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Chronik und Quellen
1935
Mai 1935

Die Gestapo berichtet

Die Gestapo für den Regierungsbezirk Merseburg berichtet am 6. Juni 1935 für Mai 1935 aus Halle:

Die innerhalb der Synagogengemeinde Halle bestehenden Vereine und Organisationen sind wie üblich mit zahlreichen Veranstaltungen hervorgetreten. Diese wurden regelmäßig überwacht. Grund zum Einschreiten der Staatspolizei war in keinem Falle gegeben. Jedoch ist in der letzten Zeit häufig bemerkt worden, daß die Leiter der Organisationen aus irgendwelchen undurchsichtigen, anscheinend tendenziös verbreiteten Gerüchten vorgaben, über die Anmeldepflicht ihrer Veranstaltungen falsch unterrichtet worden zu sein. Da eine Belehrung durch die allein zuständige Stelle nicht erfolgt war, konnte es sich nur um bewußte Entstellungen durch die eigenen jüdischen Kreise handeln. Die Staatspolizeistelle hat sich infolgedessen veranlaßt gesehen, verschiedene Veranstaltungen der Juden im Mai wegen nicht rechtzeitiger Anmeldung zu verbieten.

In der Anlage zum vorliegenden Lagebericht wird ein Verzeichnis der sämtlichen in Halle bestehenden immerhin sehr zahlreichen jüdischen Organisationen beigefügt.

Vereine und Organisationen der Synagogengemeinde Halle a.S.-Vorsitzender bezw. Leiter:.......................

Kulturkreis      Dr. Max Weinberg, Hindenburgstr. 33
Wirtschaftshilfe        Richard Hesse, Blumenthalstr. 18
Liberale Vereinigung        Dr. Max Hirsch, Gr. Ulrichstr. 6/8
Central-Verein        Rabbiner Dr. Kahlberg, Lindenstr. 70
Germanialoge        desgl.
Frauenverein        Flora Schlesinger, Ulestrasse 13
Barmherziger Brüderverein        Herm. Weiß, Martinsberg 17
Ostjudenvereinigung        Leo Lipper, Hedwigstrasse 1
Zionistische Ortsgruppe        Emil Rosenbusch, Lothringerstr. 1
Reichsbund jüd. Frontsoldaten        Dr. Julius Fackenheim, Wettinerstr. 17
Sportgruppe des Reichsbundes jüd. Frontsold. ((Turnverein 04)         Curt Lewin, Kaiserplatz 19
Turnverein Bar Kochba        Wilhelm Nemann, Gr.Ulrichstrasse 55
Verband nationaldeutscher Juden , Ortsgruppe Halle        Waldemar Müller, Kaiserplatz 3
Machasikei Hadas        Sally Biletzky, Landwehrstrasse 10
Schwesternloge        Frau Dr. Kahlberg, Lindenstrasse 70
Bikur Cholim        Moritz Kratzer, Steinweg 36
Jüdischer Club        Hans Heilbrun, Blumenstrasse 8
Hechaluz        Martin Librach, Gr. Brauhausstr. 12
Jugendgemeinschaft        Walter Strauß, Hohenweidenerweg 96
Bund deutsch-jüdischer Jugend        Dr. Erich Kohlhagen, Leipzigerstr.16
Jüdischer Pfadfinderbund        Achim Pollak, Gr.Ulrichstrasse 27 [...]

 

NSDAP und ihre Gliederungen (…)

In der Nacht zum 21.5.35 haben bisher unbekannte Täter in Bitterfeld eine größere Anzahl Schaufenster jüdischer Geschäfte und die Fahrbahnen asphaltierter Straßen mit roter Ölfarbe mit den Worten beschmiert: ''Achtung! Kauft nicht bei Juden!'' Die sofort aufgenommenen Ermittlungen nach den Tätern blieben ohne Erfolg. (…)

Wirtschafts- und Sozialpolitik (…)

Vor kurzem fand in Halle eine Versammlung des Zweigvereins Deutscher Zucker-Techniker statt, bei der ein gewisser Dr. Baumann ein kurzes Referat halten sollte. Dr. Baumann ist Jude. Einige Parteigenossen vertraten die Ansicht, daß der Vortrag eines Juden in einer solchen Versammlung unangebracht sei, und erhoben Einspruch gegen den Vortrag beim Vorsitzenden, Direktor Hempel; Rossleben. Dieser schrieb daraufhin an den Pg. Peter Maul in Halle, der als Sprecher der Pg . den Einspruch erhoben hatte, einen Brief, in dem es u.a. heißt: ''Auf Ihr Schreiben vom 18.3.35 teile ich Ihnen mit, daß am 9.3. auf der Geschäftsführersitzung des NSBDT -RVDA in Leipzig den anwesenden Vorsitzenden sämtlicher technischen Vereine mitgeteilt wurde, daß über die Behandlung nichtarischer Mitglieder vom Präsidenten, Herrn Dr. Todt, noch Entscheidung getroffen würde. Also, warum nationalsozialistischer sein wollen, als der Präsident Herr Dr. Todt''?

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