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Chronik und Quellen
1938
Januar 1938

Das SD-Hauptamt II berichtet

Der Sicherheitsdienst berichtet für Januar 1938:

Allgemeines

Im Laufe der Entwicklung haben sich mehr und mehr Hauptgegner der nationalsozialistischen Weltanschauung und des nationalsozialistischen Staates herauskristallisiert: die politischen Kirchen und die Reaktion.

Während sich auf dem Boden der Kirchen alle weltanschaulichen Gegner des Nationalsozialismus zusammenfinden und hier, zumindest in der Opposition gegen den Staat, eine geschlossene Front bilden, die sich zu festigen beginnt, ist die Reaktion in der Berichtszeit auf allen Gebieten, und z. T. wieder in Zusammenarbeit mit den Kirchen äußerst aktiv geworden.

Die Laienaktivierung der Kirchen hat weitere Fortschritte gemacht. Die Auswirkungen haben sich auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens und in einer ideellen Stärkung aller Gegnergruppen gezeigt. Gefördert durch die projüdische Haltung der Kirchen , die in der Masse der Kirchengläubigen jede antijüdische Propaganda der Partei wirkungslos macht, sind die Assimilationsbestrebungen im Judentum heute in einem Maße angesprochen, wie das seit der Machtübernahme noch niemals der Fall war. Mit Sicherheit ist daher ein erheblicher Rückgang der jüdischen Auswanderung dazu zu erwarten, wenn es nicht gelingt, zumindest die wenigerbemittelten Juden aus dem Reichsgebiet abzuschieben.

In den Kirchen hat sich, veranlasst durch das unbeirrbare Vorgehen des Staates gegen die kirchlichen Organisationen, durch die Zurückdrängung des kirchlichen Einflusses im Erziehungswesen, aber auch durch das Verbot der deutschen Teilnahme am Eucharistischen Kongress in Budapest, eine Stimmung ergeben, die sich in die Worte fassen läßt:

„Der Staat regiert, die Kirche protestiert.''

So ist ein Teil der Kirchengläubigen von beträchtlicher Resignation ergriffen, die in den unzähligen nutzlosen Protesten des Klerus ihren Grund hat.

Andererseits geht aber der Plan der höheren Geistlichkeit - sowohl auf katholischer wie auf evangelischer Seite - dahin, die Resignation der Gläubigen zur Erbitterung zu steigern, und zum Widerstand gegen den Staat aufzurufen. Besonders hervorgetan hat sich in dieser Richtung der Kardinalerzbischof Faulhaber von München, dem besonders gute Beziehungen zum Vatikan, aber auch zu den übrigen weltanschaulichen Gegnern im Reich, nachgesagt werden, denen zweifellos diese Taktik der Kirche äußerst gelegen kommt.

In gleicher Zeit ist die Reaktion zu einer bisher ungeahnten Aktivität übergegangen, die mit aller Macht darauf hinstrebt die Partei und ihre Gliederungen, insbesondere aber die SS , ihres Einflusses zu entkleiden, ja sie aus dem öffentlichen Leben völlig auszuscheiden und an ihrer Stelle die ganze Gewalt auf die Wehrmacht, und die geistig-weltanschauliche Schulung auf die Kirchen zu übertragen. (…)

 

Judentum

Die Maßnahmen der rumänischen Regierung beginnen sich jetzt in immer stärkeren Ausmaß auf die Lage der in Deutschland ansässigen Juden auszuwirken. Die Tatsache, daß fast sämtliche an Rumänien mittelbar oder unmittelbar angrenzenden Länder verschärfte Einwanderungsbestimmungen für Juden erlassen haben, sowie das verschärfte Vorgehen einiger südamerikanischer Staaten gegen Juden, hat die Auswanderungslust und die Auswanderungsfurcht hauptsächlich unter den mittellosen Juden in Deutschland derart gesteigert, daß verschiedene Leiter jüdisch-politischer Organisationen - wie der Leiter der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und der Geschäftsführer der Hilfsvereine der Juden in Deutschland - die Lage für die Auswanderung von Juden aus Deutschland als katastrophal bezeichneten. Diese allgemeine Niedergeschlagenheit geht durch die gesamte jüdische Presse in Deutschland. Der Leiter der Zionistischen Vereinigung für Deutschland, Dr. Friedenthal , erklärte anläßlich einer Vorsprache im Gestapa am 4.2.38 wörtlich: ''Die ganze Arbeit hat doch keinen Zweck, die Auswanderungsfragen werden immer schwieriger, die Auswanderungsmöglichkeiten immer geringer und die assimilatorischen Tendenzen unter den Juden in Deutschland immer vorherrschender. Ich habe die Absicht, mein Amt als Vorsitzender der Zionistischen Vereinigung für Deutschland niederzulegen und im Herbst dieses Jahres nach Palästina auszuwandern.''

