Die Gestapo berichtet
Die Gestapo Erfurt berichtet am 3. Juli 1935 über den Monat Juni 1935:
Im Berichtsmonat sind die Juden nicht besonders in Erscheinung getreten. Am 5. Juni ds. Js. wurde durch einen Beamten der hiesigen Dienststelle eine Mitgliederversammlung der hiesigen Zionistischen Ortsgruppe aufgelöst, weil eine polizeiliche Anmeldung nicht erfolgt war. In dieser Versammlung sollte der Jude Hardy Fränkel aus Leipzig über das Thema ''Der Weg der jüdischen Jugend'' sprechen. Dem Beamten war nicht bekannt, daß es sich um eine Veranstaltung der Zionistischen Ortsgruppe handelte. Der Vorsitzende dieser Vereinigung hat zugesagt, seine Versammlungen künftig rechtzeitig anzumelden.
Die Zionistische Ortsgruppe Nordhausen hielt am 4.6.1935 ihre Monatsversammlung ab. Frau Sybille Ahlfeld sprach über den jüdischen Schriftsteller Gardon. Weiterhin behandelte sie das Zusammenleben der Juden und Araber in Palästina . Am Ende ihrer Ausführungen erklärte sie, daß der Jude ein neues Leben beginnen müsse und künftig nur durch seiner Hände Arbeit bestehen könne.
Am 20.6.1935 wurde von den Repräsentanten der jüdischen Gemeinde in Nordhausen eine Versammlung abgehalten. Der Vorsitzende, Dr. Gutmann - Nordhausen, berichtete über das jüdische Umschulungslager in Magdeburg. Da dort große Not herrsche, wurde von der jüdischen Gemeinde eine einmalige Spende von 25 RM bewilligt. Weiterhin gab Dr. Gutmann bekannt, daß in Magdeburg eine jüdische Provinzialschule mit Internat errichtet werden solle. Auf dieser Schule sollte die jüdische Jugend weltanschaulich geschult werden. Da die Amtszeit der Repräsentanten der jüdischen Gemeinde in diesem Jahre abläuft, wurde ein Antrag angenommen, die Amtszeit um weiteres Jahr zu verlängern und die Genehmigung des Regierungs-Präsidenten in Erfurt hierzu nachzusuchen.
Die jüdischen Jugendgruppen veranstalteten im Berichtsmonat mehrere Heimatabende und Wanderungen. In Erfurt ist die Arbeit der jüdischen Sportorganisationen z.Zt. lahmgelegt, weil der Magistrat infolge anderweitiger Verwendung der städtischen Turnhallen seine Genehmigung zur Benutzung derselben zurückgezogen hat.
Die im Vormonat festgestellte günstige Geschäftslage der jüdischen Kauf- und Warenhäuser hat auch im Berichtsmonat weiter angehalten. Auffallend ist, daß neben der Masse der Arbeitsbevölkerung auch hauptsächlich Beamte ihre Bedürfnisse in den jüdischen Warenhäusern decken. Die von dem jüdischen Kaufhaus zum ''Römischen Kaiser'' in Erfurt herausgegebenen Preislisten zeigen, daß u.a. die Fleisch- und Wurstpreise um rd. 20 Pfennige pro Pfund unter den Ladenpreisen des hiesigen Fleischergewerbes liegen.