Die Gestapo Bielefeld berichtet
Die Gestapostelle des Regierungsbezirks Minden in Bielefeld erstattet am 4 September 1935 ihren Lagebericht für August 1935:
Allgemeines [...]
Schließlich war die innerpolitische Entwicklung des letzten Monats einmal durch die Abwehrmaßnahmen des Staates gegen die Juden, zum andern durch den Kampf des Staates gegen den politischen Katholizismus gekennzeichnet. Auf beide Momente wird in den folgenden Abschnitten noch näher eingegangen werden.
Kommunismus [...]
So wurde in der Berichtszeit auch kein kommunistisches Material erfaßt, dagegen wird in letzter Zeit von den Anhängern der KPD mehr Mundpropaganda betrieben. Als Propagandastoff wird bei allen sich bietenden Gelegenheiten das Verhalten einiger Amtswalter der NSDAP sowie Vorgänge in der Partei allgemein gebraucht. Außerdem werden die herrschende Teuerung und Einzelaktionen gegen die Juden eifrig erörtert. [...]
Evangelische Kirche [...]
Von weiteren Kreisen der Bekenntnisfront wird auch erwartet, daß auf der Königsberger Synode offiziell Stellung zur Judenfrage genommen wird. Hierbei sei bemerkt, daß führende Männer der Bekenntnisfront nach vorliegenden Äußerungen die Stellung des Staates zur Judenfrage grundsätzlich bejahen, aber die Tendenz des ''Stürmer '' aus sittlich moralischen Grundsätzen ablehnen. [...]
Juden
Der Kampf gegen das Judentum hat in der Berichtszeit im hiesigen Bereich erheblich zugenommen, nachdem dieser Kampf in der nationalsozialistischen Presse und in den Nachbarbezirken stark vorwärts getrieben worden war. Auch im hiesigen Bereich befinden sich jetzt in einem großen Teil der Ortschaften Schilder gegen das Judentum. Zuerst fand man fast nur Schilder mit der Aufschrift: ''Juden sind an diesem Ort unerwünscht!'' In den letzten Wochen ist man aber schnell zu den verschiedensten anderen Beschriftungen übergegangen, wie ''Juden betreten diesen Ort auf eigene Gefahr'' oder ein karikierter Judenkopf in großem Format mit dem Nachsatz ''sind an diesem Ort unerwünscht!'' An der Grenze eines Kreises des hiesigen Bezirks ist ein großes Transparent mit dem letztgenannten Inhalt über die große Durchgangschaussee Osnabrück nach Holland gespannt worden. Schilder der genannten Art befinden sich auch in den großen, von vielen Ausländern besuchten Badeorten, Oeynhausen und Salzuflen, ebenso in dem stark vom Fremdenverkehr berührten Orte Horn i/Lippe, in dessen unmittelbarer Nähe die Externsteine liegen. Es liegt auf der Hand, daß derartige Schilder an Hauptdurchgangsstraßen und in stark vom Fremdenverkehr berührten Orten vielmehr schaden als nützen.
Es ist auch hier wie in anderen Bezirken die Beobachtung gemacht worden, daß derartige Schilder, ohne daß dies verhindert werden konnte, von Ausländern fotografiert worden sind und dann zweifellos der Greuelpropaganda gegen Deutschland dienen. Viele Ausländer sind auch im Zusammenhang mit diesen Dingen aus den Kurorten abgereist mit der vertraulich gegebenen Begründung, daß sie in den Kurorten Erholung suchten und schon deshalb mit den innerpolitischen Dingen Deutschlands nichts zu tun haben wollten, zumal auch ihre Heimatländer in diesen Dingen nun einmal eine andere Stellung einnehmen als Deutschland. Verstärkt wurde dieser Standpunkt noch in Orten, wo man seitens der Bevölkerung noch besondere Umzüge gegen das Judentum bezw. den politischen Katholizismus veranstaltete, wie z.B. in Oeynhausen. Wie mir der Bürgermeister von Bad Oeynhausen mitteilte, hat der holländ. Konsul aus Dortmund, der bisher fast regelmäßig sein Wochenende in Bad Oeynhausen verbrachte, dem Bürgermeister erklärt, daß er aus Oeynhausen abreise und fortan nicht mehr wiederkommen werde. Wenn er nach Bad Oeynhausen komme und die hohe Kurtaxe bezahle, wolle er wenigstens Sonnabends und Sonntags seine Ruhe haben, und [nicht] Sonntags mittags, wie dies geschehen sei, durch Demonstrationen politischer Art gestört werden. Er sei bereits 10 Jahre in Deutschland und auch durchaus für Deutschland eingestellt, was tatsächlich stimmt, aber solche Dinge könne er nicht mitmachen. Wie er denken viele seiner Landsleute und würden demgemäß auch nicht mehr wie bisher nach Oeynhausen kommen.