Dieser Einzelfall ist symptomatisch für die augenblickliche Einstellung der Juden in Deutschland, zumindest der mittellosen, zur Auswanderungsfrage, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß Friedenthal bereits über Grund und Boden in Palästina verfügt.

Die Berichte aus Palästina lauten für die Zionisten denkbar ungünstig. Die englische Regierung hat ein Weißbuch zur Palästinapolitik herausgegeben, in dem die Entsendung einer neuen technischen Untersuchungskommission nach Palästina angekündigt wird, deren Tätigkeit sich dort auf längere Zeit erstrecken soll. Demnach ist der Peel-Bericht, der sich für eine Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat aussprach, scheinbar endgültig fallen gelassen worden. Die Entsendung dieser neuen Kommission ist bezeichnend für die englische Verschleppungstaktik in der Palästinafrage. Die Auswanderungsbestrebungen, besonders diejenigen der in Deutschland ansässigen mittellosen Zionisten, für die Palästina immer noch als Einwanderungsland in Frage kommt, sind hierdurch ebenfalls empfindlich beeinträchtigt worden.

Es mehren sich ferner die Klagen jüdisch-politischer Funktionäre, daß in einem bisher nie dagewesenen Ausmaße jüdische Kapitalisten ihr Vermögen auf dem Transferwege in das Ausland schaffen, wodurch das Steuereinkommen, der jüdischen Gemeinden und die Mitgliedsbeiträge der jüdisch-politischen Organisationen bereits jetzt schon einen derartigen Tiefstand erreichten, daß beispielsweise die zionistischen Organisationen in Deutschland mit den größten Geldschwierigkeiten zu kämpfen haben, was zwangsläufig eine bedeutende Verringerung der Auswanderungszahl mittelloser Juden aus Deutschland mit sich bringt.

Diese Gründe sind zweifellos bestimmend gewesen für die von dem Präsidialausschuß und dem Rat der Reichsvertretung der Juden in Deutschland am 12.1.1938 gefaßte Erklärung, in der zunächst auf die Arbeit der Reichsvertretung in den letzten Jahren hingewiesen und die Notwendigkeit der Auswanderung herausgestellt wurde. Im Zusammenhang damit enthält diese Erklärung einen Appell an die Palästinaregierung, den mittellosen Juden aus Deutschland den Weg nach Palästina freizugeben, und weiter einen Appell an die überseeischen Länder, durch Neugestaltung und freier Handhabung der Einwanderungsbestimmungen eine größere Zahl jüdischer Einwanderer aus Deutschland aufzunehmen. Die Reichsvertretung der Juden in Deutschland weist ferner darauf hin, daß ein erheblicher Teil der in Deutschland noch vorhandenen Juden überaltert und daher auswanderungsunfähig sei. Da bei der fortschreitenden Schmälerung der Erwerbsmöglichkeit diese Juden der öffentlichen Wohlfahrt anheimfallen müßten und andererseits auch eine geordnete Auswanderung unter diesen Gesichtspunkten unmöglich sei, fühlt sich die Reichsvertretung bemüßigt, die Reichsregierung zu bitten, daß der Verringerung der Erwerbsmöglichkeit für die Juden in Deutschland Einhalt geboten werde.

Diese Erklärung, die eine Reaktion auf die Fortführung der Ausschaltung des Judentums darstellt, fand in der gesamten Auslandspresse stärkste Beachtung. Die ''National-Zeitung'', Basel, sieht die Ursache dieser Erklärung in den seit dem Rücktritt des Reichsministers Schacht mit neuer Stärke einsetzenden Bestrebungen, die Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben herauszudrängen.

