Die Gestapo berichtet aus Schneidemühl
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Schneidemühl erstattet folgenden Bericht für August 1935:
Es muß hervorgehoben werden, daß die Stimmung in der Bevölkerung im Vergleich zu den Vormonaten schlechter geworden ist. Die Gründe hierfür sind verschiedentlicher Art. Die in manchen Orten bei der Durchführung des Judenboykotts erfolgten Übergriffe gegen einzelne Juden werden von dem größten Teil der Bevölkerung nicht gut geheißen. Mit Recht wird behauptet, daß durch solche Vorfälle den Juden nur Material für die vom Ausland betriebene Greuelpropaganda in die Hände geliefert wird. Wenn auch fast der größte Teil der Bevölkerung sich für ein scharfes Vorgehen gegen die Juden ausspricht, so werden aber dennoch erfolgte Übergriffe scharf verurteilt. (…)
Juden und Freimaurer
Im Berichtsmonat wurden durch die Partei und ihre Nebenorganisationen fast in allen Orten Propagandaumzüge gegen die Juden veranstaltet, die sich zum Nachteil für die jüdische Geschäftswelt ausgewirkt haben. Es konnte beobachtet werden, daß die Einkäufe in den jüdischen Geschäften nachgelassen haben. Aus Gesprächen ist zu entnehmen, daß sich die Abwanderungslust dieser Volksschicht mehrt und immer weiter Platz greift, da die Existenzmöglichkeit nicht mehr in dem Maße vorhanden ist wie früher. Es liegt aber die Befürchtung nahe, daß die Bevölkerung nach einer geraumen Zeit wieder die jüdischen Geschäfte aufsuchen wird, da die christlichen Geschäfte nicht verstehen, ihre Preise so zu kalkulieren, um mit dem Juden Schritt zu halten.
Ein großer Teil der Bevölkerung ist von der Gefahr der jüdischen Rasse noch nicht überzeugt. Es ist unbedingt notwendig, daß immer wieder in dieser Frage in der Öffentlichkeit aufklärend gewirkt wird.
Staatsfeindliche Bestrebungen wurden nicht festgestellt.