Untere Dienststellen der Bewegung bringen leider nur wenig Verständnis für diese Verhältnisse auf. So wollte die Ortsgruppe Bad Oeynhausen im August, an einem Dienstag nachmittag, einen Stürmerkasten feierlich am Rathause einweihen mit anschließenden Demonstrationen gegen Juden. Dabei muß bemerkt werden, daß das Rathaus sich direkt gegenüber dem Kurpark befindet. Ich habe deshalb, zumal August Hochsaison in Bad Oeynhausen für den Besuch vieler Ausländer ist, den Herrn Gauleiter, der davon nicht unterrichtet war, gebeten, die Veranstaltung zu unterbinden. Auf Veranlassung des Herrn Gauleiters ist die Veranstaltung auch sofort durch den zuständigen Kreisleiter unterbunden worden.
Um derartige Störungen des Kurbetriebes und vor allem eine sonst unvermeidbare Schädigung der deutschen Auslandsinteressen zu verhindern ist es m.E. notwendig, künftig seitens der Zentralstellen des Staates und der Partei in allen Kurorten und besonders vom Fremdenverkehr berührten Orte, während der Saison politische Kundgebungen tunlichst zu unterbinden, wie dies früher schon üblich gewesen ist. Die Frage der Aufstellung von Schildern und Anbringung von Transparenten gegen das Judentum ist vor einigen Tagen mit dem Herrn Gauleiter in Münster besprochen worden. Um die hier in der letzten Zeit sich stets vermehrenden Auswüchse zu beseitigen, sollen in Verbindung mit der Gaupropagandaleitung einige Texte mit beleidigendem Inhalts gegen das Judentum festgelegt werden, die dann nur noch zugelassen werden, während alle andern Schilder und Transparente verschwinden sollen. Die Beseitigung der Transparente über den Straßen, insbesondere den Durchgangsstraßen, ist bereits in die Wege geleitet.
Einzelne Gemeinden des Bezirkes sind dazu übergegangen, besondere Maßnahmen gegen das Judentum durch Ortsstatut festzulegen und in Verbindung damit auch andere ihm notwendig erscheinende politische Maßnahmen zu treffen. Angeregt worden sind diese Gemeinden zu ihren Maßnahmen durch dahingehende Beschlüsse vieler Gemeinden aus anderen Teilen Deutschlands, die wiederholt in der Presse veröffentlicht worden sind.
So wurde z.B. im Kreise Halle in fast allen Gemeinden auf Veranlassung der Kreisleitung der NSDAP im Gemeinderat folgender Beschluß gefaßt und in der Presse veröffentlicht:
1.) Gemeindeeigene Grundstücke usw. dürfen in Zukunft an Juden nicht mehr verkauft werden.
2.) Allen Juden ist in Zukunft die Zuzugsgenehmigung zu verweigern.
3.) Gewerbetreibende, Handwerker usw., die nachweislich mit jüdischen Firmen in Verbindung stehen, werden bei Vergebung von Aufträgen seitens der Gemeinde nicht mehr berücksichtigt.
4.) Für die Vergebung von Aufträgen seitens der Gemeinde ist maßgebend, ob derjenige, der den Auftrag erhält, mit einem angemessenen Beitrag in der NSV ist.
5.) Es werden in Zukunft nur noch Geschäfte und Betriebe berücksichtigt, deren Angestellte, Lehrlinge und überhaupt sämtliche Arbeitnehmer, die in der Staatsjugend sind oder aber in den NS-Organisationen oder Formationen. Geschäfte, Betriebe, die bewußt die Zugehörigkeit ihrer Arbeitnehmer zu den NS-Formationen und Organisationen behindern, sind auf keinen Fall mit Aufträgen zu versehen.
In Alverdissen/Lippe hat der dortige Gemeinderat einen Beschluß folgenden Inhalts gefaßt:
§ 1 Juden und Jüdinnen dürfen innerhalb des Gemeindegebietes keine Gebäude und Grundstücke erwerben.
