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Chronik und Quellen
1935
Juni 1935

Bericht aus Bad Kreuznach

Der Landrat des Kreises Bad Kreuznach erstattet am 28. Juni 1935 folgenden Lagebericht für Juni 1935:

Die innenpolitische Lage könnte wesentlich dadurch gefördert werden, wenn in der politischen Schulung mehr als bisher die großen politischen Ziele in einer intensiven Aufklärungsarbeit behandelt würden, damit die Staatsführung nicht in Zeiten hochpolitischer Verhandlungen durch irgendwelche Unbesonnenheiten gestört, sondern im Gegenteil durch einen einmütigen und gleichgerichteten Volkswillen unterstützt wird. Ich erinnere hier an die bekannten Judenboykottmaßnahmen, die in einer Zeit einsetzten, als sie außenpolitisch gesehen, am wenigsten tragbar waren. Auch jetzt machen sich wieder Anzeichen bemerkbar, daß die Frage des Judenboykotts erneut von der Partei vorangetrieben werden soll. So habe ich in zwei Fällen angeordnet, daß Schilder bezw. Transparente mit der Aufschrift ''Die Juden sind unser Unglück'' zu entfernen sind, wo sie auf kommunalen Grundstücken oder an kommunalen Gebäuden angebracht sind. Die Partei hat in einem Falle sich heftig dagegen gewehrt, wobei mir der Kreisleiter gleichzeitig erklärte, daß er Anweisung gegeben hätte, daß nunmehr in sämtlichen Orten des Kreises am Eingang ähnliche Schilder angebracht werden sollen. M.E. stehen unsere Anweisungen, insbesondere die mündliche des Herrn Oberpräsidenten Terboven vom 30. Mai 1935 dem entgegen. Ich werde noch einen Sonderbericht vorlegen, da ich den augenblicklichen Zustand für Partei und Behörde für untragbar halte, während der Jude, dem dieser Zustand nicht verborgen bleibt, sich ins Fäustchen lacht und die Situation ausnutzt.

 

Juden, Freimaurer

Außer den bekannten Vorfällen in Bad Kreuznach und in Jeckenbach-Meisenheim, über die ich bereits eingehend berichtete sind weitere Ausschreitungen gegen Juden nicht vorgekommen. Die Versammlungstätigkeit der jüdischen Organisationen hat im Berichtsmonat nachgelassen.

Die Boykottmaßnahmen hatten im übrigen nicht die Wirkung, die beabsichtigt wurde. Die Bevölkerungskreise, die derartige Ausschreitungen grundsätzlich verurteilen, neigen vielfach dazu die Juden zu bemitleiden, was diese sich natürlich sofort zunutze machen. Der Umsatz der jüdischen Geschäfte insbesondere auf dem Lande, ist in keiner Weise zurückgegangen.

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