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Chronik und Quellen
1937
Dezember 1937

Bericht des SD-Oberabschnitts West II 112

Ohne Datum berichtet der Sicherheitsdienst des SD-Oberabschnitts West für das Jahr 1937 aus Düsseldorf:

Das Judentum hat im Verlaufe des Jahres 1937 seine Organisationen gefestigt, trotz der starken Gegensätze der jüdischen Parteien und der staatlichen Maßnahmen. Im Anfang des ersten Halbjahres wurde die Arbeit der jüdischen Verbände und die Stimmung des Judentums beeinträchtigt durch das Verbot der jüdischen Bnai-Briss-Logen , welche als Träger des gesamten jüdischen Lebens anzusehen waren. Die weiteren staatlichen Maßnahmen, das Betätigungsverbot der jüdischen Organisationen, trug zur völligen Lahmlegung der jüdischen organisatorischen Arbeit bei. Nutznießer der staatlichen Maßnahmen war in erster Linie der jüdische Kulturbund . Die Schwierigkeiten in Palästina stärkten die Anschauungen der Assimilanten . Erst der Peel-Bericht über die Aufteilung Palästinas gab dem Zionismus nach Aufhebung des Versammlungsverbotes neuen Auftrieb. Anfangs wirkte sich der Bericht wegen der Unklarheit der Lage ungünstig aus. Man ließ das eigentliche Auswanderungsziel, Palästina fallen und propagierte vielfach als Auswanderungsziel die südamerikanischen Staaten. Die ungünstigen Auswanderungsverhältnisse bedingen augenblicklich und für das kommende Jahr die unsichere Haltung der Zionisten und stärkt die assimilatorische Haltung des ''Gott gewollten Leidens in der Diaspora ''.

Die Zionisten haben, soweit sich technisch dazu in der Lage gewesen sind, die Palästina-Auswanderung propagiert. Das Versammlungsverbot hinderte sie wohl vorübergehend an der äußeren Arbeit, wurde aber durch die organisatorische Arbeit ersetzt. Anschließend wurde von Seiten der Zionisten mit neuen Führern eine erneute aktive Versammlungstätigkeit entfaltet. Die Redner befaßten sich nicht mehr ausschließlich mit der Auswanderung, vielmehr ging man bis zum Schluß des Jahres dazu über, das jüdische Volkstum in den außerpalästinensischen Ländern herauszustellen und diskutierte im allgemeinen über die ''Lage in Palästina''. Seit dem XX. Zionistenkongreß sind die oppositionellen Stimmen im Sinne der N.Z.O (Neue Zionistische Organisationen ) in den Hintergrund getreten. Die Aktionen für den KKL und den KH und die Wasser-Ordnung brachte den Zionisten den erwarteten Erfolg.

Maßgebende westdeutsche Judenführer u.a. Dr. Ikenberg und Dr. Neuberger , empfahlen den Zionisten in ihren Vorträgen die Annahme des Peelschen Teilungsplanes, der überhaupt für das Judentum noch einige Möglichkeiten biete.

Den zionistischen Organisationen und ihren Untergliederungen ist es gelungen, die jüdische Jugend in ihrem Sinne zu beeinflussen und sie zur Mitarbeit für ihre Organisationen heranzuziehen.

Demgegenüber besitzen bemerkenswerterweise die Assimilanten die Träger des jüdischen Wirtschaftslebens, fast den 95%igen Einfluß innerhalb der jüdischen Gemeinden. Die stattgefundenen Gemeindevorstandswahlen haben eindeutig bewiesen, daß bis zu 80% die Vorstandsmitglieder assimilatorisch beeinflußt sind. Die assimilatorischen Organisationen haben im Verlaufe des letzten Jahres nur eine geringe Versammlungstätigkeit ausgeübt. Demgegenüber konzentrierte sich die Haupttätigkeit der Assimilanten in dem Besuch der Veranstaltungen des jüdischen Kulturbundes und in dem eifrigen Einsatz für das jüdische Winterhilfswerk.

In den größeren Städten des Regierungsbezirkes Minden, z.B. in Bielefeld, versuchten die Synagogengemeinden , wahrscheinlich unter dem Einfluß der Assimilanten unter der Bezeichnung ''Religiöse Feierstunde'' eine religiös-liberale Tätigkeit zu entwickeln, die jedoch im Anfangsstadium unterbunden werden konnte.

Aufgrund des persönlichen Umganges maßgebender Juden mit Ariern ist es ihnen gelungen, bei den Ariern für ihre augenblickliche Lage ein gewisses Mitleid zu erwecken, das in der religiösen Haltung vieler Volksgenossen durch die Haltung der Konfessionen gestärkt wird. Die Assimilanten versuchen in ihren Kreisen den Nachweis zu führen, daß z.B. durch die Nürnberger Gesetze wohl einige Juden wegen Rassenschande verurteilt worden sind, dagegen der Prozentsatz der Rassenschandefälle zwischen Jüdinnen und Ariern im Verhältnis bedeutend größer sei.

Die wirtschaftliche Lage der Juden wurde im vergangenen Jahr durch die Übernahme jüdischer Geschäfte durch Arier geschwächt. Die Juden sind darüber hinaus noch Aktionäre maßgeblicher Betriebe und sichern somit ihren Gewinn. Die Zurückdrängung des Einflusses des Judentums im Viehhandel hat in einigen Regierungsbezirken, insbesondere Aachen, Fortschritte gemacht. Das Viehseuchengesetz und eine vernünftige Anwendung der Viehzuteilung haben die Entziehung von Gewerbescheinen und die Schließung von Geschäften ermöglicht. Das Fehlen arischer Viehhändlerorganisationen erschwert jedoch die Sicherung des Fortschrittes. In den vorwiegend katholischen Gegenden des Niederrheins konnte der jüdische Viehhändler seinen Einfluß und somit auch seinen Geschäftsumsatz vergrößern. In erster Linie dürfte wohl der Umstand maßgebend sein, daß die jüdischen Händler im Gegensatz zu den deutschen Händlern kapitalkräftiger sind. Im Regierungsbezirk Münster haben die jüdischen Viehhändler trotz Einführung des Schlußscheinzwanges ihren Einfluß vergrößert. Auch in diesem Bereich waren die gleichen Gründe wie am Niederrhein ausschlaggebend.

Die Durchführung des Vierjahresplanes bedingte die Heranziehung der jüdischen Beziehungen im Ausland. In der Textilindustrie begünstigen die unverständlichen Kontingentierungssätze den unverhältnismäßig hohen Anteil der Juden an der Textilerzeugung.

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