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Chronik und Quellen
1935
Mai 1935

Die Gestapo berichtet

Die Gestapo für den Regierungsbezirk Magdeburg berichtet am 5. Juni 1935 für Mai 1935:

Die Versammlungstätigkeit der jüdischen Vereine war im Berichtsmonat nicht sehr rege. Am 19.5.35 fand in Magdeburg eine Hauptversammlung des Provinzialverbandes für jüdische Wohlfahrtspflege in Sachsen/Anhalt statt. Besonders interessant waren die Ausführungen des Rabbiners Dr. Wilde über die Stärke der jüdischen Bevölkerung in Magdeburg. Die jüdische Bevölkerung sei augenblicklich in Magdeburg, wo sie nie mehr als 1% ausgemacht habe, jetzt auf 1/2% der Gesamtbevölkerung herabgesunken. Die Gemeinde sei 1913 etwa 1848 Seelen stark gewesen, habe 1925 durch die ostjüdischen Einwanderer ihren Höhepunkt mit 2173 erreicht und sei am 30.6.33 etwa 1975 Seelen stark gewesen. Den jetzigen Stand schätzte Dr. Wilde etwa mit 1500-1600 Seelen. Die jüdische Gemeinde setze sich in Magdeburg hauptsächlich aus älteren Jahrgängen zusammen. Über die Geburten- und Sterbeziffern der Juden in Magdeburg führte er aus, daß im Jahre 1925 noch 23 Geburten gegen 5 Sterbefälle und für das Jahr 1930 22 Geburten gegenüber 11 Sterbefällen gestanden hätten. In den letzten beiden Jahren schätzte Wilde die Geburten auf höchstens 10. Man kann hieraus die erfreuliche Schlußfolgerung ziehen, daß bei weiterem Anhalten der geringen Geburtenziffern die Einwohnerzahl der Juden in Magdeburg immer mehr abnehmen wird. Auch in den übrigen Gemeinden des Provinzialverbandes ist die Geburtenziffer zurückgegangen.

Dr. Seelenfreund, Magdeburg, setzte sich besonders für die Unterstützung der jüdischen Jugendvereine, in denen die jüdischen Jugendlichen zur Auswanderung nach Palästina vorbereitet werden, ein.

Der Syndikus des Landesverbandes Provinz Sachsen im Zentralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens , Sabatzky , hielt in Magdeburg mit einigen Vereinsmitgliedern der Ortsgruppe Magdeburg eine Besprechung ab. In dieser Besprechung kam Sabatzky auch auf das Wehrgesetz zu sprechen und bedauerte außerordentlich, daß den Juden nicht die Möglichkeit zum Dienst im Heere gegeben würde. Bezüglich der Äußerungen Sabatzkys über das Wehrgesetz nehme ich besonders Bezug auf meinen Bericht vom 31.5.35. S. teilte in der Besprechung weitere Vorfälle aus dem Regierungsbezirk Magdeburg mit. Er erwähnte u.a., daß die Ortsschilder ''Hier sind Juden unerwünscht'' noch in einigen Orten des Regierungsbezirks Magdeburg sich befänden. Sabatzky berichtete weiter über Zurücksetzung eines jüdischen Frontkämpfers in Oschersleben aus Anlaß der Verteilung der Ehrenkreuze des Weltkrieges. Den Juden wären die Ehrenkreuze nicht in einer gemeinsamen Feier überreicht, sondern nur durch einen Magistratsboten zugestellt worden. Zum Schluß der Besprechung wies S. besonders darauf hin, daß es erforderlich sei, die jüdische Jugend im Sinne der CV -Ideologie zu erziehen.

Eine geplante Versammlung des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten Ortsgruppe Magdeburg habe ich aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verboten. Leider besteht bei vielen Parteigenossen noch immer die Neigung, bei Juden zu kaufen. Der im Krankenhaus Calbo bis jetzt noch beschäftigte jüdische Arzt Dr. Mirauer, dessen Beschäftigung in der Öffentlichkeit, besonders im Stürmer , lebhaft diskutiert wurde, hat sich bereit erklärt, am 1. Oktober seinen Posten zu verlassen. (…)

 

Geheim!

Anlage zum Lagebericht für den Monat 1935.
(Nur für das Gestapa ) (…)

Die Neigung vieler Parteigenossen, noch immer bei Juden zu kaufen, hält an. Gegen die beiden Beigeordneten in Calbe/S. Bartels und Gerber ist ein Parteistrafverfahren eingeleitet worden, weil sie angeblich bei Juden eingekauft haben.

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