Wie diese Erklärung beweist, beginnen sich bereits die neue Verordnungen bezüglich der Verdrängung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben auszuwirken. Nur durch weitere Maßnahmen auf diesem Gebiete kann gleichzeitig die Auswanderungsunlust unter den Juden in Deutschland beseitigt werden.

Die eingangs erwähnten Feststellungen, daß die allgemeine Lage der Juden in der Welt immer schlechter wird, sind bestimmend für die zahlenmäßige und einflußmäßige Zunahme der jüdisch-assimilatorischen Kreise in Deutschland. Es konnte bereits im verflossenen Berichtsjahre in den einzelnen Teilen des Reiches die Feststellung gemacht werden, daß der einzelne Jude bestrebt ist, bessere Auswanderungsmöglichkeiten abzuwarten und in der Zwischenzeit in Deutschland seine finanzielle Position zu verbessern. Diese Beobachtungen können heute im gesamten Reichsgebiet gemacht werden.

Die seit einiger Zeit festgestellten Konsolidierungs- und Vereinheitlichungsbestrebungen innerhalb des Judentums wurden anläßlich einer von der Zionistischen Vereinigung für Deutschland einberufenen Versammlung durch den Rabbiner Grünewald , Mannheim, auch in Deutschland erstmalig propagiert. Er erklärte in seiner Rede, daß alle Proteste, Stellungnahmen und Berichte des Judentums zu irgendwelchen Aktionen solange zwecklos seien, solange das Judentum in sich nicht völlig einig wäre und einen gemeinsamen Führer aufgestellt hätte.

Während die Greuel- und Boykottätigkeit des internationalen Judentums gegen Deutschland - zweifellos nur vorübergehend - etwas nachgelassen hat, konzentrieren sich die jüdischen Angriffe jetzt gegen das nationale Rumänien. So hat der ''Jüdische Weltkongreß '' eine Note fertiggestellt, die sich mit den antijüdischen Erlassen der neuen rumänischen Regierung beschäftigt. Sie wurde am 1.1.1938 der englischen und französischen Regierung überreicht, um auf diese Art und Weise die Angelegenheit vor den Völkerbundsrat zu bringen, der die Feststellung treffen soll, daß die Judengesetze der rumänischen Regierung dem zwischen den Völkerbund und Rumänien bestehenden Minderheitenvertrag von St. Germain widersprächen.

Der Vorsitzende der ''Internationalen Anti-Nazi-Liga'', Samuel Untermyr, New York, hat den rumänischen Ministerpräsidenten mitteilen lassen, daß, falls die angekündigten antisemitischen Maßnahmen in Rumänien in die Tat umgesetzt werden sollten, der in USA durchgeführte ''Anti-Nazi-Boykott'' auch auf Rumänien ausgedehnt würde.

Auf einer großen Kundgebung des ''Verbandes gegen Rassenlehre und Antisemitismus'', die unter dem Thema ''Hitler erobert Rumänien'' in Paris abgehalten wurde, sprachen sich neben katholischen und evangelischen Geistlichen, Rabbiner und Gewerkschaftsführer gegen die Rassentheorien der rumänischen Regierung aus und warnten vor den Kriegsdrohungen des Faschismus. Diese Kundgebung beweist, wiederum, daß die Parole, den Kampf des Judentums gegen seine Gegner über die Kirchen und über die Linksbewegung vorzutragen, die von den hierfür zuständigen jüdisch-politischen Organisationen im Jahre 1937 in New York ausgegeben wurde, in die Tat umgesetzt wird. (…)

 

Rechtsbewegung

Das Haupt der Schwarzen Front, Otto Strasser, gab gemeinsam mit dem bekannten Pazifisten Kurt Hiller, eine Erklärung heraus, in der beide ihre Übereinstimmung in Hinsicht auf den ''Deutschen Freiheitskampf'' zum Ausdruck brachten. Beachtlich ist die Stellung zur Judenfrage in dieser Erklärung, die durchaus projüdisch ist.

Es ist dies nur ein weiterer Beweis dafür, wieweit Strasser schon durch Geldzuwendungen seitens jüdischer Kreise und Fehlen einer ''Linie'' als politische Windrose anzusehen ist.

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