§ 2 Weiterem Zuzug von Juden und Jüdinnen nach Alverdissen wird nicht stattgegeben.
§ 3 Juden wird jeglicher Handel in hiesigen Werkstätten untersagt.
§ 4 Juden haben auf Vergünstigungen, die seitens der Gemeinde gewährt werden, keinen Anspruch.
§ 5 Bauern, Handwerker, Geschäftsleute und andere Volksgenossen, die noch mit Juden Verkehr pflegen oder Juden und ihre Anhänger unterstützen, werden bei Vergebung von Gemeindearbeit oder Gemeindelieferung ausgeschlossen.
§ 6 Desgleichen können Volksgenossen, die den Verkehr oder Handel mit Juden noch nicht einstellen können, auf Unterstützung und Befürwortung von Gesuchen und Eingaben an staatl. oder andere Stellen nicht rechnen.
§ 7 Diese Bekanntmachung tritt mit dem der Bekanntmachung folgenden Tage in Kraft.
Vom rechtlichen Standpunkt aus gesehen, dürften derartig gefaßte Beschlüsse nicht zulässig sein. Sie bringen zudem auch mehr Schaden als Nutzen, da sie im Auslande immer wieder gegen Deutschland ausgenutzt werden und zu einem nicht unerheblichen Teile mit dazu beitragen, daß die Auslandsverbindungen der Firmen des hiesigen Bezirks, die teilweise außerordentlich wichtig sind, mehr und mehr erschwert, ja teilweise fast vernichtet werden. Der Herr Regierungspräsident in Minden wird deshalb auch für Aufhebung dieser Beschlüsse, soweit sie in seinem Bezirk gefaßt worden sind, Sorge tragen. Vom Lande Lippe dürfte dasselbe zu erwarten sein. Um derartige Aktionen künftig zu unterbinden, ist m.E. eine entsprechende Weisung des Herrn Reichsministers des Innern, die ja vertraulich ergehen könnte, notwendig. Man kann das, was man hier schwarz auf weiß zu Papier bringt, und zum Schaden Deutschlands in der Öffentlichkeit verbreitet, ebenso gut stillschweigend durchführen und im übrigen durch stete Erziehung auf die Volksgenossen einwirken. In dieser Hinsicht dürfte auch ein Vorschlag erwähnenswert sein, der hier aus Parteikreisen gemacht worden ist. Dieser Vorschlag geht mit Recht davon aus, daß die systematische Aufklärung über das Judentum und die Erziehung zu der notwendigen Haltung in der Judenfrage schon in der frühesten Jugend einsetzen muß. Deshalb wird vorgeschlagen, seitens des Herrn Reichserziehungsministers für alle deutschen Schulen in allen Klassen monatlich einige Unterrichtsstunden einzurichten, in denen nur die Judenfrage behandelt würde.
Störungen des Wirtschaftslebens waren auch im hiesigen Bereich zu verzeichnen durch das Fotografieren deutscher Volksgenossen, die in jüdischen Geschäften einkauften. Man berief sich hierbei darauf, daß ja derartige Fotografien in einzelnen Zeitungen, vor allem im Stürmer laufend veröffentlicht würden, ohne daß dagegen etwas seitens der Berliner Zentralstelle unternommen würde. Demnach müßte also das Fotografieren neuerdings gestattet sein. Gegen das Fotografieren wurde einmal Einspruch erhoben von Volksgenossen, die von auswärts kamen und behaupten, z.T. nicht zu Unrecht, daß sie überhaupt nicht gewußt hätten, daß sie in einem jüdischen Geschäft gekauft hätten, zumal ja eine Kennzeichnung der arischen Geschäfte bisher fehle. Es ist deshalb auch seitens der Gauleitung in Münster in Aussicht genommen, alle arischen Geschäfte durch ein kleines Plakat einheitlich zu kennzeichnen. Die Erwägungen hierüber schweben noch.
