Der Landrat berichtet aus Bad Wildungen
Der Landrat des Kreises Eder erstattet am 24. August 1935 folgenden Bericht für Juli und August 1935:
Bis Ende v.M. hatte der Handel der Juden auf den Dörfern stetig zugenommen. Ich habe darauf in meinen Vorberichten verschiedentlich hingewiesen. Es war bekannt, daß nicht nur der Viehhandel der Juden ständig wieder an Umfang zunahm, sondern auch der Hausierhandel mit Kram- und Textilwaren eine alltägliche Erscheinung auf allen Dörfern wurde. Ja, selbst in Handelszweigen, in denen die Juden früher kaum tätig gewesen sind, wie z. B. dem Handel mit landwirtschaftlichen Maschinen, sind hier im Kreis jüdische Händler aufgetreten. Diese Entwicklung war nur dadurch möglich, daß in weiten Kreisen der bäuerlichen und Arbeiterbevölkerung die nationale Notwendigkeit der Bekämpfung des jüdischen Handels noch keineswegs eingedrungen ist. Andererseits sind die Juden aus ihrer Zurückhaltung, die sie in den ersten beiden Jahren nach der Machtergreifung beobachtet hatten, infolge der rücksichtsvollen Behandlung herausgegangen und glaubten, die Zeit wäre gekommen, um sich im Handel ihre alten Einflußgebiete wieder zu sichern. Nachdem, hervorgerufen durch die bekannten Berliner Ereignisse, eine neue Welle der Empörung gegen das jüdische Überhandnehmen im Handel durch alle nationalsozialistisch gesinnten Kreise, insbesondere durch die SA , ging, hat sich das Bild hier im Kreis ganz wesentlich geändert. Wie ich schon in einem besonderen Bericht dargelegt habe, sind eine ganze Reihe von Handelsjuden in den verschiedensten Dörfern mehr oder weniger freundlich herausgeworfen worden. Schriftliche Beschwerden der betroffenen Juden sind bei mir nicht eingegangen, sie sind mir nur von einem der Beteiligten vor etwa acht Tagen in Aussicht gestellt worden. Einem auf dem Lande wohnenden Handelsjuden sind kürzlich nachts die Fenster eingeworfen worden.
Auf Grund dieser Vorkommnisse haben die jüdischen Händler Angst bekommen und wagen es z. Zt. kaum, sich in den Dörfern zu zeigen. Es ist nicht abzusehen, wie sich die Sache weiterentwickeln wird. Wie ich schon verschiedentlich berichtet habe, ist der arische Viehhandel teilweise noch nicht in der Lage, die Juden vollständig zu ersetzen. Sobald der Reichsnährstand diese vordringlichste Aufgabe gelöst hat, wird sich der Bauer ohne weiteres völlig vom jüdischen Handel lösen und die Bekämpfung der Juden als berechtigt empfinden, was bis jetzt noch nicht überall der Fall ist.