Der Oberbürgermeister berichtet aus Marburg
Der Oberbürgermeister von Marburg erstattet am 29. August 1935 folgenden Bericht für Juli und August 1935:
In hiesiger Stadt sind vier Stürmerkästen aufgehängt worden. In diesen Kästen waren Verzeichnisse ausgehängt worden der hier befindlichen jüdischen Geschäfte. Die Inhaber dieser Geschäfte führten Beschwerde bei dem Einzelhandelsverband, der sie an die Regierung Kassel weitergab und von da der Ortspolizeibehörde Marburg a.d. Lahn übersandt wurde [sic]. Die Ortspolizeibehörde setzte sich mit der Kreisleitung und Standarte hier in Verbindung, worauf die Listen entfernt wurden. Mitte August erschienen die Listen erneut in den Stürmerkästen, wurden aber auf Veranlassung der Ortspolizeibehörde alsbald wieder entfernt auf Grund des Erlasses des Herrn Preußischen Ministers des Innern vom 14.3.1933 ff.
Ferner war in den Stürmerkästen eine Liste von solchen Personen ausgehängt, die in jüdischen Geschäften gekauft hatten. Hierüber entstand unter einem größeren Teil der Stadtbewohner eine gewisse Unruhe. Nachdem sich verschiedene der auf der Liste stehenden Personen beschwert hatten, wurde sie auf diesseitige Veranlassung auch entfernt. Im übrigen ist hier die Judenfrage gleichfalls akut geworden und wird besonders durch die Propagandafahrten der SA aufrechterhalten und weiter getragen. (…)
Juden und Freimaurer
Die Juden und deren Organisationen sind in letzter Zeit nicht mehr hervorgetreten und haben auch keine Versammlungen oder Veranstaltungen mehr abgehalten. Allgemein zeigen sie eine gewisse Furcht und Zurückhaltung.