Das Bezirksamt Bad Kissingen berichtet
Das Bezirksamt Bad Kissingen erstattet am 28. August 1935 folgenden Bericht für August 1935:
In Bad Kissingen kamen wiederum einige Ausschreitungen von unbekannten Tätern gegen jüdische Geschäfte vor. So wurden in der Nacht vom 7. auf 8. August verschiedene Schaufenster beschmiert, während in der Nacht vom 19. auf 20.8. durch die Schlüssellöcher der Ladentüren in jüdischen Geschäften eine ätzende Flüssigkeit gespritzt wurde, die einen sehr unangenehmen Geruch verbreitete. In verschiedenen Ortschaften des Bezirks wurden Schilder mit der Aufschrift ''Juden unerwünscht!'' angebracht. Diese Maßnahme wurde von dem größten Teil der Bevölkerung begrüßt. Zu irgendwelchen Zwischenfällen ist es hiebei nicht gekommen. Die Tafeln wurden daher auch zunächst nicht wieder entfernt. Auch im staatlichen Kurgarten in Bad Kissingen wurden am 16.8. 6 derartige Schilder angebracht, die außerdem mit dem Abdruck der Rückseite eines großen Fünfmarkstückes (Reichsadler) versehen waren, wodurch anscheinend der Eindruck erweckt werden sollte, daß es sich um amtliche Schilder handele. Diese Schilder wurden von Aufsehern nach dem Entdecken sofort abgenommen und sichergestellt. Am 20.8.35 war von einer kleinen Gruppe von Ku rgästen beabsichtigt, ein Konzert der preuß. Kammersängerin der Staatsoper Berlin, Frau Frieda Leider zu stören, weil diese eine Jüdin sei. Die Störung konnte verhindert werden. Wegen dieser angeblich unzutreffenden Behauptung wird von Frau Winifred Wagner beim Führer und dem preuß. Ministerpräsidenten Beschwerde geführt werden. So sehr sich einerseits in der Bevölkerung die Erkenntnis von der volks-und rassezersetzenden Tätigkeit der Juden immer stärker durchsetzt, so glauben doch andererseits insbesondere viele Landwirte immer noch, die Juden unterstützen zu müssen. Der Mangel an arischen Händlern, insbesondere an Viehhändlern steht allerdings einer restlosen Ausschaltung der Juden noch hinderlich entgegen. So wird mir aus Steinach berichtet, daß die Geschäfte der dortigen Viehjuden jetzt sogar besser gehen wie früher. Von dort wird mir auch berichtet, daß sich die Zurückdrängung des Judentums von den deutschen Badeorten dadurch bemerkbar macht, daß sich bei den einheimischen Juden noch nie so zahlreich deren Verwandte und Bekannte zu Besuch eingefunden hätten wie heuer.
Die Zeitungsnachrichten über Ausschluß der Juden aus anderen bayerischen Bädern lösen gleiche Forderungen bei der hiesigen Badeverwaltung aus. Der staatl. Badkommissär hat auf seine diesbezügl. Anträge von der vorgesetzten Stelle keinen Bescheid erhalten.