Die Gestapo berichtet
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Hannover berichtet am 4. Juni 1935 für Mai 1935:
Eine gewisse Erregung gegen die Juden macht sich immer wieder in örtlichen, größtenteils geringfügigen, Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte und ihre Inhaber bemerkbar. In sämtlichen Fällen war es nicht möglich, die Täter festzustellen. Die Erregung wird dadurch gefördert, daß offensichtlich die wirtschaftlichen Verhältnisse der jüdischen Geschäfte als durchweg günstig anzusehen sind. So soll, wie mir aus Pattensen, Kr. Springe, berichtet wird, ein jüdischer Viehhändler geäußert haben: ''Das dritte Reich müßte nur schon früher gekommen sein, die Geschäfte der Juden wären noch nie so gut gewesen wie jetzt im dritten Reich.''
Die rege Versammlungstätigkeit der jüdischen Verbände und Vereine hält nach wie vor an.
Die Zionistische Ortsgruppe Hannover hatte besonders in der letzten Zeit eine rege Propaganda und Versammlungstätigkeit für die Auswanderung nach Palästina entfaltet. So gelangten wiederholt Filme zur Vorführung, durch die den hiesigen Juden die Aufbauarbeit der nach Palästina ausgewanderten Juden gezeigt wurde. Vor der Filmvorführung wurde mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß das Palästinaproblem eine Angelegenheit aller Juden sei, von dem sich kein Jude ausschließen dürfe. Es müsse jeder Jude einsehen, so bemerkte der Redner, daß es sich hier um das jüdische Schicksal handele. Kein Jude könne sein Blut weder durch Taufe noch durch andere Mittel verleugnen. Die Vorführungen wiesen durchweg sehr starken Besuch auf.
Die Zionistische Organisation, die in ihrer kolonisatorischen Tätigkeit in Palästina die öffentliche Hand darstellt, hat sich zwei Finanzinstrumente geschaffen, die das nationale Kapital darstellen und die Grundlage für die Siedlungsmöglichkeit schaffen und zwar den Siedlungsfonds (Keren Hajessod ) und den Fonds für Bodenbeschaffung (Keren Kajemeth Lejisrael ).
Der Siedlungsfonds gewinnt seine Mittel aus einer freiwilligen Besteuerung, die ihm die Möglichkeit geben, den Boden zu entsumpfen, besiedlungsfähig zu machen und den Siedlern zu niedrigstem Zinsfuß langfristige Wirtschaftskredite zu geben.
Der Fonds für Bodenkauf gewinnt seine Mittel durch freiwillige Spenden und erwirbt Bodenflächen in Palästina als unveräußerlichen Besitz des jüdischen Volkes, den er den Siedlern übergibt.
Der Organisations- und Propaganda-Apparat der Zionistischen Organisation wird für die Landesorganisationen durch die Zionistensteuer und für die zionistische Weltorganisation durch den jährlich in einer großen Aktion vertriebenen Schekel (Bezeichnung einer althebräischen Münze) finanziert.
Die Zionistische Vereinigung - Ortsgruppe Hannover - hat im letzten halben Jahre einen Mitgliederzuwachs von ca. 40% zu verzeichnen. Die Gesamtzahl der hier zionistisch organisierten Juden beträgt z.Zt. etwa 800, einschließlich der Unterorganisationen.
Von den übrigen jüdischen Vereinen und Verbänden ist Besonderes nicht zu berichten.