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Chronik und Quellen
1935
Juni 1935

Die Gestapo berichtet

Die Gestapo des Landespolizeibezirks Berlin berichtet für den Monat Juni 1935:

In der Judenbewegung sind im Berichtsmonat dieselben Erscheinungen wie in den vorhergegangenen Monaten beobachtet worden. Die Juden tragen ein erstaunlich unbekümmertes und anmaßendes Verhalten zur Schau und fühlen sich offenbar völlig sicher. Deutsche Volksgenossen betrachten sie anscheinend in jeder Hinsicht als Freiwild. Es ist daher auch im vergangenen Monat zu einer großen Anzahl empörender Vorfälle gekommen, die allerdings insofern ihr Gutes haben, als der Bevölkerung sichtlich immer mehr die Augen geöffnet werden und die Judengegnerschaft ständig zunimmt. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, wenn die Bevölkerung zuweilen ihrer Empörung Ausdruck gibt und zu Selbsthilfemaßnahmen schreitet.

Die Staatspolizeistelle ist bemüht, derartige Zwischenfälle nach Möglichkeit schon im außenpolitischen Interesse zu verhindern. Auf der anderen Seite wird jedoch bei Anzeigen gegen Juden in energischer Weise durchgegriffen. Ein enges Zusammenarbeiten mit dem Gau Groß-Berlin hat sich hierbei besonders bewährt.

Großes Aufsehen hat der Fall [N.N.a] hervorgerufen.

Der Jude [N.N.a] näherte sich der bei ihm tätigen Hausangestellten [N.N.b] in unsittlicher Weise und forderte sie auf, mit ihm in Geschlechtsverkehr zu treten. Als die [N.N.b] dieses Ansinnen zurückwies, versuchte [N.N.a] sie zu vergewaltigen. Des weiteren hat [N.N.a] sich sehr unsozial gegen die [N.N.b] verhalten, indem er sie beleidigt und auf jede Art schikanierte. Auch hat die [N.N.b] angegeben, daß [N.N.a] sie ins Gesicht geschlagen habe. [N.N.a] befindet sich z.Zt. noch in Schutzhaft im Columbiahaus.

Es werden immer noch Fälle bekannt, in denen sich Arierinnen den Juden hingeben und intimen Verkehr mit ihnen pflegen.

Die Staatspolizeistelle bemüht sich durch eindringliche Vorhaltungen gegenüber dem jüdischen Partner und Aufklärung des arischen Teiles, derartige rassenschänderische Verhältnisse zu verhindern. Soweit die gesetzlichen Grundlagen ausreichten, wurden die betreffenden Juden in Schutzhaft genommen.

Hier wäre eine regere Aufklärung der Volksgenossen erforderlich, zumal bisher keine gesetzlichen Bestimmungen vorhanden sind, die grundsätzlich Eheschließungen zwischen Ariern und Nichtariern verbieten.

Der Pforzheimer Anzeiger bringt zu dieser Frage folgende interessante Entscheidung des dortigen Standesbeamten:

Ein Arier hatte sich zur Eheschließung mit einer Jüdin vor dem Standesamt angemeldet. Das Standesamt lehnte die Eheschließung auf Grund des neuen Wehrmachtgesetzes ab, nach dem den Angehörigen arischer Abstammung der Wehrmacht und des Beurlaubtenstandes das Eingehen der Ehe mit Personen nichtarischer Abstammung verboten sei. Angehörige seien nicht nur Soldaten, die aktiv dienten, sondern auch Angehörige des Beurlaubtenstandes und der Ersatzreserve.

Die Propagandatätigkeit des ''Stürmer '' hat erheblich zugenommen und gute Erfolge gezeitigt.

Diese Zeitschrift dient nicht nur der Aufklärung der Bevölkerung, sondern hat es den Juden offenbar ganz besonders angetan. In ihrer maßlosen Wut vergreifen sie sich immer wieder an einzelnen Exemplaren oder Ausschnitten der Zeitung, um sie zu vernichten. So wurde z.B. die Jüdin Gertrud Penzias, geborene Jakobsohn, 10.11.76 in Dresden geboren, wegen ihres staatsfeindlichen Verhaltens in Schutzhaft genommen. Sie hatte unter anderem einen Ausschnitt aus dem Stürmer, der an einem Straßenbahnmast befestigt war, abgerissen und vernichtet.

