Die Gestapo berichtet aus Wilhelmshaven
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Aurich erstattet folgenden Lagebericht für Juli 1935 aus Wilhelmshaven:
Über die judenfeindlichen Demonstrationen in Norden beziehe ich mich auf meine Berichte B.Nr. 1485/35 vom 27. und 30. Juli ds. Js.
Auch in Wilhelmshaven hat sich der Boykott gegen jüdische Personen und Geschäfte in der letzten Woche außerordentlich verschärft und es ist verschiedentlich zu Ausschreitungen gekommen.
Vor dem Hause des jüdischen Großkaufmanns [N.N.a], [...], waren vor dem Eingang auf dem Bürgersteig in der Nacht vom 20. zum 21.7.1935 mit weißer Farbe folgende Zeilen niedergeschrieben worden: ''Eingang zum Institut für Rassenschande , Behandlung diskret; eigenes Rezept, langjährige Praxis.'' Veranlassung zu diesen Zeilen hat das langjährige Verhältnis des [N.N.a] mit der Tochter des Geheimrates a.D. [N.N.b] gegeben, welche einige Häuser von [N.N.a] entfernt in dem Hause [...] wohnt. Vor ihrem Hause waren auf dem Bürgersteig die Worte geschrieben worden: ''Hier wohnt die Juden-Hure.'' [N.N.a] und die [N.N.b] haben anläßlich dieser Ausschreitungen die Flucht ergriffen. Ihr Aufenthalt ist z. Zt. unbekannt.
Einige Tage später, in der Nacht vom 26. zum 27.7.1935 waren an das Haus des [N.N.a] ein Transparent angebracht mit der Aufschrift: ''Ein verreckter Hund, ein krepiertes Schwein und ein Jud'- all' überein.'' Das Transparent wurde auf polizeiliche Anordnung entfernt.
Am 27.7.1935 fand eine Polizeistreife gegen 5 Uhr morgens an der Tür der Synagoge auf einem Brett festgenagelt einen Schweinskopf. An dem Griff einer Seitentür war ein Schweineschwanz und an dem Griff einer anderen Seitentür das Geschlechtsteil eines weiblichen Schweines befestigt. Die Entfernung der Gegenstände wurde sofort veranlaßt; die Täter konnten nicht ermittelt werden.
Am 28.7.1935 wurde von einer Privatperson mitgeteilt, daß vor dem Geschäftslokal der Ortsgruppe ''Süd'' der NSDAP eine lebensgroße Puppe aufgehängt worden sei mit der Aufschrift: ''So müssen alle Juden enden, die unsere Frauen schänden.'' Auf polizeiliche Anordnung wurde die Puppe beseitigt.
Am 29.7.1935 beim Beginn des Saison-Ausverkaufs hatten sich bei dem jüdischen Geschäft Wallheimer in der Gökerstraße eine größere Menge Kauflustiger eingefunden. Diese wurden von Personen, welche Plakate mit der Aufschrift trugen: ''Deutsche kauft nicht bei Juden'', vom Betreten des Geschäfts zurückgehalten. Es hatten sich auch mehrere Photographen eingefunden, welche die das Geschäftslokal von Wallheimer verlassenden Personen photographieren wollten. Ob Aufnahmen gelungen sind, konnte nicht festgestellt werden, weil die Photographen sich beim Eintreffen der Polizei entfernten.