Die Gestapo berichtet aus Erfurt
Die Gestapo des Regierungsbezirks Erfurt erstattet am 5. Oktober 1935 folgenden Bericht für September 1935:
Neben der großen Proklamation des Führers haben die drei großen Gesetze, das Reichsflaggengesetz, das Reichsbürgergesetz und das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, die uneingeschränkte Zustimmung weitester Volkskreise gefunden. [...]
Starke Kritik hat in den Kreisen der Bewegung die Königsberger Rede des Reichsbank-Präsidenten Dr. Schacht hervorgerufen. Diese Rede wurde in Broschürenform von der Reichsbankstelle Erfurt und von den Erfurter Banken an die Kundschaft ausgegeben. Wie festgestellt werden konnte, besteht die übergroße Abnehmerzahl aus Juden. Es wird von den alten Kämpfern der Bewegung nicht verstanden, daß Schacht diese Rede, mit der er sich in einem offensichtlichen Gegensatz zu führenden Männern der Bewegung - Julius Streicher - gebracht hat, überhaupt halten durfte. (…)
Die staatsfeindliche Propaganda nimmt, hauptsächlich in den Eisenbahnzügen, immer krassere Formen an. Ein Jude, der während der Eisenbahnfahrt zwei Ausländerinnen gegenüber [saß], die er für Jüdinnen hielt, die Einrichtungen des Reiches pp. lächerlich zu machen versuchte, wurde von diesen der Bahnpolizei gemeldet und festgenommen. Die beiden Ausländerinnen waren Verwandte des persischen Gesandten in Berlin. Ich habe den Juden auf die Dauer von 7 Tagen in Schutzhaft genommen. Sonderbericht ist vorgelegt. (…)
Auf dem katholischen Eichsfeld wird Klage darüber geführt, daß in fast allen Ortschaften Aushängekästen des Stürmers angebracht werden. Wenn auch die verübten Schandtaten der Juden, die im Stürmer gebracht würden, keinen Anlaß zur Beunruhigung der Bevölkerung gäben, so sei die katholische Bevölkerung doch aufs Heftigste erregt über die gebrachten Karikaturen von Geistlichen und Ordensbrüdern. (…)
Juden und Freimaurer
Im Berichtsmonat sind die Juden im hiesigen Bezirk weniger aktiv in Erscheinung getreten als in den Vormonaten. Die sonst übliche Versammlungstätigkeit war nur bei den Zionisten , dem Reichsbund jüdischer Frontsoldaten und den jüdischen Sportverbänden zu beobachten.
Im Monat September haben mehrere jüdische Geschäfte Klage über Boykottmaßnahmen geführt, die von Angehörigen der Bewegung durchgeführt worden sind. Aus Suhl wurde mir gemeldet, daß arische Käufer vom Betreten des jüdischen Kaufhauses abgehalten wurden. Nach Bekanntgabe des neuesten Erlasses über Einzelaktionen gegen Juden pp. an die Gliederungen der Bewegung haben derartige Einzelaktionen aufgehört.
In Suhl wurden einem Baumeister die städtischen Lieferungen entzogen, weil er seinen Bedarf an Baumaterialien bei einem Juden deckte. Der Baumeister hielt der Stadtverwaltung vor, daß sie selbst noch im August d. Js. auch ihre Baumaterialien von demselben Juden bezogen habe. Tatsächlich befindet sich die einzige Eisengroßhandlung, die Eisenwaren für Hochbauten pp. in Suhl führt, in den Händen eines Juden.
