organisationen in dieser Richtung hin zu wenig geboten wird.
Gemeinschaftsleben
Am 17.10.1937 wurde in Papenburg eine jüdische Volksschule und am 24.10.1937 in Oldenburg eine jüdische Bezirksvolksschule eröffnet. Letztere wird von 50 Kindern besucht.
Die Synagogengemeinde Hamburg hat nunmehr den Umbau des früheren jüdischen Logenhauses beendet und am 9.1.1938 wird das neue Gemeinschaftshaus eröffnet. Auf Grund dieser Tatsache ist es jetzt der hiesigen Dienst- und Stapostelle möglich, die arischen Gaststätteninhaber aufzufordern, ihre Lokale judenrein zu halten.
Während es in Schleswig-Holstein 5, in Bremen noch 14 jüdische Ärzte gibt, in Hamburg sogar 14% aller Ärzte Juden sind, ist der Erlaß des Reichsärzteführers von der deutschen Bevölkerung lebhaft begrüßt worden, weil er den Ersatzkrankenkassen die Auflage erteilt, sämtliche jüdischen Ärzte aus ihren Diensten zu entlassen. Wie notwendig dieser Erlaß war, soll hier an Hand von einigen Beispielen gezeigt werden. Bei einem jüdischen Facharzt für Kinderkrankheiten erschienen in einem Quartal 279 Patienten, von denen nur 3 Juden waren, bei einem jüdischen praktischen Arzt waren von 117 Patienten 8 Juden, bei einem jüdischen Facharzt für Magen- Darm- und Stoffwechselkrankheiten waren alle 43 Patienten Arier.
Während der Ferienmonate wurden durch jüdische Kurgäste an vielen Orten das sonst so friedliche Gemeinschaftsleben erheblich gestört. Als Beispiel sollen hier die Ausschreitungen auf der Insel Pellworm und in Timmendorf angeführt werden, wo die arischen Kurgäste forderten, daß die Juden den Badestrand zu verlassen hätten, anderen falls sie an einen anderen Kurort gehen würden. Dieser berechtigten Forderung wurde dann von der Kurverwaltung stattgegeben und die jüdischen Kurgäste verließen die Badeplätze.
Wirtschaftsleben
In Anbetracht dessen, daß der Jude heute noch im Wirtschaftsleben eine bedeutende Rolle spielt und es versteht, trotz aller Schwierigkeiten, immer wieder seine Ware an den Mann zu bringen, ist es notwendig, auf die Gründe näher einzugehen, warum der Jude auf diesem Gebiete immer noch Erfolge zu verzeichnen hat.
Es war bis vor kurzem nicht möglich gewesen, von der Handelskammer zu erfahren, ob eine Firma jüdisch oder arisch sei. Nunmehr ist diesem Übelstand abgeholfen worden, dadurch daß sie beauftragt wurden, den Überwachungsstellen auf Befragen Auskunft über den Charakter der Firma zu erteilen.
Bei dieser Auskunftserteilung ergeben sich noch erhebliche Schwierigkeiten, denn bei vielen Firmen sind die Besitzverhältnisse nicht immer klar, vielleicht auch geschickt getarnt worden, sodaß auf den ersten Blick nicht mit Bestimmtheit gesagt werden kann, ob die Firma arisch oder jüdisch ist. Als Beispiel soll hier erwähnt werden, daß es immer noch als eine Streitfrage angesehen wird, ob ein Unternehmen arisch oder jüdisch ist, wenn der Betriebsführer und die leitenden Persönlichkeiten Arier sind, das in dem Unternehmen arbeitende Kapital aber zum größten Teil jüdisch ist.
Während sich für den Handel leichter Entscheidungen bezüglich des Charakters des Unternehmens treffen lassen, ist dies bei Produktionsbetrieben in den meisten Fällen äußerst schwer, da die im Produktionsprozeß hergestellten Waren sich letzten Endes als deutsches Volksvermögen darstellen.
Die Umbesetzung im RWM und dessen letzte Anordnungen lassen erkennen, daß hier ein Wandel bevorsteht, um die teilweise noch heute bestehende Vorrangstellung jüdischer Unternehmer im Wirtschaftsleben zu beseitigen und den arischen Unternehmer im Wirtschaftsleben bevorzugt zu behandeln. Der wichtigste Erlaß, den das RWM zur Bereinigung des Wirtschaftsleben herausgebracht hat, ist die Kontingentverkürzung in den einzelnen Branchen. Es konnte bis jetzt festgestellt werden, daß die Juden, wenn ihnen ihre Kontingentkürzung mitgeteilt worden war, keinen Widerstand gegen diese Maßnahme erhoben. Bezeichnend war die Rückfrage eines Juden bei der maßgebenden Stelle, ob ihn allein diese Maßnahme treffe, oder ob auch seine Glaubensgenossen von dieser Maßnahme betroffen würden.
Auch in der Handelsvertreterfrage ist es notwendig, daß ein Wandel geschaffen wird, denn es geht nicht an, daß ein jüdischer Handelsvertreter von einer Firma entlassen wird, weil er Jude ist, die Konkurrenz sofort diesen Juden wieder einstellt, weil sie durch den Kundenkreis des Juden ihr Arbeitsgebiet erweitern kann. Solche Klagen laufen fast täglich ein und es besteht z.Zt. keine Möglichkeit, einem solchen schmutzigen Konkurrenzmanöver Einhalt zu bieten.
