Der Landrat berichtet aus Schlüchtern
Der Landrat des Kreises Schlüchtern erstattet am 30. August 1935 folgenden Bericht für August 1935:
Die Juden legten in der Berichtszeit ein selbstsicheres und selbstbewußtes Verhalten an den Tag und traten z.T. recht anmaßend auf. Dies rief unter der deutschfühlenden Bevölkerung eine starke Verbitterung hervor. So hat sich der jüdische Maschinenhändler [N.N.a] in Schlüchtern beschwerdeführend an den Herrn Regierungspräsidenten gewandt, weil das Arbeitsamt den Bauern, die bei ihm landwirtschaftliche Maschinen und Geräte gekauft haben und Reparaturen ausführen ließen, die Landhelfer entzogen hat. Diesem [N.N.a], der in Schlüchtern als frecher Jude bekannt ist, sind am 10. und 14. August nachts 8 Fensterscheiben eingeworfen worden. Als Täter wurden 8 junge Leute ermittelt. Dieselben jungen Burschen hatten in der gleichen Nacht verschiedene jüdische Häuser mit Ölfarbe beschmiert. In Heubach (Rhön) besaß der am 18. Oktober 1895 geborene jüdische Händler [N.N.b] die Unverschämtheit und näherte sich am 25.7. gegen 21 Uhr einem 14jährigen Mädchen, indem er es am Arm faßte und fragte wohin es wolle. Dieses dreiste Gebaren des Juden rief unter der Bevölkerung der Gemeinde Heubach eine große Erregung hervor, zumal der Jude sich schon einmal einem arischen Mädchen gegenüber unsittlich benommen hatte, so daß es die Ortspolizeibehörde für erforderlich hielt, den Juden am 25. Juli, 21 Uhr, bis 26.7. 11 Uhr, zu seiner eigenen Sicherheit in Schutzhaft zu nehmen.
Die Vorgänge auf dem Kurfürstendamm in Berlin sind auch auf den Kreis Schlüchtern nicht ohne Rückwirkung geblieben. In verschiedenen Orten wurden an die Häuser der Juden gelbe Zettel mit der Aufschrift ''Jude'' geklebt, während an den Schaufensterscheiben der arischen Geschäfte auf roten Plakaten mit schwarzen Buchstaben zu lesen stand: ''Juden haben keinen Zutritt''. Diese Plakate sind inzwischen wieder entfernt worden.
Die jüdischen Viehhändler gehen immer mehr dazu über, sich von arischen Viehhändlern das Vieh bei Nacht aufkaufen und zutreiben zu lassen. So hat ein Maurer [N.N.c] aus Fulda ohne Gewerbeschein seit 2 Monaten in Oberzell nachts das Vieh für den jüdischen Viehhändler [N.N.d] in Fulda aufgekauft und es in siebenstündigem Marsch nachts nach Fulda getrieben, wo er es dem Juden übergebe. Dieser Judenknecht erhielt für seine schändliche Tätigkeit 15 RM für jedes übergebene Stück Vieh. [N.N.c] gab bei seiner Vernehmung an, daß ihm der Jude [N.N.d] bei der Sparkasse in Hünfeld ein Konto von 2.000 RM eingerichtet habe, damit es nicht auffalle, daß er für einen Juden das Vieh aufkaufe.