Die Beschwerden über das Fotografieren von Kundschaft kamen aber vor allem aus den Kreisen der Belegschaft der betroffenen Geschäfte, die sich zum weitaus größten Teil aus Ariern zusammensetzte. So hat z.B. ein jüdisches Kaufhaus in Höxter, bei dem in stärkerem Umfange fotografiert worden ist, eine Personalstärke von 25 Personen. Von diesen 25 Personen sind 24 Arier. Von diesen arischen Angestellten und Arbeitern, die z.T. einziger Ernährer der Familie sind, wird nun darauf hingewiesen, daß durch eine radikale Unterbindung des Geschäftsverkehrs ihre Entlassung unvermeidlich wäre. Bis jetzt hätte man ihnen aber noch keine neuen Arbeitsplätze in Aussicht stellen können. Es wird hierdurch einer der heikelsten Punkte bei der Lösung der Judenfrage berührt, nämlich die Erhaltung der Arbeitsplätze in den jüdischen Geschäften und die Erhaltung des in diesen Geschäften festgelegten Vermögens für das deutsche Volksvermögen. Man hat über dieses Problem in hiesigen Wirtschafts- und Parteikreisen in der letzten Zeit viel diskutiert und nach Mitteln und Wegen zur Lösung dieses Problems gesucht. Die meisten dabei gemachten Verschläge gehen darauf hinaus, die jüdischen Geschäfte vollkommen zu zerschlagen und den Verband des Einzelhandels zu verpflichten, die freiwerdenden Arbeitskräfte zu übernehmen. Mit dem völligen Zerschlagen der jüdischen Geschäfte würde ja deren Umsatz auf die arischen Geschäfte übergehen, da der Umsatz in einer Stadt im allgemeinen fast gleich bliebe. Erwägungen dieser Art sind z.B. hinsichtlich des Kaufhauses Alsberg in Bielefeld gepflogen worden. Ein anderer, auch viel diskutierter Vorschlag geht dahin, die bisherigen jüdischen Firmen weiter bestehen zu lassen, aber aus den Angestellten und Arbeitern eine Gesellschaft zu bilden, welche dieses Geschäft weiterführt. Dieser Vorschlag wird vor allem in Arbeiter- und Angestelltenkreisen vielfach besprochen, da er der Verwirklichung des Sozialismus am meisten diene.
Dabei muß bemerkt werden, daß diese Frage recht bald akut werden kann, da der Umsatz der jüdischen Geschäfte im hiesigen Bereich in der Berichtszeit vielfach gewaltig zurückgegangen ist, so daß eine ganze Reihe von Juden glaubt, ihre Geschäfte nicht mehr lange aufrecht halten zu können. Dieser Geschäftsrückgang hat unvermeidbare Rückwirkungen auch auf arische Geschäftsunternehmungen. So erhalten Fabrikanten und Lieferanten in allen Branchen Zuschriften jüdischer Geschäftsleute, in denen Aufträge annulliert werden und in denen angekündigt wird, man könne infolge des gewaltigen Geschäftsrückganges in absehbarer Zeit nicht zahlen. Hierzu kommt dann noch für die arischen Geschäftsleute aus den schon weiter oben angedeuteten Gründen, das immer weitere Nachlassen des Auslandsgeschäftes, das z.Zt. wohl auf die allgemeine Weltwirtschaftslage zurückzuführen ist, zu einem nicht unbedeutendem Teile aber auf die teilweisen Ausartungen des Kampfes gegen das Judentum. Es bestehen z.B. im jüdischen Bereich besonders starke Geschäftsverbindungen nach Holland. Verschiedenen Geschäftsleuten ist nun von der holländischen Kundschaft mitgeteilt worden, daß sie ihre bisherigen Geschäftsverbindungen nicht aufrechterhalten könnten, weil sie einen bedeutenden Teil jüdischer Kundschaft in Holland, England und Amerika usw. hätten, die ihrerseits ihre bedeutenden Geschäftsverbindungen abbrechen würden, wenn man weiter mit Deutschland handele. Aus diesem Grunde würde man seine Aufträge künftig nach England geben, selbst wenn die englischen Firmen teurer sein sollten.