Desgleichen wurde der jüdische Arzt Dr. Hans Goldberg in Schutzhaft genommen, weil er durch den Rechtsanwalt Dr. Moschel eine einstweilige Verfügung auf Beseitigung eines Stürmerkastens erwirkt hatte, der dem Drogisten, Parteigenossen Opitz gehörte und neben dem Schild des Dr. Goldberg am Hauseingang angebracht war. Das Gericht hatte seine Entscheidung damit begründet, daß der ''Stürmer'' eine ''Beschimpfung'' des Dr. Goldberg darstelle!

Eine besonders staatsfeindliche Gesinnung zeigte die Jüdin [N.N.c], die sich in maßlosen Beschimpfungen erging und öffentlich zu Volksgenossen sagte: ''Die Hakenkreuzfahne sei besser dazu geeignet, die Klosettbrille abzuwischen, denn man spare dadurch Handtücher.''

Weiterhin beleidigte sie den Herrn Ministerpräsidenten General Göring , als man ihr ein Hochzeitsbild zeigte, indem sie den General Göring als ''vollgefressenes Schwein'' bezeichnete. Zur Charakterisierung dieser Jüdin sei erwähnt, daß sie der Charlottenburger Sittenpolizei bestens bekannt ist. Sie wurde bis auf weiteres in Schutzhaft genommen.

Die Jüdin und Hausbesitzerin Betty Nossen, geborene Landsberger, Berlin-Grunewald, Caspar-Theiss-Strasse 3 wohnhaft, versuchte durch Schikane Parteigenossen aus ihrem Hause zu entfernen. Sie wird ferner beschuldigt, absichtlich Rauch (Oxydgase) in die Wohnung des Parteigenossen Tunch geleitet zu haben. T. erkrankte auch, einer seiner Hunde starb. Sie wurde in Schutzhaft genommen.

In der zweiten Hälfte des Berichtsmonats ist es mehrfach zu größeren Ansammlungen und Demonstrationen gegen jüdische Geschäfte, insbesondere gegen jüdische Eisdielen gekommen. Die Demonstranten setzten sich nach den Feststellungen zum Teil aus Nicht-Parteiangehörigen bezw. staatsfeindlichen Elementen zusammen. In anderen Fällen wurde beobachtet, daß Ansammlungen von Angehörigen der HJ ausgingen. Den Käufern wurde beim Verlassen der Geschäfte die Ware aus der Hand geschlagen, ferner versuchte man, durch Sprechchöre, wie ''kauft nicht bei Juden'', das Publikum von dem Besuch der Eisdielen fernzuhalten. Zur Herstellung der Ruhe und Ordnung wurde die zuständige Revierpolizei und zum Teil auch das Überfallkommando herangezogen. Es hat sich jedoch nicht vermeiden lassen, daß jüdische Geschäfte vorübergehend geschlossen werden mußten; mehrere Personen, die sich an den Demonstrationen beteiligten, wurden zwangsgestellt. Es handelt sich in der Mehrzahl um Angehörige der HJ; gegen sie wird vom Gau Groß-Berlin im Disziplinarwege vorgegangen werden.

Von dem Gau Groß-Berlin wurde auf Antrag der Staatspolizeistelle zur Verhinderung solcher Demonstrationen bei allen Kreisleitungen ein Dauerdienst eingerichtet, dem über die Vorkommnisse, die in unmittelbarem Zusammenhang mit derartigen Demonstrationen stehen, sofort Meldung zu geben ist und der in engster Fühlung mit der Polizei arbeitet. Ferner hat die SA -Gruppe Berlin-Brandenburg und die HJ durch Tagesbefehl vom 25.6.1935 ihren Angehörigen die Teilnahme an Demonstrationen gegen Juden in Uniform und Zivil unter Androhung strengster Strafen untersagt.

Auch im vergangenen Monat hat das Hissen der Reichsflaggen durch Juden Anlaß zu erheblichem Ärgernis gegeben.

