Bericht aus Schwerin
Die Mecklenburgische Politische Polizei gibt am 4. Mai 1935 folgenden „Stimmungsbericht“ für den April 1935 aus Schwerin ab:
Auffallend ist, daß die jüdischen Geschäfte von den Volksgenossen nicht mehr wie früher gemieden werden. Man kann oft die Beobachtung machen, daß jüdische Geschäfte, insbesondere von der Landbevölkerung, bevorzugt werden, da man in diesen Geschäften angeblich preiswerter kaufen kann. Selbst Parteigenossen sind von diesem Glauben erfaßt und tätigen ihre Einkäufe oft in jüdischen Geschäften.
Die Judenfrage wird von einem großen Teil der Bevölkerung in ihrer Bedeutung überhaupt nicht mehr erkannt. Viele sehen in dem Juden nicht mehr den Feind des deutschen Volkes und glauben aus der Tatsache, daß der Jude weiterhin in Deutschland unbehelligt seinem Beruf nachgehen kann, die Folgerung ziehen zu können, der Kampf gegen das Judentum sei beendet. Eine andauernde intensive Aufklärung der Bevölkerung dürfte unerläßlich sein, zumal der Jude es versteht, die Bevölkerung in dieser Ansicht zu stärken, und versucht durch Freigebigkeit und sonstige Spenden seine frühere Stellung zurückzugewinnen. (…)
Auffällig ist, daß von vielen Stahlhelmern die Anwendung des deutschen Grußes vermieden wird, und daß Stahlhelmer, wie bereits auf Seite 2 ausgeführt, ihre Einkäufe gerne in jüdischen Geschäften tätigen.