Die Gestapo berichtet aus Münster
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Münster berichtet am 6. August 1935 für Juli 1935:
Die Freimaurer sind in der letzten Zeit nicht in Erscheinung getreten. Die im hiesigen Bezirk befindlichen Logen haben sich nunmehr sämtlich freiwillig aufgelöst.
Die Juden hielten sich im Berichtsmonat im allgemeinen zurück. Ihre Geschäfte gehen nach wie vor gut. - Immer wieder konnte die Feststellung getroffen werden, daß die jüdischen Geschäfte insbesondere von Beamtenfrauen und Angehörigen der Wehrmacht und der DAF bevorzugt werden. Weiter konnte beobachtet werden, daß viele Gegner der Bewegung nur aus Opposition gegen die Bewegung in jüdischen Geschäften kaufen.
In Heessen wurde der 68-jährige Jude Norbert Blumenthal festgenommen, weil er anläßlich von Mietstreitigkeiten die Ehefrau und Kinder eines Hausbewohners mit den Worten ''Nazilumpen'' und ''Nazibalgen'' bezeichnet hatte.
Am 19.7.1935 wurde der Jude Hermann Perlstein aus Dorsten in Schutzhaft genommen, weil er 2 Angehörige des Jungvolks auf öffentlicher Straße geschlagen und getreten hatte.
Am 7.7.35 fanden die westdeutschen leichtathletischen Meisterschaften des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten auf dem Sportplatze der DJK in Gelsenkirchen-Ückendorf statt. Die Bevölkerung nahm an dieser Veranstaltung keinen Anteil.
Am 22.7.35 hatte der in Recklinghausen wohnhafte jüdische Kaufmann Scheffer wegen Aufgabe seines Geschäftes einen Ausverkauf angesetzt. Es konnte beobachtet werden, daß der Zulauf der Käufer, insbesondere aus den Schichten der ärmeren Bevölkerung, erstaunlich groß war. Einen Tag vor Beginn der Ausverkäufe hatte man von unbekannter Seite die Fensterscheiben des Geschäfts mit Teer beschmiert.
In der Nacht zum 28.7.35 wurde in Recklinghausen eine Scheibe eines Stürmerkastens eingedrückt. Daraufhin wurde durch den Ortsgruppenleiter der NSDAP (Recklinghausen-Nord) eine Holztafel in unmittelbarer Nähe des Stürmerkastens an einen Bretterzaun mit folgender Aufschrift aufgestellt: ''Ein Jude oder Judenknecht war in vergangener Nacht so schlecht und hat die Scheibe eingeschmissen. Wir warnen dich, du Judenschwein, sonst schlagen wir dir die Knochen ein''.
Im Laufe der letzten Wochen war es verschiedentlich in Bocholt und in anderen Orten des Bezirks zu Kundgebungen gegen jüdische Geschäfte und Kaufhäuser gekommen. U.a. hatten sich Angehörige der Partei von dem jüdischen Kaufhaus Wekapo aufgestellt und die Käufer, soweit die der Partei angehörten, photographiert. Außerdem hatte sich ein Stürmer -Verkäufer in einen Eingang gestellt und dort seine Zeitungen zum Verkauf angeboten. Verschiedentlich war es auch vorgekommen, daß Angehörige der DAF ihre Abzeichen von den Mützen gerissen wurden. Nach Bekanntwerden der Vorfälle habe ich im Einvernehmen mit der Gauleitung veranlaßt, daß derartige Übergriffe in Zukunft unterbunden werden.
Ausland
Obwohl die holländischen Zeitungen nach wie vor sich recht ungünstig über Deutschland auslassen und insbesondere das Vorgehen gegen den politischen Katholizismus und die Juden propagandistisch gegen Deutschland auswerten, scheint doch in der holländischen Bevölkerung mehr und mehr eine objektive Beurteilung der deutschen Verhältnisse Platz zu greifen. Auf diesen Umstand dürfte es wohl auch zurückzuführen sein, daß in den letzten Wochen der Fremdenverkehr von Holland nach Deutschland merklich zugenommen hat.