Nach der z.Zt. getroffenen Regelung ist es größeren Betrieben auch wenn sie sich in jüdischen Händen befinden, unter Umständen gestattet, die NSBO -Flagge oder - auf Wunsch der Belegschaft - die Hakenkreuzfahne zu hissen. Von der letzten Möglichkeit wird fast durchweg Gebrauch gemacht, und zwar auch von Seiten solcher Firmen, die bisher nicht gewagt hatten, die Hakenkreuzfahne zu zeigen. Die Belegschaften fordern deren Hissung schon deshalb, weil sie fürchten, der Betrieb könnte beim Hissen der NSBO -Flagge als jüdischer erkannt und deshalb boykottiert werden.

Die durch den Erlaß des Reichsministers des Innern vom 27.4.1935 beabsichtigte Beruhigung ist keineswegs eingetreten, die Lage hat sich vielmehr verschlimmert.

Es wird einfach nicht mehr von der Bevölkerung verstanden, daß die Flaggen des Reiches von Staatsfeinden gezeigt und zur Tarnung der in jüdischen Händen befindlichen Betriebe mißbraucht werden dürfen. In verschiedenen Fällen ist es vorgekommen, daß Volksgenossen, die bisher einen jüdischen Betrieb bei ihren Einkäufen mieden, nunmehr bei dem Anblick der Hakenkreuzfahne glaubten, sich in dem Inhaber getäuscht zu haben und daher in dem Geschäft kaufen zu dürfen.

Die Flaggenfrage bedarf deshalb dringend einer Regelung in dem Sinne, daß es allen Nichtariern verboten ist, die Reichsflaggen zu hissen, und daß auf Verlangen der Belegschaft allenfalls die NSBO -Flagge gezeigt werden darf. Eine derartige Regelung würde nicht nur der Forderung der Bevölkerung Rechnung tragen, sondern auch in hervorragendem Maße geeignet sein, den Wirtschaftskampf gegen die jüdischen Geschäfte zu unterstützen.

Im Berichtsmonat sind mehrere jüdische Versammlungen auf Grund des Gestapa - Erlasses vom 10.2.1935 - II 1 B 2 60934/I. 191/35 - geschlossen worden. In allen Fällen handelt es sich um die Vereinigung Nationaldeutscher Juden , die ganz offen zum Verbleiben in Deutschland auffordern.

Die Jüdische Rundschau vom 6.6.1935 teilt mit, daß im Monat Mai 4.110 Personen nach Palästina ausgewandert seien, unter ihnen hätten sich 350 Einwanderer der Kapitalisten-Klasse befunden. Im ganzen seien bis jetzt etwa 50.000 Personen in Palästina eingewandert.

Im Monat Juni haben 2.281 Versammlungen stattgefunden, von denen nur 45 beobachtet werden konnten, da die der Staatspolizeistelle zur Verfügung stehenden Kräfte völlig unzureichend sind. Auch für die Bearbeitung der Judenangelegenheiten stehen, wie überhaupt allgemein festzustellen ist, zu wenig Beamte zur Verfügung.

 

Emigranten

Im Monat Juni sind 52 zum größten Teil jüdische Rückwanderer aus Frankreich, Holland, Rußland und der Tschechoslowakei zurückgekommen. Sie sind im Sinne des Erlasses des Gestapa vom 28.1.1935 vernommen worden. Vier Personen sind als Emigranten in ein Schulungslager überführt worden, während die anderen, soweit sie Emigranten waren, es vorgezogen haben, Deutschland wieder zu verlassen.

Die übrigen hatten sich lediglich geschäftlich und besuchsweise im Auslande aufgehalten, so daß gegen ihre Rückkehr und ihr Verbleiben in Deutschland seitens der Behörde keine Bedenken bestanden.

 

Die Bewegung und ihre Organisationen
Parteiangelegenheiten

Über SA- und SS -Übergriffe ist nichts Neues zu berichten. Sie halten sich ungefähr auf der Höhe der übrigen Berichtsmonate.

In letzter Zeit mehren sich die Fälle an, in denen Parteigenossen, sogar solche mit dem goldenen Parteiabzeichen, für inhaftierte Juden eintreten und ihre Beziehungen zu den höchsten Parteidienst- und staatlichen Stellen auszunützen suchen. Die Anwälte, die Mitglied des Nationalsozialistischen Deutschen Juristenbundes sind, sollen angeblich vom NSDJB die ausdrückliche Erlaubnis haben, Juden vor der Staatspolizei zu vertreten. (Aussage des Rechtsanwalts Dix).

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