In Heinrichs bei Suhl ist die Ortsgruppenleitung dazu übergegangen, jeden Käufer, der trotz der Aufklärung in der Presse heute noch beim Juden kauft, öffentlich anzuprangern. Zu diesem Zwecke wurde in der Hauptstraße des Ortes ein Kasten mit den Fotografien derjenigen Volksgenossen aufgestellt, die heute noch nicht begriffen haben, daß das Kaufen beim Juden Volksverrat ist. Allerdings trifft man mit dieser Maßnahme in der Regel nur die minderbemittelte Bevölkerung, weil viele bessergestellte Volksgenossen ihre Bestellungen fernmündlich aufgeben und sich die Waren durch die jüdischen Lieferwagen ins Haus bringen lassen. Die jüdischen Lieferwagen fahren jetzt größtenteils ohne Firmenbezeichnung, um ihre Kundschaft nicht in Verlegenheit zu bringen.
Wie mir durch Vertrauensleute berichtet wird, verkauft die Landbevölkerung ihr schlachtreifes Vieh mit Vorliebe noch an den Juden. Es muß angenommen werden, daß der Jude Überpreise zahlt und den Bauern auch heute noch mit Darlehen aushilft oder für diese Darlehen sich das schlachtreife Vieh verschreiben läßt. Der Geldhunger der Bauern, der schon in der Inflationszeit stark hervortrat, dürfte weiterhin die Ursache dieses unwürdigen Verhaltens sein.
Erfreulicherweise war festzustellen, daß der Umsatz in den jüdischen Geschäften im Berichtsmonat erheblich zurückgegangen ist. Nur von den ärmeren Volksschichten werden die Judengeschäfte wegen der niedrigen Preise vorzugsweise aufgesucht. In größeren jüdischen Geschäften lassen sich die jüdischen Geschäftsinhaber während der Verkaufszeit in den Verkaufsräumen nicht sehen. Sie überlassen den Verkauf ihren arischen Angestellten, um bei der Kundschaft den Eindruck zu erwecken, sie kaufe in einem arischen Geschäft. Die Juden benutzen heute noch vielfach die Firma ihrer arischen Vorgänger. So kann man z. B. lesen ''Karl Koch Nachfolger'' und um der Gewerbeordnung Rechnung zu tragen, befindet sich über der Ladentür in ganz kleiner unauffälliger Beschriftung ''Inhaber Aron Levy''. Daß ein großer Teil der Bevölkerung, die sonst nicht beim Juden kaufen würde, auf diesen Trick hereinfällt, ist eine bekannte Tatsache. Der Kampf gegen das Judentum läßt sich in dieser Hinsicht nur dann erfolgreich durchführen, wenn jedes arische Unternehmen sich dazu bequemen würde, sein Geschäft auch nach außen hin als solches zu kennzeichnen.
Die allgemeine Propagandaaktion gegen die Juden wird von der Bewegung und ihren Unterorganisationen in unverminderter Schärfe fortgeführt. An fast allen Stadt- und Ortseingängen wurden Schilder angebracht mit der Aufschrift ''Juden sind hier unerwünscht''. In der Nähe von Judenbehausungen werden Ausschnitte aus dem Stürmer plakatiert und von Hitlerjungen streng bewacht. Auch sind von unbekannter Seite den Juden Zettel in Briefkästen geworfen worden mit den allgemein bekannten Aufschriften, die auch bei den Propagandafahrten der SA und HJ mitgeführt wurden.
Im Berichtsmonat wurden mehrere Juden wegen ihres rasseschänderischen Verhaltens in Schutzhaft genommen, in weniger krassen Fällen ernstlich verwarnt.
Allgemein wird von den Juden die Meinung vertreten, daß die Maßnahmen des Nationalsozialismus an der starken Mauer des Weltjudentums zerschellen werden. Jahrtausende habe sich das Judentum gegen eine Welt von Feinden durchgesetzt. Jetzt stände ihnen nur ein Feind, der Nationalsozialismus gegenüber, und dieser würde mit den dem Weltjudentum zur Verfügung stehenden Mitteln - Boykott Deutschlands - bald niedergerungen sein. Deutschland brauche die Weltwirtschaft, und diese sei zum weitaus größten Teil in den Händen der Juden.