Die Gestapo berichtet
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Arnsberg berichtet für Mai 1935 aus Dortmund:
Innerhalb der jüdischen Assimilanten hält die niedergedrückte Stimmung an. Hierzu hat auch das inzwischen verkündete Wehrgesetz beigetragen, da die Juden hiernach von der Wehrpflicht ausgeschlossen sind. Die Assimilanten hatten bis dahin immer noch gehofft, daß hinsichtlich der Wehrpflicht für die Juden keine Ausnahme geschaffen werde und damit erstmalig das antisemitische Prinzip durchbrochen werde. Nachdem in dieser Hinsicht ihre Hoffnungen enttäuscht wurden, bricht sich die Erkenntnis weiter Bahn, daß mit einem Wandel der Einstellung von Staat und Bewegung gegen die Juden nicht zu rechnen ist. Aus dieser Tatsache erklärt sich auch der schlechte Besuch von Veranstaltungen der Assimilanten, während die Versammlungen der Zionisten durchweg starken Zulauf haben.
Die wirtschaftliche Lage des Judentums ist nicht einheitlich. Die jüdischen Geschäfte erfreuen sich bedauerlicherweise nach wie vor eines guten Zuspruchs. Zu ihren Kunden zählen auch sehr viele Landbewohner aus den umliegenden Orten. Leider kann auch immer wieder die Feststellung gemacht werden, daß sich selbst alte Parteigenossen nicht scheuen, jüdische Geschäfte zu besuchen. Im Gegensatz zu der verhältnismäßig günstigen Lage der jüdischen Geschäftswelt stehen die Verhältnisse bei den jüdischen Ärzten und Rechtsanwälten , deren Praxis ständig zurückgeht. Innerhalb dieser Kreise herrscht daher eine besonders hoffnungslose Stimmung. Verschiedene Ärzte tragen sich daher mit dem Gedanken auszuwandern, um sich im Ausland eine neue Existenz zu gründen. Die Rechtsanwälte dagegen sind bestrebt, ihre Praxis in Deutschland unter allen Umständen aufrecht zu erhalten, da für sie eine Existenzgründung im Ausland nur unter erschwerten Umständen möglich ist.
Die jüdischen Händler, insbesondere polnische Juden, sind in letzter Zeit wieder dazu übergegangen, auf dem flachen Lande mit Stoffen und Textilwaren umher zu reisen und diese an Ort und Stelle zu verkaufen, ohne im Besitz eines Wandergewerbescheines zu sein. In den meisten Fällen handelt es sich um minderwertige Sachen, die zu hohen Preisen unter allen möglichen Tricks an den Mann gebracht werden. Gelegentlich soll auch behauptet worden sein, daß in Zukunft die Stoffe teurer würden und vielfach nur noch Ersatzfabrikate zu haben wären. Diese Händler, die stets vorgeben, nur Muster mitzuführen und Bestellungen aufzunehmen, sind jedoch nur selten zu überführen.
Wenn auch, wie bereits erwähnt, noch zahlreiche Volksgenossen die nötige Disziplin gegenüber der Bewegung im Kampf gegen das Judentum vermissen lassen, muß doch andererseits erwähnt werden, daß die ''antisemitische Welle'' im stetigen Wachstum begriffen ist, wie u.a. gelegentliche Ausschreitungen beweisen.