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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Bericht über Sachsenhausen

Am 30. November 1938 verfasster Bericht eines Unbekannten über fünf Tage Haft in Sachsenhausen:

Ich war vom Donnerstag, dem 10. November, fünf Tage in dem Konzentrationslager Sachsenhausen und kann nur sagen, dass der über Buchenwald im neuen Tagebuch gegebene Bericht bis auf die Tageseinteilung genau mit meinen Erfahrungen im Lager übereinstimmt. - Wir sind lediglich etwas später aufgestanden, mussten aber ebenso arbeiten, Steine schleppen, Sand schaufeln und Zementsäcke tragen. Auch mussten wir, was besonders furchtbar war, Zementwasser trinken. Die Aufsichtsmannschaften waren durchwegs junge Leute bis 22 Jahre, einzelne Scharführer bis 25 Jahre. Man ließ uns stundenlang stehen, was besonders den Älteren unter uns um deswillen besonders schwerfiel, weil auch das Austreten oft sechs bis zehn Stunden lang verboten war. So sah ich, wie neben mir ein 72-jähriger Rechtsanwalt aus A. an diesen körperlichen Qualen zusammenbrach.

Am ersten Tage trafen mit uns 60 Lastwagen mit ca. 1800 Mann ein und wurden am Lager von einer Menge grinsender Verbrechergesichter empfangen, die sich gleich mit den gemeinsten antisemitischen Schimpfworten und rücksichtslosen Misshandlungen vor allem auf die Älteren stürzten. Es ging dann im Laufschritt zu der Baracke, die völlig neu aufgebaut war, in unserer Baracke lagen etwas über 150 Mann - der Raum war etwa 180 qm groß -, sodass wir eng gepresst lagen.

Die Mögen Dovids mussten wir auf unsere Jacken selbst aufnähen. Das Essen war für den, der Soldatenkost aus dem Felde gewohnt war, nicht schlecht. Als Vorarbeiter waren alte Zuchthäusler uns zugewiesen, die sich uns gegenüber weit anständiger benahmen als die SA- und SS-Leute. Für ältere geistige Arbeiter, wie Richter, Anwälte und Ärzte, auf die es die Bewachungsmannschaften besonders abgesehen hatten, war das Leben schlechterdings unerträglich.

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