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Chronik und Quellen
1935
Mai 1935

Die Gestapo berichtet

Die Gestapo für den Regierungsbezirk Erfurt berichtet am 6. Juni 1935 für Mai 1935:

Noch immer werden die Vertrauensratswahlen von der KPD in der Arbeiterschaft propagandistisch ausgenutzt. Man errechnet aus den Wahlergebnissen, daß die KPD, abgesehen von den Angstwählern, weit über 30% der Arbeiterschaft hinter sich habe. Die Wirtschaftslage, insbesondere die Geschäftswelt sei katastrophal. Die Gewerbetreibenden ständen heute schon der Regierung feindlich gegenüber. Das jüdische Kaufhaus ''Römischer Kaiser'' in Erfurt mache zur Zeit die besten Geschäfte; es habe über 50% aller Käufer, insbesondere Beamte, Reichswehroffiziere usw. als Kunden . Hieraus sei zu ersehen, daß die von der Partei herausgegebenen Anweisungen, nicht beim Juden zu kaufen, überhaupt nicht beachtet würden. (…)

 

Juden

Eine besondere Aktivität innerhalb der jüdischen Vereinigungen im hiesigen Bezirk, wie sie besonders in den Vormonaten in Erscheinung getreten war, ist nicht beobachtet worden.

Am 19.5.1935 fand in Erfurt eine Tagung des jüdischen Pfadfinderbundes ''Makkabi - Hazai - Brith - Hazofin'' statt. Der Ortsgruppenführer des Pfadfinderbundes Gotha, Martin Neuhaus - Gotha - Gerschastrasse 2, leitete die Veranstaltung. Der Redner, Hans Werner Samolwitz aus Schmalkalden, sprach über das Thema ''Wege und Ziele der Juden.'' Über das Thema ist im Tagesbericht vom 24.5.1935 eingehend berichtet worden. Anwesend waren 16 Jugendliche beiderlei Geschlechts. Die Veranstaltung hatte den Zweck, in Erfurt einen jüdischen Pfadfinderbund zu gründen. Wegen mangelnder Beteiligung ist es zur Gründung einer Ortsgruppe nicht gekommen.

Im Ortspolizeibezirk Nordhausen hatte der jüdische Jugendbund im Berichtsmonat 10 Schulungsabende veranstaltet. Neben jüdischer Geschichte wurde hauptsächlich Palästinakunde und neuhäbräische [sic] Sprache gelehrt.

Weiterhin wurden innerhalb der jüdischen Gemeinde Nordhausen mehrere Erbauungsstunden durch den jüdischen Lehrer Dr. Pfingst abgehalten.

Der Bezirksverband der Zeitungsverleger hat den hiesigen Zeitungsverlegern mitgeteilt, daß diejenigen Unternehmen als unzuverlässig angesehen werden könnten, die Anzeigen von jüdischen Kaufhäusern und Kaufleuten aufnehmen. Da die hiesige Presse dieser Anregung des Bezirksverbandes restlos nachgekommen ist, erscheinen jüdische Anzeigen nicht mehr. Das jüdische Kaufhaus ''Zum Römischen Kaiser'' in Erfurt hat daraufhin Warenpreislisten drucken lassen, die auf der Straße und auch als Postwurfsendungen verbreitet werden. Die arische Kaufmannschaft ist über dieses jüdische Geschäftsgebaren ungehalten, zumal diese Reklame von Fachmännern für viel wirksamer gehalten wird als die bisherige Zeitungsreklame.

Außer den üblichen Monatsversammlungen der übrigen jüdischen Vereine ist über die Judenbewegung im hiesigen Bezirk nennenswertes nicht zu berichten.

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