Die Gestapo berichtet
Die Gestapo des Regierungsbezirks Schleswig berichtet über den Monat Juni 1935 aus Kiel:
Die Zionistische Bewegung ist die einzige jüdische Organisation, die in der Berichtszeit hervorgetreten ist. Neuerdings haben die Zionisten in Kiel die Genehmigung zur Errichtung eines weiteren Berufsumschichtungsheimes für etwa 25 Jugendliche nachgesucht. Ein anderes derartiges Lager besteht bereits auf dem Gute ''Jägerslust'' im Stadtkreis Rendsburg, wo junge Juden beiderlei Geschlechts in der Landwirtschaft für eine spätere Auswanderung nach Palästina ausgebildet werden.
Sonstiges (…)
In den letzten Tagen des Berichtsmonats konnte festgestellt werden, daß, ebenso wie im Vorjahre, zahlreiche Juden aus Deutschland die dänischen Bade- und Kurorte besuchen. Bevorzugt wird das dänische Nordseebad Fanö an der Westküste Jütlands. Am 27.6.1935 wurden etwa 40 jüdische Kinder von 8 jüdischen Erwachsenen nach Fanö gebracht, wo sie 5 Wochen bleiben sollen. Die Kinder stammten aus Berlin-Wilmersdorf und waren rumänischer oder polnischer Staatsangehörigkeit, zum Teil auch staatenlos. Die erwachsenen Begleiter der Kinder waren alle im Besitz von Reiseschecks über je 500 RM. Außerdem führten sie Bargeld in Höhe von 100 RM bis 120 RM mit sich. Das Bargeld wurde ihnen bis auf den zulässigen Betrag von 10 RM von den Zollbeamten abgenommen und in Verwahrung genommen. Außer dieser Reisegesellschaft sind in den letzten Tagen etwa 15 Juden mit Reiseschecks in voll zulässiger Höhe nach Dänemark ausgereist. Für den Besuch des Nordseebades Fanö ist die nächste Grenzübergangsstelle der noch nicht mit Staatspolizeibeamten besetzte Bahnhof Süderlügum. Es ist anzunehmen, daß der Hauptverkehr der Juden diesen Weg nimmt, weil dorthin auch der direkte Verkehr mit den Westerländer Bäderzügen bis Niebüll am günstigsten ist.