Unter diesen Gesichtspunkten ist es auch von allen einsichtigen Parteistellen begrüßt worden, daß die immer mehr zunehmenden Ausschreitungen im Kampfe gegen das Judentum nunmehr durch ausdrückliche zentrale Weisung endgültig unterbunden worden sind. Angeregt durch Kampfesmethoden in den Nachbarbezirken sind in der Berichtszeit auch im hiesigen Bereich Ausschreitungen im Kampf gegen das Judentum vorgekommen. Zuerst begnügte man sich damit, in einzelnen Orten des Bezirks, z.B. in Minden, die Schaufensterscheiben jüdischer und z.T. auch arischer Geschäftsleute mit Plakate judenfeindlichen Inhalts zu bekleben. In der zweiten Hälfte des August ist es dann zu gröberen Ausschreitungen in Lübbecke, wie in Bösingfeld und Lage im Lande Lippe-Detmold gekommen. In Lübbecke wurden die Schaufenster mehrerer jüdischer Geschäfte mit Steinen eingeworfen. In Bösingfeld i/L. wurde ein dort wohnender jüdischer Arzt durch fingierten Telefonanruf spät abends zu einem angeblich Unfall verletzten gerufen und dann sein Auto an einer Kurve aus dem Hintergrunde mit Steinen beworfen. In Lage (Lippe) wurden schließlich auf dem jüdischen Friedhof nachts mehrere Grabsteine umgeworfen und in der Synagoge mehrere Beschädigungen vorgenommen. Die Täter sind in allen drei Fällen ermittelt und vorläufig in Schutzhaft genommen worden. Auf meine Tagesmeldung vom 19.8.35 I 1431 nehme ich Bezug.
Schließlich wurden in der Berichtszeit mehrere Personen wegen Rassenschande festgenommen und vorläufig in Schutzhaft genommen. Der größte Teil von ihnen ist inzwischen entlassen worden. Dabei sei bemerkt, daß auf Grund der vielen Presseveröffentlichungen über Festnahme wegen Rassenschande größere Teile der Bevölkerung von einer gewissen Rassenschandepsychose erfaßt wurden, sodaß man überall Rassenschande witterte und teilweise ein staatspolitisches Vorgehen wegen Rassenschande forderte auf Grund von Vorgängen, die z.T. viele Jahre zurücklagen. Man konnte es in diesen Bevölkerungskreisen auch nicht verstehen, daß alle von ihnen wegen Rassenschande benannten Personen nicht sofort auf lange Zeit in ein Konzentrationslager gebracht wurden. Allmählich ist jetzt auch hierin eine gewisse Beruhigung eingetreten.
Um Ausschreitungen in der Zukunft unter allen Umständen zu verhindern, haben Partei und SA nochmals, wie schon früher geschehen, in besonderen Verfügungen jede Einzelaktion strengstens verboten.
Wirtschafts- und Agrarpolitik [...]
Industrie
Die Seiden- und Plüschweberei des hiesigen Bezirks ist nicht voll beschäftigt und klagt über Arbeitsmangel. Der frühere erhebliche Export wird unter stattlichen Opfern in gewissen Maße jedoch aufrecht erhalten. Das Vorgehen gegen die Juden hat zu erheblichen Abstellungen von bereits erteilten Aufträgen geführt, wobei bemerkt wird, daß man nicht übersehen könne, wann Aufträge wiedergegeben [sic] werden können. [...]
Die Leinen- und Wäscheindustrie war im großen und ganzen leidlich beschäftigt, sodaß einzelne Firmen sogar zu Betriebserweiterungen schreiten konnten. In den letzten Wochen häufen sich allerdings Klagen über mangelnden Auftragseingang. Erteilte Aufträge von jüdischen Firmen werden annulliert. Jüdische Firmen versenden z.Zt. Schreiben an die Wäsche- und Seidenfabrikanten, in denen sie Aufträge infolge mangels an Absatz durch die Propaganda gegen die Juden zurückziehen und gleichzeitig erklären, daß es ihnen leider nicht möglich sei, pünktlich Zahlung zu leisten oder die Möglichkeit der Zahlung für absehbare Zeit zu übersehen.
Von verschiedenen hiesigen Firmen wird versucht, jüdische Geschäfte aufzukaufen, um eine Basis für Absatz zu haben. So hat z.B. eine Bielefelder Firma die Absicht, einen jüdischen Textilkonzern mit 20 Geschäften in Berlin zu erwerben. [...]
Kulturpolitik
Presse [...]
Der wieder erschienen ''Stahlhelm'' benutzt die Gelegenheit seines Wiedererscheinens dazu, nun auch seinerseits die allgemeine Bewegung gegen die Juden mitzumachen, was man bisher von ihm nicht gewöhnt war. Man nimmt deshalb dieses Vorgehen in seinen weit verbreiteten Leserkreisen mit Erstaunen zur Kenntnis.
NSDAP und ihre Gliederungen
Die Arbeit in den nationalsozialistischen Gliederungen stand in der Berichtszeit im Zeichen des Kampfes gegen das Judentum und den politischen Katholizismus.