Bericht aus Oldenburg
Der Minister des Innern erstattet am 15. August 1935 aus Oldenburg folgenden Bericht für Juni und Juli 1935:
Die Stimmung in der Bevölkerung ist nicht einheitlich. Im großen und ganzen ist sie gereizter geworden. Die außenpolitischen Fragen treten gegenüber den innenpolitischen Ereignissen etwas zurück. Die Wirkung der täglichen Meldungen in der Tagespresse über den politischen Katholizismus, Devisenverbrechen, NSDFB und Juden ist unterschiedlich. Ein Teil der Bevölkerung billigt nicht nur das Vorgehen gegen diese Feinde des Nationalsozialismus sondern wünscht noch schärfere Maßnahmen. Andere wiederum, insbesondere katholische Teile der Bevölkerung halten die Berichterstattung für tendenziös und werden zur Opposition getrieben, bezw. in ihrer bisherigen Opposition bestärkt. (…)
Juden
Die Abneigung gegen die Juden hat sich verschärft. Man findet des öfteren Geschäfte mit einem Warnungsschild: ''Juden sind hier nicht erwünscht''. Auch das Betreten der Badeanstalten ist den Juden in verschiedenen Orten verboten worden. In Rüstringen und in Delmenhorst wurde je ein Jude in Schutzhaft genommen wegen Rassenschändung . Desgleichen wurde über eine artvergessene Frau Schutzhaft verhängt.
Der Kampf gegen das Judentum richtet sich zurzeit in der Hauptsache darauf, das Judentum aus dem geschäftlichen Leben auszuschalten. Der Kampf wird hauptsächlich von den Stellen der NS-Hago vorwärts getrieben. Wie mir berichtet wird, stehen noch viele Volksgenossen deswegen abseits, weil verschiedene staatliche Behörden selbst noch mit Juden geschäftlich in Verbindung stehen. So soll der Jude Müller in Wilhelmshaven-Rüstringen noch immer Lieferungen an die dortige Werft und Marine ausführen. Das Reichsmarine-Bekleidungsamt in Wilhelmshaven soll seinen Bedarf an Nähseide usw. aus der Fabrik Isedor Salomon in Berlin beziehen. Auch herrscht starke Entrüstung darüber, daß die Militärbehörde durch den Juden Anspacher in Bremen 400 Pferde angekauft hat. Die Werft in Wilhelmshaven-Rüstringen soll ihr gesamtes Altmaterial an den Juden Gutentag verkaufen.