Die Gestapo berichtet aus Kiel
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Schleswig berichtet für Juli 1935 aus Kiel:
Das Auftreten der Juden wird auch in meinem Staatspolizeibezirk immer frecher, wenngleich die Judenfrage in den rein ländlichen Gegenden auch eine geringere Rolle spielt. Besonders aufdringlich ist das Auftreten der Juden in den Seebädern während der Saison. In Westerland hat man es verstanden, die Juden von vornherein als unerwünscht zu bezeichnen und sie so dem Bad fernzuhalten. Schwieriger ist die Lage in Wyk a/Föhr, wo z.Zt. etwa 200-300 auswärtige Juden vorhanden sein sollen und wo es häufig zu Auseinandersetzungen kommt. - Im übrigen ist jedoch zu bemerken, daß, wenn es zur Stellungnahme und Aktionen gegen Juden kommt, diese meist von den Angehörigen der NSDAP und der angeschlossenen Organisationen ausgehen, während die große Menge des Volkes selbst, jedenfalls im hiesigen Bezirk, wenig Teilnahme für die Judenfrage zeigt. So hat z.B. das Vorgehen am Kurfürstendamm in Berlin hier keinen großen Widerhall gefunden. Vielfach wird einfach gesagt, man solle die Juden doch in Ruhe lassen, es seien auch Menschen. Die Judenfrage hätte uns außenpolitisch schon genug gekostet. Kennzeichnend ist in dieser Richtung auch, daß die jüdischen Geschäfte wieder vermehrten Zuspruch haben. So wird z.B. in Flensburg das sogen. Kleinpreisgeschäft Wohlwerth, welches sich in jüdischen Händen befindet, nach wie vor stark besucht. Dabei konnte in letzter Zeit festgestellt werden, daß nicht nur kleine Beamte und Angestellte, sondern auch Angehörige nationalsozialistischer Organisationen ihre Einkäufe in diesem Geschäft vornahmen. Als Ausrede und Entschuldigung wird von diesen Leuten gebracht, daß sie mit ihrem kleinen Einkommen darauf angewiesen seien, die billigsten Einkaufsquellen zu benutzen. - Alles in allem muß immer wieder festgestellt werden, daß die bisherige Erziehungs- und Aufklärungsarbeit auf diesem Gebiete noch nichts gefruchtet hat. - In letzter Zeit fahren fast täglich 20-30 jüdische Familien, die in Deutschland wohnen und in vielen Fällen nicht einmal die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, nach Dänemark, um dort ihren Sommerurlaub zu verbringen. Angeblich fahren sie ins Ausland, weil sie in deutschen Badeorten nicht geduldet werden. Diese jüdischen Reisenden führen stets Reiseschecks im Werte von 500 RM und das zulässige Bargeld mit sich. Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Dienstpersonal haben Reiseschecks in Höhe von 500 RM im Besitz. So reiste z.B. der Jude Frühstein aus Dresden am 2.7.35 mit 4 Personen aus. Darunter befanden sich zwei Kinder im Alter unter 16 Jahren. Die Familie hatte Reiseschecks im Gesamtwerte von 2.000 RM bei sich. - Die Juden haben die Vorteile des Reiseschecks und der dänischen Valutaverhältnisse wieder schnell erkannt und nutzen sie für sich aus. Dabei bezeichnen sie sich noch als Märtyrer, die ihren Sommerurlaub in ausländischen Badeorten verleben müssen. - Die Reichsbankstelle in Flensburg hat am 4.7.35 die Reiseschecks für Dänemark gesperrt, weil von dänischer Seite nicht so viele deutsche Waren gekauft worden sind, daß entsprechende Gegenwerte in Kronen vorhanden sind.