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Chronik und Quellen
1935
August 1935

Der Amtsbürgermeister berichtet aus Anröchte

Der Amtsbürgermeister von Anröchte erstattet am 20. August 1935 folgenden Bericht für August 1935:

Obwohl in den jüdischen Kreisen hier eine gewisse Depression zu bemerken ist, nehmen sie noch sehr rege am Handel und Wandel Anteil. Ihr Tätigkeitsfeld liegt, wie immer, in den bäuerlichen Kreisen. So wird mir berichtet, daß von einem Kreis von etwa 30 Bauern, nur 3 ihre Erzeugnisse einer Dreschperiode an das Kornhaus in Erwitte abgeliefert hätten. Die übrigen tätigten ihr Geschäft mit dem Juden Rosenberg in Anröchte. Diese Zahlen sind beschämend für das deutsche Bauerntum und setzen seine Einstellung von Volk und Rasse in das ungünstigste Licht. Bei einer hier vor 2 Wochen stattgefundenen Beerdigung eines Juden war die weibliche Bevölkerung des Ortes stark vertreten. Neugierde und Instinktlosigkeit scheinen der Hauptgrund dieser falschen Anteilnahme zu sein. Bei dem hier gestern stattgefundenen Propagandamarsch der SA forderten Sprechchöre zur Bekämpfung des Judentums auf. Seit einiger Zeit ist auch in der Gemeinde Anröchte auf dem Marktplatz ein Stürmerkasten aufgestellt worden. Das Verkehrslokal der Juden in Anröchte ist die Wirtschaft Röper-Bolte. Ein Sohn des Röper-Bolte ist Jungbauernführer. Er verkehrt freundschaftlich mit Juden, trinkt und spielt mit ihnen. Zum Propagandamarsch der SA unterließ er das Beflaggen seines Hauses. Die Juden Schreiber und Rosenberg traktierten in diesem Ausschank die Gäste in kundenwerbender Absicht. Der Erfolg bleibt ihnen bei der Instinktlosigkeit der Bevölkerung nicht aus. Der Bauer Frielinghausen zahlte am 15.8.1935 einen Teilbetrag seiner Steuern mit einem Scheck vom Juden Rapp.

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