Menü
Chronik und Quellen
1935
Mai 1935

Die Poizeidirektion München berichtet

Am 4. Juni 1935 erstattet die Münchener Polizeidirektion folgenden Monatsbericht für Mai 1935:

Allgemeine politische Lage

Der Monat Mai hatte im Vergleiche zum Vormonat in politischer Hinsicht Bewegung unter die Bevölkerung gebracht.

Die Vorfälle am 18.5.35, die zum Verbot der Karitassammlung in München führten, sowie die Auswüchse, die sich im Verlaufe des Monats, besonders aber am 18.5.35 und am 25.5.35 im Rahmen der in der letzten Zeit mit übergroßem Auftrieb von nicht berufenen Elementen vorwärtsgetriebenen Boykottbewegung der jüdischen Geschäfte ereignete, fanden wohl in einem Teile der Bevölkerung Zustimmung. Der ruhige und besonnene Teil jedoch hielt sich von dieser überlaut betriebenen, stellenweise auch von staatsfeindlichen Hetzern geschürten Art von Antisemitismus fern. Über diese Vorkommnisse wird unter den Abschnitten ''Katholische Kirche'' und ''Boykott jüdischer Geschäfte'' noch ausführlich berichtet. (…)

 

Vorfälle am 18. Mai 1935

Als das Verbot der Karitassammlung in der Stadt bekannt geworden war, legte sich die Unruhe unter der Stadtbevölkerung an den meisten Stellen. Gegen 18.00 Uhr liefen sodann Meldungen ein, wonach sich im Rosental in Höhe der Kaufhäuser Uhlfelder und EPA eine größere Menschenmenge gebildet hatte. Näherer Bericht über diese Vorkommnisse erfolgt im Abschnitt ''Boykott der jüdischen Geschäfte''.

Im Zusammenhang mit den Vorfällen am 25.5.35 (Boykott der jüdischen Geschäfte) wurden gegen 22 Uhr des gleichen Tages noch schwere Ausschreitungen im Kath. Gesellenhaus an der Schommerstraße gemeldet. Die Täter waren Angehörige der politischen Verfügungstruppe. Der SA - und SS -Streifendienst brauchte zur Behebung des Vorfalles nicht mehr tätig zu werden, da Herr Gauleiter und Innenminister Adolf Wagner mit SS-Gruppenführer Schmauser sich selbst am Tatort einfanden und die Ordnung wieder herstellten. Die Täter wurden durch SS-Gruppenführer Schmauser festgenommen und in die Unterkunft der Verfügungstruppe verbracht. (…)

 

Boykott der jüdischen Geschäfte (…)

Am 18.5.35 ereigneten sich aus Anlaß der Sammlung des Deutschen Karitasverbandes Kundgebungen und Zwischenfälle auf der Straße, so daß die Weiterführung der Sammlung verboten werden mußte. Im Anschluß hieran kam es auch zu Zwischenfällen vor jüdischen Geschäften.

Der Inhaber des jüdischen Wäschegeschäftes Raff, Dienerstraße 22, ersuchte um 15.15 Uhr fernmündlich um polizeilichen Schutz, da seine Kunden belästigt und seine Schaufenster mit einer ätzenden Flüssigkeit beschmiert würden. Die Nachprüfung ergab, daß eine Belästigung der Einkäufer und eine Beschmierung der Schaufenster nicht stattfand.

Kurz vor 18.00 Uhr wurde vom Polizeibezirk 1 im Rosental zwischen den Kaufhäusern Uhlfelder und EPA eine größere Menschenansammlung gemeldet. Der Verkehr war vollkommen lahmgelegt. Fußgänger hatten bereits an den Kaufhäusern die Rolladen herabgezogen. Das Überfallkommando rückte aus, hat aber in keiner Weise eingegriffen und kehrte sofort wieder zurück. Kurz nach 18 Uhr erfolgten rasch hintereinander Anforderungen des Überfallkommandos durch jüdische Geschäfte und zwar Bach, Sendlinger Straße, Rothschild, Färbergraben Ecke Sendlinger Straße, Elko, Färbergraben, und Eichengrün, Karmeliterstraße. Weiterhin bat die Geschäftsleitung des Konfektionshauses Bamberger & Hertz in der Kaufinger Straße um Schutz. Das Überfallkommando wurde nicht mehr eingesetzt, jedoch der Führer des Streifendienstes beauftragt, beruhigend auf die Anführer der einzelnen Ansammlungen einzuwirken. Die Menschenansammlungen haben sich daraufhin auch allmählich aufgelöst. Es erfolgten in keinem Falle Sachbeschädigungen oder Tätlichkeiten. Die meisten der genannten jüdischen Geschäfte entschloß [sic] sich, trotzdem etwa gegen 18.45 Uhr die Geschäfte zu schließen. Dies wurde jedoch in keinem Falle von der Polizeidirektion angeordnet.

An Vorkommnissen gegenüber Juden ist noch zu erwähnen, daß der polnische Staatsangehörige Michael Weiss (geb. 17.11.09 in Tarnow in Polen) nach einem kurzen Wortwechsel, bei dem er sich herausfordernd benahm, mit der Faust einen Stoß auf die Schulter und einen Schlag auf den Rücken erhielt.

Beim Verlassen des Kaufhauses Bamberger & Hertz in der Kaufinger Straße wurde ein italienischer Staatsangehöriger (Franz Xaver Albertini, wohnh. Glückstr. 9) angehalten mit den Worten ''Man solle nicht bei Juden kaufen''. Als er erwiderte, er sei italienischer Staatsangehöriger, erhielt er von einem unbekannten Mann aus der Menge einen Schlag ins Gesicht. Das italienische Generalkonsulat in München erhob wegen dieses Vorfalles Vorstellung bei der Bayerischen Staatskanzlei.

Baum wird geladen...