Bericht über Dachau
Bericht eines Müncheners über seine Erlebnisse und Beobachtungen in Dachau:
Nicht zur Veröffentlichung
21. November 1938
Einzelvorfälle im Konzentrationslager Dachau
Während der Zeit, in der ich in Dachau war, sind in meiner Baracke, in der 200 Leute untergebracht waren, vier Juden gestorben.
Einem alten, über 70-jährigen Arzt, der verschiedene Krankheiten hatte und sich ins Revier, d. h. zum Arzt, meldete, wurde vom Arzt gesagt: „Was fehlt dir, alter Dreckjude?“ Der alte Mann schilderte, was ihm fehle. Der Revierarzt untersuchte ihn nicht, sondern ließ ihn sich umdrehen, gab ihm einen Fußtritt und sagte: „Du bist nur zu faul, du Schwein! Ab!“ Geheimrat Aufhäuser (Bankier), dessen Bruder naturalisierter Engländer und in München schwedischer Generalkonsul ist, wurde genauso geschlagen wie jeder andere.
Baron Hirsch, dessen Eltern oder Großeltern bekanntlich die 200 Millionen für die Hicem stifteten, wurde furchtbar zugerichtet. Man wollte ihn zwingen, das Gut zu verkaufen, und hat ihn deshalb für einen Tag weggebracht. Er kam wieder ins Lager zurück und teilte mit, dass er das Gut ja gar nicht verkaufen könnte, weil es seinem Bruder gehöre. Dieser war aber nicht auffindbar. Baron Hirsch ist Katholik. (In München wurde erzählt, dass dieser nicht anwesende Bruder Hirsch erstjetzt eine Porzellansammlung im Werte von einer Million Mark einem Museum schenken wollte. Diese Sammlung sei aber bei einem Sturm auf das Schloss Planegg des Barons vollständig kaputtgeschlagen worden. Das Schloss sei niedergebrannt worden.)
Der Notar Walter, etwa 72 Jahre alt, wurde von einem SS-Mann gefragt: „Was bist du, Saujude?“ Er gab in strammer Haltung zur Antwort: „Notar.“ Der SS-Mann sagte darauf: „Da hast du also auch die Leute betrogen.“ Walter: „Das verbitte ich mir.“ Er wurde sofort aus den Reihen herausgerissen, ein Arm herumgedreht (vielleicht beschädigt), und er wurde abgeführt. Ob er in ein Isolierlager gekommen ist oder vielleicht gleich erschossen wurde, wissen wir nicht. Wir alle fürchten das Schlimmste für ihn.
Der schlimmste Sadist scheint der Stellvertreter des Lagerkommandanten zu sein. Er kam von hinten an einen Trupp neu angekommener Juden heran. Er gab einem, der scheinbar nicht ganz regungslos gestanden hatte, einen furchtbaren Fausthieb. Der Mann fiel hin, war vielleicht bewusstlos und konnte sich nicht erheben. Darauf trampelte der Stellvertreter des Kommandanten auf dem Mann herum, und als er auch dann noch nicht aufstand, ließ er ihn auf den Bock legen und mit dem Ochsenziemer auspeitschen. Danach war der Mann bestimmt bewusstlos. (Als schlimmste Strafe wird an und für sich immer wieder die des Auspeitschens angedroht auf den nackten Körper. Und davor hatte jeder heillose Angst.)
Ein Gefangener bekam derartige Ohrfeigen, dass er hinfiel. Er konnte nicht mehr aufstehen. Ein SS-Mann ließ einige Eimer Wasser bringen und begoss in der eiskalten Nacht den Mann damit, den man scheinbar vorher ausgezogen hatte. (Ich habe den Vorfall miterlebt, mich aber selbstverständlich, da er vielleicht zwei Reihen hinter mir passierte, nicht umgedreht, sonst hätte mir dasselbe passieren können. Ich habe strammgestanden, wie angenagelt.) Durch das Begießen kam der Mann wieder zu sich und stand auf. Dann bekam er noch mehr Prügel, weil er sich nicht schnell genug wieder anzog.