Im Altmaterial- und Rohproduktenhandel ist der Jude noch heute unumstrittener Herrscher, da sich in früheren Zeiten Arier in diesem Berufszweig wenig betätigt haben. Aber auch hier lassen die letzten Erlasse des RWM erkennen, daß ein Wandel bevorsteht.
Erfreulicherweise kann berichtet werden, daß die Vorherrschaft der Juden im Viehhandel im Oberabschnittsgebiet gebrochen worden ist. Durch die Berufsbereinigung in dem Hauptgebiet Ostfriesland konnte das Judentum in der Ausübung dieses Berufes entscheidend zurückgedrängt werden. Infolge der Maßnahmen des Reichsnährstandes, wie Entziehung der Handelserlaubnis, Entziehung des Wandergewerbescheines sind in dem ostfriesischen Gebiet die meisten jüdischen Viehverteiler zur Aufgabe ihres Gewerbes gezwungen worden.
Die Berufsbereinigung im Viehhandel hat, wie die anliegende Statistik nachweist, einen großen [Erfolg] gehabt. Im Unterabschnitt Weser-Ems gab es vor der Berufsbereinigung 2.347 Viehverteiler, wovon 442 Juden waren. Der Anteil der Juden im Viehhandel betrug 18,14%. Von diesen 442 jüdischen Viehverteilern wurden 333 mit sofortiger Wirkung der Handel mit Vieh untersagt bzw. verzichteten sie freiwillig auf die Ausübung ihrer bisherigen Tätigkeit. 75,34% des gesamten jüdischen Viehverteilerstandes wurde durch die Berufsbereinigung zur Untätigkeit gezwungen. Der Rest setzt sich in der Hauptsache aus jüdischen Viehverteilern holländischer Staatsangehörigkeit zusammen, denen auf Grund des Wirtschaftsabkommens mit Holland die Handelserlaubnis nicht entzogen werden konnte.
Da in jüdischen Kreisen mit weiteren wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen gerechnet wird, die eine wirtschaftliche Weiterentwicklung aussichtslos machen, geht man dazu über, entweder das Unternehmen an einen Arier zu verkaufen oder zu liquidieren. So wurden z.B. allein in Hannover 45 jüdische Firmen gelöscht und 11 Firmen gingen in arischen Besitz über. Bei der Nachprüfung, in welcher Form die Übertragung der Firmen erfolgte, entstanden Schwierigkeiten: in den seltensten Fällen war zu erkennen, ob der Arier wirklich dieses jüdische Unternehmen übernommen hatte, oder ob er in demselben nur als Strohmann fungiert.
Auch hier wäre es wünschenswert, wenn durch einen Erlaß des RWM klare Verhältnisse bei der Übernahme eines jüdischen Unternehmens geschaffen und interne Verträge untersagt würden, die eine Tarnung ermöglichen. (...)
Gegenarbeit anderer Gruppen (Antisemitismus)
Die Verstöße gegen die Nürnberger Gesetze haben in der Berichtszeit gegenüber dem Vorjahre erheblich zugenommen.
Die Einstellung der Gerichte zu dem Fragekomplex ''Rasseschande '' entsprachen in vielen Fällen nicht dem Volksempfinden. Andererseits muß aber auch betont werden, daß Gerichte, die dem nationalsozialistischen Gedanken folgen, vielfach Rasseschänder zu hohen Zuchthausstrafen verurteilten.
Es mehren sich die Fälle, wo versucht wird, eine Eheerlaubnis, die für Mischlinge I. Grades vorgeschrieben ist, zu umgehen. An einem Beispiel soll gezeigt werden, wie es ein Mischling I. Grades verstanden hat, entgegen dem gesetzlichen Verbot, die Eheschließung mit einer Arierin herbeizuführen. Der Mischling, dem die Heiratsgenehmigung vom Innenministerium verweigert worden war, veranlaßte seine arische Braut die dänische Staatsangehörigkeit zu erwerben. In Dänemark wurde das Aufgebot erlassen und die Eheschließung vollzogen. Durch die Trauung wurde die Braut wieder Deutsche, da die Frau die Staatsangehörigkeit des Mannes durch Eheschließung erwirbt.
Die bisherige Aufklärungsarbeit in Judenfragen läßt bei einem großen Teil der Bevölkerung jegliche Wirkung vermissen, da im großen und ganzen der Stürmer als Aufklärungsblatt wegen seiner tendenziösen Berichterstattung abgelehnt wird, während die Kampfesart des ''Schwarzen Korps'' im allgemeinen mehr Zustimmung findet.
In katholischen Gegenden, wie z.B. im Reg. -Bezirk Hildesheim, hat die Bevölkerung auf Grund der Beeinflussung durch die Kirche so gut wie gar kein Verständnis für die Judenfrage. Dort sind die katholischen Bauern, Beamten und auch Parteigenossen vielfach die besten Kunden in jüdischen Geschäften.