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Chronik und Quellen
1935
April 1935

Die Gestapo berichtet

Die Gestapo für den Regierungsbezirk Osnabrück berichtet für die Monate März und April 1935:

Die rege Vereins und Vortragstätigkeit der Juden wurde fortgesetzt. So fand am 3.3.35 ein Lichtbildervortrag der hiesigen Ortsgruppe des Kulturbundes deutscher Juden statt. Es sprach Meyer aus Rheda über ''Rembrandts jüdische Gestalten''. Der Referent wies in der Hauptsache darauf hin, daß Rembrandt seine Modelle in der jüdischen Bevölkerung gesucht und gefunden habe. An Hand der Lichtbilder zeigte er, wie Rembrandt insbesondere Gestalten des alten Testaments verarbeitet hat.

Weiter veranstaltete die jüdische Gemeinde , Osnabrück am 10.3.1935 einen Rezitationsabend aus der deutschen und jüdischen Dichtung. Der ehemalige Schauspieler am Deutschen Theater in Berlin, Meinhard Maur, rezitierte Dichtungen von Goethe, Herder, Heine und Nietzsche. Ferner las er verschiedene Kapitel aus der Bibel in altjüdischer Fassung vor. Den Schluß des Vortrages bildeten Rezitationen verschiedener Dichter und Philosophen. Diese Rezitationen können unter dem Begriff ''Jude und Vaterland'' oder ''Jude und Deutscher'' zusammengefaßt werden.

Am 21.3.35 fand im Gemeindesaal der Synagoge in Osnabrück eine Versammlung der hiesigen Ortsgruppe des Zentralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens statt, die von etwa 45 Personen besucht war. Es sprach Dr. Davidson aus Herford über die Hauptarbeit und Aufgaben des Zentralvereins. Der Redner schilderte die wirtschaftliche Notlage der jüdischen Kaufleute und brachte zum Ausdruck, daß es dem Zentralverein zu verdanken sei, wenn dem Juden heute überhaupt noch eine gewisse Existenzfähigkeit erhalten geblieben sei. Der Zentralverein hätte in der Abwehr des Boykotts erfolgreiche Arbeit leisten können. Dem Verein würde heute auch wieder mehr Entgegenkommen von den Behörden, insbesondere dem Reichswirtschaftsministerium gezeigt. Die Wiederauflebung des Boykotts um die Weihnachtszeit 1934 sei nicht im Sinne der Reichsregierung gewesen. Dem Zentralverein sei es auch damals gelungen, Regierungsmaßnahmen gegen den Boykott zu erwirken. Es könne heute auch die Feststellung gemacht werden, daß dem deutschen Juden die Betätigung in der Wirtschaft nach und nach weniger erschwert werde. Der Redner versuchte nachzuweisen, daß es unbedingt notwendig sei, den Zentralverein zur Vertretung wirtschaftlicher Interessen der Juden zu erhalten, da sonst keine Möglichkeit vorhanden sei, berechtigtes Interesse bei den zuständigen Behörden durchzusetzen.

Am 30.3.35 veranstaltete die hiesige Zionistische Ortsgruppe im Saale der Synagoge einen Vortragsabend mit dem Thema ''Ist Raum genug in Palästina?'' Es nahmen hieran etwa 70 Personen teil. Es sprach der Generalsekretär des ''Keren Kajemeth Lejisrael ''. Der Redner schilderte in seinem Vortrag die wirtschaftlichen Verhältnisse in Palästina und wies darauf hin, daß noch ausreichende Ansiedlungsmöglichkeiten dort vorhanden seien.

Am 11.4.35 veranstaltete der Kulturbund deutscher Juden einen Vortrags und Gesangsabend in Osnabrück, an dem etwa 100 Personen teilnahmen. Der Oberkantor Lieber aus Hamburg sprach über ''Das jüdische Volkslied'' und trug unter Mitwirkung von Gertrud Hoppe aus Oesede eine Reihe solcher Lieder vor.

Die hiesige jüdische Gemeinde ist von etwa 380 Seelen seit der nationalen Erhebung auf etwa 265 zurückgegangen. Dem Vernehmen nach soll sich ein großer Teil der jüngeren Juden auf die Auswanderung vorbereiten.

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