Bericht aus Erkelenz
Der Landrat des Kreises Erkelenz berichtet am 31. Mai über den zurückliegenden Monat:
Im Kreisgebiet, in dem 130 Juden, davon die Hälfte in der Kreisstadt, wohnen und in dem 15 jüdische Geschäfte bestehen, wurden im Berichtsmonat Boykottmaßnahmen beobachtet. Worauf diese zurückzuführen waren, konnte nicht festgestellt werden. In den meisten Fällen wurde die wirtschaftliche Propaganda gegen die Juden in Form von Einzelaktionen durchgeführt. So wurde in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai 1935 auf der Häuserfront der Juden Gebr. Salm in Wegberg Aufschriften mit Ölfarbe angebracht wie: ''Juda verrecke, Auf nach Palästina ''. Auf die über diesen Sachverhalt vorgelegten Sonderberichte vom 15. und 16. Mai 1935 nehme ich Bezug. In Erkelenz wurde ebenfalls durch Einschlagen von Fensterscheiben Anschläge gegen jüdische Geschäfte verübt. Die Täter konnten nicht ermittelt werden. Die der Polizei durch diese unsinnigen Einzelaktionen entstehende Mehrarbeit ist bedeutend. An allen jüdischen Geschäften sind ferner rote Klebezettel angebracht worden. Die Zettel zeigen einen abstoßenden Judenkopf mit der Umschrift: ''Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter''. Das einheitliche Anbringen dieser Papierplaketten, das auch an zahlreichen anderen Stellen und auch in behördlichen Räumen erfolgt ist, verrät eine gewisse Organisation, zumal es in gleicher Weise auch in den Nachbarbezirken vor allem München-Gladbach [sic] und Düsseldorf beobachtet worden ist. Sinn und Wirkung der Plakette ist klar. Es mag sein und ist sogar wahrscheinlich, daß unverantwortliche Elemente durch diese Hetze gegen das Judentum zu den erwähnten Einzelaktionen gegen jüdische Geschäfte veranlaßt worden sind. Es muß in diesem Zusammenhang auch auf die Wirkung der im Kreise verbreiteten Wochenzeitung ''Der Stürmer '' hingewiesen werden. Mit Rücksicht auf das nahe Ausland bedeuten die Boykottmaßnahmen eine große außenpolitische Gefahr, da den Ausländern hierdurch das Verständnis für den Sinn der deutschen Rassepolitik sehr erschwert wird. Es ist verständlich, wenn Ausländer bei solchen Boykottmaßnahmen es nicht verstehen können, daß die deutsche Rassegesetzgebung nur den Sinn hat, der eingetretenen übermäßigen Überfremdung Einhalt zu gebieten, und wenn im Ausland bei solchen aus Haß geborenen Handlungen die Annahme aufkommt, die deutsche Rassegesetzgebung beruhe ebenfalls auf Haß gegen fremde Rassen, insbesondere auf Haß gegen das Judentum. Da die Anweisungen der Zentralstellen wirtschaftliche Propaganda gegen Juden untersagen, wurden die Übergriffe in allen Fällen beschleunigt abgestellt. Bürgermeister und Gendarmerie haben strenge Anweisung, neue Übergriffe zu verhüten.