Die Polizeidirektion Augsburg berichtet
Die Polizeidirektion Augsburg erstattet am 1. August 1935 folgenden Lagebericht für Juni und Juli 1935:
In der Nacht vom 5./6.6.1935 wurde in dem jüdischen Tuchversandgeschäft Weinberger & Bissinger, D 284 hier, ein Auslagefenster durch einen Steinwurf zertrümmert. Die Tat geschah nach dem Ergebnis der bisherigen Erhebungen nach 1 Uhr morgens. Von den Tätern fehlt zunächst jede Spur. Der Schaden beträgt etwa 600-800 RM.
In der Nacht vom 18./19.7.1935 schmierten bisher unbekannt gebliebene Täter an die Schaufenster mehrerer jüdischer Firmen mit weißer Farbe in ungefähr 50 cm großen Buchstaben das Wort ''Jude'', das sie zwischen zwei Pfeile setzten. Bei der weißen Farbe handelte es sich um eine ätzende Flüssigkeit, die mit Kieselsäure vermengt war und sehr schwer vom Glas entfernt werden konnte. Den betreffenden Firmen ist deshalb ein beträchtlicher Schaden entstanden. Die Nachforschungen in den Geschäften, in denen Kieselsäure verkauft wird, sind im Gange. Die angebrachten Aufschriften an den Schaufenstern der Juden werden z. Zt. mittels Glasschleifapparaten entfernt. Die meisten Leute, die hier zusehen, äußern sich sehr mißbillig über ein derartiges unsinniges Vorgehen gegen die Juden. Es konnte auch beobachtet werden, wie die Angehörigen ausländischer Reisegesellschaften, die z. Zt. zahlreich nach Augsburg kommen, Anstoß an dem Beschmieren der jüdischen Geschäfte nehmen. Zweifellos ist ein solches Vorgehen geeignet im Auslande gegen Deutschland Stimmung zu machen. Zuletzt wird dadurch das deutsche Volksvermögen geschädigt, da die Juden allgemein gegen die Beschädigung ihrer Schaufenster versichert sind und deshalb die Versicherungen für den Schaden aufzukommen haben.
Im Interesse des Ansehens von Staat und Partei dürfte es unbedingt erforderlich sein, auf die maßgebenden Parteidienststellen einzuwirken, daß sie ihren Leuten ein derartiges Vorgehen in Zukunft verbieten.
In der Nacht zum 30.7.1935 wurden die Firmenschilder der jüdischen Rechtsanwälte Strauß und Adler am Anwesen D 196 hier von unbekannten Tätern beschädigt.
Am 18. und 19.7. wurden durch den SD Dienst [sic] des Oberabschnittes Süd bei der hiesigen israelitischen Kultusgemeinde und in den Räumen der Synagoge Durchsuchungen nach staatsfeindlichem Material vorgenommen. Es wurden hierbei Privatkorrespondenz, aus der ein Schriftwechsel mit Emigranten zu entnehmen war, und Bücher staatsabträglichen Inhalts sichergestellt.
Aus diesen Vorgängen ist zu entnehmen, daß hier in letzter Zeit in erheblichem Maße gegen die Juden vorgegangen wird.
Ausländer, Spionage, Landesverrat
In den Monaten Juni und Juli 1935 nächtigten in den hiesigen Hotels und Gaststätten 1.049 Ausländer. (...) Die Ausländer, die sich besonders auch für die Industrie interessieren, rühmen die Ordnung und Disziplin in Deutschland. Vor allem bewundern sie den Beschäftigungsgrad. Gefragt wird auch immer noch nach den konfessionellen Auseinandersetzungen in Deutschland. Häufig besprochen wird die neue Verschärfung in der Judenfrage . Die Mehrzahl der Ausländer hält die Maßnahmen, über die sie durch die internationale Presse ausführlich und zum Teil einseitig unterrichtet werden, nicht für glücklich.